Lebensmittelversorgung: Erste Landwirte streiken in der Krise

Paderborn/Gütersloh. Als Reaktion auf die Düngemittelverordnung, die am Freitag vom Bundesrat gebilligt wurde, streiken Landwirte in OWL. In den Kreisen Paderborn und Gütersloh haben sich bereits 40 Bauern zusammengeschlossen, die die Produktion von Agrarprodukten wie Fleisch, Milch, Getreide und Gemüse unterbrechen. Die ersten 30.000 Liter Milch sind am Dienstag nicht in die Molkerei gebracht worden, sondern im Schweinetrog gelandet. Insgesamt wollen die Landwirte die Produktion um 20 Prozent drosseln. Marcus Blome aus Delbrück ist einer von ihnen. &bdquo;Mitten in der Corona-Krise billigt der Bundesrat eine neue Düngemittelverordnung, die eine bedarfsgerechte Düngung der Kulturpflanzen und Zwischenfrüchte unmöglich macht", moniert Blome. &bdquo;Die neue Verordnung, die im Eiltempo ohne Einflussmöglichkeit der Landwirte von der Bundesregierung durchgeboxt wurde, wird Qualität und Erntemenge negativ beeinflussen und letztlich die gesamte Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung schwächen." Besonders in der Kritik steht die Verordnung wegen der pauschalen Reduktion der Düngung in nitratsensiblen Gebieten um 20 Prozent und das Verbot der Düngung von Zwischenfrüchten ohne Futternutzung. Landwirte wollen der Politik die Folgen ihrer Verordnung zeigen Welche Folgen die Verordnung haben wird, wollen Blome und seine Mitstreiter der Politik während der Corona-Krise zeigen. Seit Beginn der Woche drosseln die Bauern deshalb die Produktion ihrer Produkte. &bdquo;Mein Schweinestall ist leer. Ich werde in den nächsten Woche keine Tiere verkaufen", erklärt Blome. Andere Landwirte verfüttern Milch an Schweine, anstatt sie an Molkereien zu verkaufen. &bdquo;Wir werden unsere Agrarprodukte nicht mehr in gewohnter Menge zur Verfügung stellen. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln ist in Gefahr. Zu verantworten hat das die Politik." Blome und seine Mitstreiter stören sich vor allem am Zeitpunkt der Abstimmung im Bundesrat. &bdquo;Auch die Landwirtschaft kann aufgrund der Krise nur noch eingeschränkt arbeiten, doch anstatt auch diese Branche zu unterstützen, werden uns weitere Vorgaben auferlegt. Die Bundesregierung hatte noch Zeit, wir hätten gemeinsam eine Lösung finden können, denn auch wir Landwirte fordern Anpassungen beim Düngen", sagt Blome. &bdquo;Der Gewässerschutz liegt auch im Interesse der Landwirte, aber das wird gerne verschwiegen." "Politik erschwert uns mitten in der Krise die Arbeit" Der Landwirt fragt sich, warum die Bundesregierung die Systemrelevanz der Landwirtschaft in Krisenzeiten nicht anerkennt. &bdquo;Die Politik verlangt, dass wir weiterhin hochwertige, regionale Lebensmittel liefern, um die Nahrungsmittelversorgung auch während der Krise sicher zu stellen. Gleichzeitig erschwert uns die Politik erneut die Arbeit. Das passt nicht zusammen." Die Kritik an der neuen Düngemittelverordnung und am Vorgehen der Bundesregierung teilen auch der deutsche Bauernverband, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sowie der westfälisch-lippische Landwirtschaftsverband (WLV). Die Verbände lehnen Produktionsstopps während der Corona-Krise jedoch ab. Bauernverbände wollen die Versorgung sicherstellen &bdquo;Die heimische Landwirtschaft wird für die Dauer der Pandemie die Versorgung der Bevölkerung mit sicheren und hochwertigen Nahrungsmitteln weiterhin sicherstellen", erklärt der WLV-Präsident Hubertus Beringmeier. &bdquo;Wir teilen die Kritik. Die neue Verordnung ist unausgegoren und hat erhebliche fachliche Mängel. Wir sagen aber auch, dass Nahrungsmittelversorgung und die Novelle der Düngeverordnung unabhängig voneinander zu betrachten sind." Blome und seine Mitstreiter wollen mit den Produktionsstopps nicht die Bevölkerung bestrafen. &bdquo;Wir wollen der Politik die Folgen ihres Handelns deutlich machen", sagt Blome. Allerdings apelliert der Landwirt auch an Verbraucher: &bdquo;Aktuell zeigt sich wieder, dass Tierwohl für viele Verbraucher wohl doch keine Rolle spielt. Die vergleichsweise teuren Erzeugnisse bleiben liegen, weil die Verbraucher in der Krise möglichst viel und und möglichst günstig einkaufen." Bundesweit fehlen Landwirten Tausende Erntehelfer Bundesweit rechnet Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in den kommenden Monaten mit Engpässen im Bereich Gemüse und Obst, weil Tausende Erntehelfer fehlen. Das Bundesinnenministerium will nach Gesprächen mit dem Landwirtschaftsministerium das Einreiseverbot für Saisonarbeiter aus einigen EU-Staaten überprüfen. Es gehe darum, ob man bei Wahrung des obersten Ziels, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, eine pragmatische Lösung für die Landwirte finden könne. Das Landwirtschaftsministerium hatte darauf verwiesen, dass im Mai normalerweise 85.000 meist osteuropäische Erntehelfer gebraucht würden. Das Innenministerium wies darauf hin, dass das Einreiseverbot nicht für Saisonarbeiter aus Polen, Tschechien und der Slowakei gelte. Normalerweise werden pro Jahr fast 300.000 Saisonarbeiter eingesetzt. Als Problem werden wegen Corona vor allem beengte Sammelunterkünfte bei Bauern angesehen. Lieferant erwartet leere Regale im Obst- und Gemüsesegment Frutania, einer der größten Lieferanten von Obst und Gemüse, sieht durch den Einreisestopp für Erntehelfer gravierende Probleme in der Versorgung von Lebensmitteln in Deutschland. Geschäftsführer Markus Schneider sieht einen Engpass auf Deutschland zukommen, der nicht nur 2020 sondern auch in den nächsten Jahren spürbar sein wird: "Unsere angeschlossenen Betriebe können im Moment ihre Ernte nicht einbringen und bestellen heute keine Pflanzen mehr für nächstes Jahr, da sie in der Ungewissheit der aktuellen Lage nicht in finanzielle Vorleistung für nächstes Jahr gehen können." Der Import von Waren aus dem benachbarten Ausland ist laut Schneider nicht oder nur teilweise gesichert. "Der hohe regionale Versorgungsgrad in den Monaten April bis September wird demzufolge in den Supermärkten zu leeren Regalen im Obst und Gemüsesegment führen."

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