Warum so viele Azubis jetzt noch in die Ausbildung starten

Bielefeld. Ein verspäteter Start in die Ausbildung - was in anderen Jahren eine Ausnahme ist und nur vereinzelt vorkommt, ist im aktuellen Ausbildungsjahr die Hoffnung für viele Ausbildungsbetriebe und Bewerber. Beinahe in allen Ausbildungsberufen sind zum August dieses Jahres weniger Auszubildende ins Berufsleben gestartet als in den Vorjahren. Darum machten die Ausbildungsbetriebe schon im August deutlich, dass das Fenster für einen Ausbildungsstart 2020 noch nicht geschlossen ist. Dennoch liegt der Rückgang bei den Ausbildungsverhältnissen in den Berufen unter dem Dach der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) im Vergleich zum Vorjahr noch immer bei minus 13,3 Prozent. Während im Ausbildungsjahr 2019 OWL-weit 7.735 Verträge unterschrieben wurden, liege die Zahl zum 30. Oktober dieses Jahres aktuell bei 6.724 geschlossenen Ausbildungsverträgen, wie IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke mitteilte. Die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld verzeichnet aktuell ein Minus von 8,4 Prozent bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in OWL im Vergleich zum Vorjahr. Weitere 90 Arbeitsverträge im Oktober Darum betonen die Kammern, dass ein Start ins neue Ausbildungsjahr weiterhin möglich ist: "Die fünfte Jahreszeit, wie wir sie nennen, also der Bewerbungszeitraum für einen Ausbildungsstart 2020, haben wir in diesem Jahrgang bis Januar 2021 verlängert", erklärt Pigerl-Radtke. Dies gelte auch für die Ausbildungsberufe anderer Kammern. "Bis zum 30. September haben in OWL 3.518 junge Menschen eine Ausbildung in einem Betrieb der Handwerkskammer begonnen", sagt Carl-Christian Goll, Geschäftsbereichsleiter in der Abteilung Berufsausbildung der Handwerkskammer OWL. Zum 30. Oktober seien weitere 90 Arbeitsverträge hinzugekommen. Bei der IHK sei die Entwicklung ähnlich. Dem jetzigen Minus von 13,3 Prozent war im September 2020 ein Minus von 14 Prozent vorausgegangen. "Generell können wir sagen, dass die Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt im Vergleich zum Vorjahr etwa eine zweimonatige Verzögerung haben", sagt Pigerl-Radtke. Doch der Nachrück-Effekt von später beginnenden Ausbildungsverhältnissen, sei in diesem Jahr besonders bemerkbar. Darum sei die Lehrstellen-Börse wie bisher aktuell. "Und wir haben unsere seit dem Frühjahr aktive Ausbildungs-Hotline noch nicht geschlossen", sagt Goll. Auch die Ausbildungsberater befänden sich weiter im aktiven Nachvermittlungsprozess. Soziales Engagement und betriebswirtschaftliches Interesse Damit ein verspäteter Ausbildungsstart gelingt, sind alle Seiten gefragt. "Es ist aktuell eine gesunde Mischung aus sozialem Engagement und betriebswirtschaftlichem Interesse in den Ausbildungsbetrieben zu erkennen", beschreibt Thomas Richter, Leiter der Agentur für Arbeit Bielefeld, die Situation. "Alle Partner im Ausbildungskonsens, seien es die Arbeitsagenturen, die Kammern oder auch das Ministerium und die Gewerkschaften, versuchen, das Beste aus der Situation zu machen." Allen sei bewusst, dass die Jugendlichen, die in diesem Jahr nicht in Ausbildung gehen, den Unternehmen in drei Jahren fehlen werden. Umso erfreulicher sei es, dass alle Beteiligten sich zur Unterstützung verpflichtet haben. "Sowohl die Berufsschulen als auch die Lehrmeister in den Betrieben haben sich dazu verpflichtet, später startenden Auszubildenden den Einstieg zu erleichtern", sagt Richter. Wo das nicht helfe, gebe es ausbildungsbegleitende Hilfe. Eine Art Nachhilfe, die durch die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit angeboten werde. So soll noch so vielen wie möglich ein verspäteter Ausbildungsstart ermöglicht werden.

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