Tönnies: Vom Buhmann der Coronakrise zum Vorbild der Pandemie-Bekämpfung

Rheda-Wiedenbrück. Die Virologin Melanie Brinkmann genießt den Ruf, im Kampf gegen Corona sehr streng und konsequent zu sein. Sie arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, berät die Bundesregierung und ist Verfechterin der No-Covid-Strategie, die Lockerungen erst bei geringen Inzidenzwerten zulässt. Ausgerechnet Melanie Brinkmann lobt jetzt den monatelang heftig gescholtenen Tönnies-Konzern: &bdquo;Im Grunde genommen ist Tönnies ein Vorzeige-Fall für gelungene Pandemie-Bekämpfung", sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger. Als dem Schlachtunternehmen nach dem großen Corona-Ausbruch im Sommer auferlegt worden sei, die ganze Belegschaft regelmäßig zu testen und weitere Maßnahmen für den Infektionsschutz umzusetzen, habe man &bdquo;bei Tönnies natürlich erst gestöhnt" wegen des hohen Aufwands, so Brinkmann. Dann habe der Konzern unternehmerisch reagiert und gesagt, &bdquo;dann machen wir’s". Heute &bdquo;sind sie stolz, dass sie das Virus bei sich in den Griff bekommen haben". &bdquo;Wir erwarten, dass die Zahl impfender Ärzte zum Engpassfaktor wird" Jetzt will Tönnies seiner Belegschaft (inzwischen 12.500 festangestellte Mitarbeiter allein in Deutschland) auch Corona-Impfungen anbieten. &bdquo;Sobald die Möglichkeit dazu besteht, wird geimpft", sagt Gereon Schulze Althoff. &bdquo;Wir wollen uns nicht vordrängeln", betont der Leiter des Pandemie-Krisenstabs des Konzerns. Aber die Beschäftigten der Lebensmittelindustrie gehörten zur Risikogruppe 3 und seien daher relativ früh an der Reihe. Im April könnte es losgehen: &bdquo;Wir hoffen, dass Impfstoff schon bald keine Mangelware mehr ist", sagt Schulze Althoff. Immerhin, die EU hat auch den Impfstoff von Johnson & Johnson nun zugelassen. Aber: &bdquo;Wir erwarten, dass die Zahl der impfenden Ärzte künftig zum Engpassfaktor wird", fürchtet Schulze Althoff. Der bei Tönnies für das Qualitätsmanagement zuständige Veterinärmediziner will im Testzelt an der Konzernzentrale drei oder vier Impfstraßen einrichten. Das genaue Konzept entwerfe der arbeitsmedizinische Dienstleister ASZ, der schon jetzt täglich mit ein bis zwei Ärzten rund um die Uhr im Werk präsent sei, wie Schulze Althoff sagt. &bdquo;Bei der jüngsten Grippeschutzimpfung im Winter haben wir positive Erfahrungen mit einer Großimpfung gesammelt, jetzt möchten wir hier innerhalb weniger Wochen 4.000 bis 5.000 Mitarbeiter impfen." Die Spritzen sollen auf freiwilliger Basis verabreicht werden, &bdquo;aber wir hoffen natürlich auf möglichst viele Teilnehmer". &bdquo;Niemand hat versucht, sich an den Tests vorbeizuschleichen" Schulze Althoff glaubt an eine breite Beteiligung. Auch die Testkampagne, bei der die Teilnahme für alle Produktionsmitarbeiter Pflicht ist, sei auf große Akzeptanz gestoßen. &bdquo;Niemand hat versucht, sich an den Tests vorbeizuschleichen", sagt Schulze Althoff und äußert seinen Respekt für die hohe Bereitschaft zur Mitwirkung – immerhin sei die Aussicht auf eine 14-tägige häusliche Quarantäne für viele Mitarbeiter keine angenehme Vorstellung. Zweimal in der Woche sind die Tests vorgeschrieben, an sechs parallelen Teststationen führen Mitarbeiter des Roten Kreuzes 1.000 PCR-Tests pro Stunde durch. Die Beschäftigten können ihren Arbeitsplatz im Stammwerk an den Test-Tagen nur durch das Testzelt erreichen, in jeder Woche seit dem Sommer seien rund 12.000 Tests durchgeführt worden. Ein Mindener Labor lieferte die Ergebnisse innerhalb von 24 Stunden: &bdquo;Natürlich haben wir auch Corona-Infektionen gefunden, aber die Zahl der positiven Ergebnisse ist im Promille-Bereich geblieben", bilanziert Schulze Althoff. Eine Dunkelziffer gebe es durch die Komplett-Testung nicht, Infektionsketten innerhalb des Betriebs konnten bisher verhindert werden. Die Pandemie hat den Tönnies-Konzern viele Millionen Euro gekostet Eine Bilanz wird auch für die Kosten der Corona-Bekämpfung zu ziehen sein. Allein in Rheda-Wiedenbrück hätten die Tests pro Woche Kosten von 400.000 bis 500.000 Euro verursacht. Weitere Posten im Kampf gegen das Virus kommen hinzu, von den Ausgaben für das Zelt bis zu den Investitionen in die verbesserten Luftfilteranlagen. Der Produktionsstopp im Frühjahr und allgemeine Absatzeinbußen schlagen ebenfalls zu Buche: Den Tönnies-Konzern wird die Pandemie am Ende einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gekostet haben.

Meistgelesen