Hilfspaket

Bielefelder Wissenschaftler befürchtet neue Finanzkrise

Die Notenbank will in der Corona-Krise mit einem neuen Hilfsprogramm eine Kreditklemme verhindern und Staaten wie Italien helfen. Doch Frank Riedel warnt: "Sie spielt mit dem Feuer."

Angesichts der Corona-Pandemie schnürt die Notenbank ein neues Hilfspaket, um eine Kreditklemme in der EU zu verhindern. | © picture alliance / Ulrich Baumgarten

Andrea Frühauf
26.04.2020 | 26.04.2020, 10:30

Bielefeld. Die Europäische Zentralbank (EZB) will künftig auch Ramsch-Anleihen als Sicherheiten akzeptieren, die Banken bei der Notenbank für Kredite hinterlegen. Mit ihren Maßnahmen will die Notenbank die Finanzierung der Eurozone und die Kreditversorgung der Wirtschaft sichern.

Dahinter steht die Befürchtung, dass Staatsanleihen von Ländern wie Italien und Spanien von Ratingagenturen infolge der Corona-Krise und des Konjunktureinbruchs als weniger kreditwürdig eingestuft werden und damit nicht mehr die Minimalanforderungen der EZB für Sicherheiten erfüllen. Künftig können die Euroraum-Großbanken diese Staatsschuldscheine deshalb auch mit einer schlechten Rating-Note bei der EZB beleihen. Die Regelung soll bis September 2021 gelten.

Wirtschaftswissenschaftler Frank Riedel - © Uni Bielefeld
Wirtschaftswissenschaftler Frank Riedel | © Uni Bielefeld

Konkret betroffen sind Wertpapiere, die zumindest bis zum 7. April noch den Mindestanforderungen der EZB entsprochen haben und von den großen Ratingagenturen knapp über dem „Ramschniveau" BBB- eingestuft wurden.

"Währungshüter haben die Regeln weiter eingerissen"

„Eine Institution wie die EZB basiert auf dem Vertrauen der Menschen; nur dann kann eine Währung, die auf Papiergeld beruht, stabil bleiben", sagt der Bielefelder Wirtschaftswissenschaftler Frank Riedel, der als Direktor das Institut für Mathematische Wirtschaftsforschung an der Universität Bielefeld leitet.

„Leider weicht die EZB aber bei jeder Krise ihre selbstgesetzten Prinzipien auf. Es begann nach der Finanzkrise 2008/09 mit den ersten Anleihekäufen, die dann auch auf Unternehmensanleihen ausgeweitet wurden. Nun hat sie die Regeln aber weiter eingerissen", bemängelt der Wirtschaftswissenschaftler.

„Staatsrisiken zu übernehmen, war vor ein paar Jahren ein erster Schritt der EZB", erläutert Riedel. Nun sei seit Ende März mit dem PEPP (Pandemic Emergency Purchase Program) die Beschränkung, maximal 33 Prozent der Staatsanleihen eines Landes zu kaufen, aufgehoben. Und auch die Vorschriften für Sicherheiten, die Geldhäuser für den Erhalt von Notenbank-Krediten stellen müssen, wurden erneut gelockert. Riedel räumt ein, die US-Notenbank Fed mache dies auch. Sie geht sogar noch weiter als die EZB, beleiht die Ramschanleihen (Junk-Bonds) nicht nur, sondern kauft sie auf.

„Große Staaten wie Italien zu retten, ist nicht Aufgabe der EZB"

Für Riedel stellt sich indes die Frage, ob „damit das Finanzsystem eines Tages kollabiert? Dies weiß niemand". Die Notenbank spiele mit dem Feuer. Banken hingegen könnten nun faule Kredite bei der EZB als Sicherheit hinterlegen. „Sie sind damit ihre Risiken los. Dies hilft den Unternehmen und Banken kurzfristig, belastet aber sehr stark die Bilanz der EZB", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

Riedel hält als Folge der Corona-Krise eine neue Finanzkrise für möglich. Und er befürchtet, dass die EZB, wenn sie immer weitere Rettungsschirme aufspannen müsse, eines Tages mit dieser Aufgabe überfordert sein könnte. „Große Staaten wie Italien zu retten, ist nicht Aufgabe der EZB, sondern eine Aufgabe der Politik", sagt Riedel. „Es wäre besser, wenn sich die Regierungen hinstellten und ihren Menschen offen sagten, dass sie Italien retten wollen und wie viel es kostet, als die Lasten implizit bei der EZB abzuladen", fordert er.

Die EZB hatte bereits umfangreiche geldpolitische Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Folgen der Virus-Pandemie einzudämmen. Dazu gehören unter anderem Liquiditätsspritzen für Banken sowie zusätzliche Käufe von Staatsanleihen und anderen Anleihen bis zum Jahresende im Volumen von 750 Milliarden Euro. Damit addieren sich die für 2020 anvisierten Wertpapierkäufe auf rund 1,1 Billionen Euro.

 Mit Material von Reuters.

INFORMATION


Griechische Staatsanleihen

Zuvor hatte die EZB  bereits  griechische Staatsanleihen als Sicherheiten in ihren Refinanzierungsgeschäften akzeptiert. Man habe eine Reihe von beispiellosen Änderungen in der Sicherheitenpolitik beschlossen, teilte die EZB Anfang April in Frankfurt mit. Es werde damit auf die in der Corona-Krise verschärften Bedingungen an den Finanzmärkten reagiert. Generell würden die Anforderungen an Sicherheiten gelockert.