Wie Schweinehalter in OWL ums Überleben kämpfen

Warburg/Stemwede. Schweinebauern haben es in diesen Tagen besonders schwer: Zum einen machen immer wieder Meldungen von Corona-Infektionen auf Schlachthöfen die Runde. Zum anderen droht seit dem ersten Auftreten der Afrikanischen Schweinepest auf deutschem Boden die Gefahr einer Seuche. Die Notlage der Landwirte wird durch die Einfuhrverbote für deutsches Schweinefleisch in nicht EU-Länder wegen der Afrikanischen Schweinepest verschärft. &bdquo;Die Handelswege sind durch die Afrikanische Schweinepest durcheinandergeraten", sagt Antonius Tillmann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe. Dadurch habe sich ein massiver Preisverfall ergeben. Ein noch gravierenderes Problem sieht der Milchvieh- und Schweinehalter im Coronavirus. Die Schlacht- und Zerlegekapazitäten sind seit Wochen aus Infektionsschutzgründen gedrosselt und wurden wegen Infektionen unter der Mitarbeiterschaft teils sogar ausgesetzt. Eine halbe Million Tiere konnte nicht geschlachtet werden Nach Angaben der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands in Damme konnte eine halbe Million Tiere nicht geschlachtet werden. Geschäftsführer Torsten Staack warnt davor, dass zu Weihnachten weit über eine Million Schweine in den Ställen stehen, sollten die Schlacht- und Zerlegekapazitäten nicht wieder aufgestockt werden. Besonders betroffen sind nach Angaben von Tillmann jene Landwirte, die Schweine in die Welt setzen lassen. &bdquo;Die Ferkelbauern sind die Gekniffenen", so der Warburger. Den Vorwurf, die Ferkelproduktion hätte zurückgefahren werden müssen, kann er nicht nachvollziehen: &bdquo;Wir haben es hier mit Natur zu tun. Die können wir nicht einfach anhalten." Der Zeitraum vom Belegen einer Sau, der Tragezeit von durchschnittlich drei Monaten und drei Wochen, über das Großziehen der Ferkel, bis hin zur Schlachtung betrage ein halbes Jahr. Ende Dezember sind die Sauen belegt worden, deren Ferkel jetzt geschlachtet werden, sagt Carsten Mattelmeyer, Sauenhalter und Schweinemäster aus Stemwede. &bdquo;Zu diesem Zeitpunkt hat noch niemand über Corona gesprochen. Die Betriebe stocken ab. Aber das dauert." Sonntagsgenehmigungen könnten Erleichterung schaffen Damit kurzfristig das Problem der vollen Schweineställe gelöst werden könne, müssten die Schlachtkapazitäten schnell hochgefahren und Absatzmärkte wiederhergestellt werden beziehungsweise sich neue Absatzmärkte ergeben, sagt Mattelmeyer. Erleichterung könnten Sonntagsgenehmigungen schaffen, die die Arbeitszeiten in Schlacht- und Zerlegebetrieben an Sonn- und Feiertagen vorübergehend ausweiten. Auf die dramatische Situation der Schweinehalter hatte Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast Anfang Oktober in einer emotionalen Rede im niedersächsischen Landtag hingewiesen und war dabei in Tränen ausgebrochen. Viele Bauern seien völlig verzweifelt, sagte sie. &bdquo;Mich erreichen Telefonate von weinenden Männern und Frauen, die nicht mehr ein und aus wissen. Sie sagen, ich töte meine Schweine und werde mich umbringen." »Unsere Not wird einfach nicht anerkannt« Mattelmeyer, der in OWL einen von 1.420 Betrieben mit Schweinehaltung führt, kann die Verzweiflung seiner Kollegen nachvollziehen. Beim Krisenmanagement der Bundesregierung seien Branchen wie Tourismus und Gastronomie besonders bedacht worden – die Versorgungssicherheit sei dagegen nicht infrage gestellt worden. &bdquo;Unsere Not wird nicht erkannt", kritisiert er. &bdquo;Die wenigsten könnten lange zurechtkommen, wenn wir Landwirte die Türen zumachen würden." Der Anreiz weiterzumachen sei momentan nicht mehr da. &bdquo;Aber ich kann nicht von heute auf morgen aufhören", so der 28-Jährige. Der Landwirt aus Stemwede sieht die Landwirtschaft wegen eines grundlegenden Strukturwandels in einer ernsten Krise. &bdquo;Keiner weiß, ob wir Ende nächsten Jahres noch unseren Betrieb haben. Wir werden mit Gesetzen überworfen." "Das ganze System läuft aus dem Ruder" Besonders schlecht zu sprechen ist er auf die Nutztierhaltungsverordnung, die einen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung vorsieht. In den Umbau der Stallgebäude muss er 600.000 bis 750.000 Euro investieren und hätte anschließend zusätzlich Umsatzeinbußen, weil der Bestand abgestockt werden muss. Mattelmeyer sieht die Probleme der Schweinewirtschaft tiefer verwurzelt als in der Corona-Pandemie oder der Schweinepest. &bdquo;Das ganze System Landwirtschaft läuft aus dem Ruder." Zu den immer strengeren Auflagen komme hinzu, dass die Arbeit der Erzeuger nicht mehr wertgeschätzt werde. Die hohe Belastung durch weit über 4.000 Arbeitsstunden im Jahr und eine 24-Stunden-Bereitschaft werde durch psychischen Druck noch verstärkt. &bdquo;Für uns steht an erster Stelle, dass es den Tieren gut geht. Wir leben von und mit ihnen." Dennoch werde Landwirten oft Profitgier auf Kosten der Tiere vorgeworfen. &bdquo;Die fehlende Wertschätzung nimmt einem den letzten Funken Lust", sagt Mattelmeyer.

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