Diese Firmenchefin aus OWL verrät ihren Mitarbeitern (fast) alles

Marienfeld. Zyniker sagen, dass es in der Wirtschaft zwei Sorten Akteure gibt: jene, die machen, und jene, die wissen, wie man es vermeintlich besser macht. Vielleicht liegt es daran, dass Reformvorschläge gern belächelt werden. Wenn eine Frau ein Industrieunternehmen übernimmt, die zuvor eine Marketingagentur mit dem Namen "Kopfstand" geführt hat, dann ist das ein Belächel-Szenario. Doch Kerstin Hochmüller (53) hat sich bei Marantec nicht beirren lassen. Seit 2013 lenkt sie die Geschicke des Antriebeherstellers aus Marienfeld – und wird heute in Fachmedien wie dem "Handelsblatt" oder vom "Spiegel" für ihren unternehmerischen Kopfstand gefeiert. Sie selbst bezeichnet das nicht als Kopfstand, sondern spricht von einer neuen Unternehmenskultur. Doch der Wandel ist offensichtlich. Marantec, ein klassischer ostwestfälischer Mittelständler, tickt heute anders. Transparenz, Miteinander, Innovation, Vertrauen, Netzwerk – Stichworte der neuen Zeit, die an Marketingsprech erinnern. Deshalb wird Kerstin Hochmüller gern gefragt, was das konkret heiße. Dann spricht sie von ihrem &bdquo;grundsätzlich positiven Menschenbild", davon, dass &bdquo;Mitarbeiter wahrgenommen werden wollen und gern Verantwortung übernehmen", dass man sie &bdquo;in Entscheidungen einbeziehen statt über sie hinweggehen soll". Klingt irgendwie immer noch nach Marketingsektor oder? &bdquo;Na gut, dann ganz konkret: Bei uns kennen alle Mitarbeiter die Budgets ihrer Abteilung und wissen, um wie viel Geld es geht, wie viel Verantwortung darin liegt." Sensible Daten auch für die Mitarbeiter Entscheidungen werden im markanten hellen Firmengebäude mit den roten Fensterrahmen erklärt und nicht einfach getroffen. &bdquo;Natürlich bedeutet das einen Vertrauensvorschuss für die Mitarbeiter, wenn sie sensible Daten kennen." Aber die Erfahrung zeige, dass ihre Belegschaft wisse, wie sie damit umzugehen hat. Nähe und Bindung nennt das die Chefin. Hierarchien habe sie immer schon hinterfragt. &bdquo;Menschen für Leistungen zu respektieren ist okay, aber nicht für ihre Position." Zugleich müsse Kritik auch in einem Familienunternehmen zum Arbeitsalltag gehören. Den Vertrauensvorschuss gewährt sie auch beim einst skeptisch beäugten Homeoffice, dem Thema dieser Tage. &bdquo;Viele entdecken die Vorteile für die Familie", sagt sie und ergänzt: &bdquo;Im Büro zu sitzen bedeutet ja nicht unbedingt mehr Kommunikation. Wir führen im Homeoffice per Video mehr Gespräche und kommen schneller auf den Punkt." Bei Marantec werde man diese Kultur auch nach Corona in einem deutlichen Anteil weiterführen. Doch Hochmüllers Kopfstand umfasst viel mehr als Mitarbeiterführung. Die Diplom-Betriebswirtin hat das Unternehmen neu ausgerichtet. &bdquo;Wir brauchen neue Geschäftsmodelle in dieser schnelllebigen Zeit und wir brauchen die Kompetenz anderer an Stellen, wo wir selbst nicht stark genug sind". Hochmüller setzt auf Start ups. Eine Strategie, die seit einigen Jahren gerade in OWL viel diskutiert und besungen wird, doch offenbar noch lange nicht alle Mittelständler erreicht hat. Ein Beispiel: Das Strategie-Team hat die Parkraumbewirtschaftung als Konzept für eine Komplettlösung ausgemacht. Bislang bot Marantec nur Technik an: Antriebe für Garagentore, Schranken und ähnliches. "Doch was ist mit Wartung, Service, Vermittlung von Parkplätzen, und Verwaltung? Das fehlte uns." Marantec fand ein Start up in München, das genau diese Fähigkeiten hat, und bietet heute &bdquo;als einziger auf dem Markt" (Hochmüller) die Gesamtlösung an vom Antrieb bis zur Verwaltung. &bdquo;Die Komplettlösung ist heute das Erfolgsrezept, nicht mehr ein technisches Produkt allein", sagt Hochmüller. Auch bei der wachsenden E-Mobilität gibt es einen Anknüpfungspunkt. Marantec kooperieren mit einem Anbieter, der auch Ladesäulen in Garagen mit bedienen kann. Start ups faszinieren die 53-Jährige - weil sie über den Tellerrand hinausschauen. &bdquo;Da gibt es keine Scheuklappen. Wenn ein Start up etwas nicht kann, dann kennt es ein anderes, das diese Leistung anbietet." Für ein Industrieunternehmen reiche es nicht mehr aus, sich jahrelang auf eine Idee zu fixieren, ein Lastenheft zu schreiben und abzuarbeiten. &bdquo;Man muss kreativ und schnell reagieren und mehrere Wege ausprobieren." "Für diesen Wandel sind wir zu langsam" Das Internet der Dinge (IOT) sei für den klassischen Mittelständler zu groß, um es allein zu bewältigen. Selbst für Marantec mit seinen mehr als 500 Mitarbeitern. &bdquo;Da braucht es Netzwerke und Kooperationen." Mehr und mehr Firmen schwenkten auf diesen Weg ein und doch: &bdquo;Ich befürchte, wir in sind in OWL und in Deutschland bei diesem Wandel zu langsam." Hochmüller hat sich auch von der Pandemie nicht ausbremsen lasse. Auch wenn es im ersten Lockdown Probleme mit Lieferketten im Ausland gab. &bdquo;Unsere sportlich bemessenen Ziele für 2020 haben wir nicht erreicht, aber man darf nicht immer nur auf Profit gucken." Auf was aber schaut man als Geschäftsführerin noch? &bdquo;Es treibt mich an, Menschen zu sehen, die zufrieden sind. Es ist besonders motivierend, wenn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu dir sagen: ich fühle mich hier super wohl."

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