Johannes Garbino-Anton kennt die neuen Entwicklungen in der Flugbranche bestens. Er ist Testpilot – und begeistert von Elektrofliegern. „Das Fliegen ist völlig anders, dem Segelfliegen ähnlich“, sagt er, „es vibriert kaum etwas, es ist absolut lautlos, man spürt, dass es auch viel effizienter ist.“ Kommen nach den E-Autos, die immer häufiger auf der Straße unterwegs sind, die E-Flieger? Werden Flugreisen grün, zumindest grüner werden?
„Mittlerweile sehen auch große Firmen große Potenziale“, sagt Garbino-Anton. Er fliegt nicht nur, er koordiniert auch das Projekt „Innovationsbündnis für die Entwicklung emissionsarmer Flugzeugantriebe“, kurz IBEFA. Dahinter stehen Konzerne wie Siemens und Rolls Royce. Dazu kommen die Flugzeugbauer Apus, Aquila und Stemme und Forschungseinrichtungen. Angesiedelt ist es beim Berlin-Brandenburgischen Luftfahrtverband. Die Hauptstadtregion will ein Zentrum werden für alternative Flugzeugantriebe.
Ingenieure weltweit betreten Neuland
Ingenieure weltweit betreten Neuland. Zwar ist nach Angabe des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft der Treibstoffverbrauch pro Passagier seit 1990 um 43 Prozent gesunken. Die Branche experimentiert mit leichterer Bauweise, effizienteren Motoren, optimiert auch Flugrouten. Doch Fortschritte verpuffen, weil die Zahl der Flüge zunimmt. Bis zum Jahr 2040 wird sich, so schätzt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, von heute etwa vier auf gut 9 Milliarden mehr als verdoppeln - auch wenn die Deutschen in diesem Jahr voraussichtlich weniger in den Urlaub fliegen, mit der Corona-Krise derzeit Maschinen am Boden bleiben. Erst im vergangenen Dezember hat in Kanada der Prototyp eines der ersten voll-elektrischen Passagierflugzeuge der Welt seinen Jungfernflug bestanden: Ein mit Lithium-Ionen-Akkupacks ausgestattetes kleines Wasserflugzeug - Typ DHC-2 de Havilland Beaver - hob vom Flughafen in Vancouver ab und drehte eine Runde über dem Fraser-Fluss. Es war der Start in ein neues Luftfahrtzeitalter.
Für Garbino-Anton kommt der entscheidende Schritt aber erst in diesem Sommer: „Dann wird das das erste E-Flugzeug voraussichtlich zu kaufen sein“: Der Alpha Electro des slowenischen Herstellers Pipistrel wird derzeit von der Europäischen Zulasungsbehörde EASA geprüft. Betrieben mit einer Batterie, kann er 50 Minuten in der Luft bleiben, dazu kommen 12 Minuten Reserve. Es ist ein Zweisitzer, vor allem für Trainingsflüge gedacht. Für große Passagiermaschinen sind die Batterien zur Zeit noch deutlich zu schwer. „Für ein voll-elektrisches Passagierflugzeug wie den Airbus A320 müssten beim heutigen Stand der Technik über 50 Tonnen Batterien eingeplant werden – das wären zwei Drittel des Startgewichts. Und selbst das würde nur für 20 Minuten Flugzeit reichen“, rechnen die Experten des DLR vor. So werde das elektrische Flugzeug vor allem auf Kurz- und Mittelstrecken zum Einsatz kommen.
Es ist ein Start in eine neue Ära
Aachener Forscher um den Elektroautopionier Günther Schuh haben vor kurzem das Modell eines fünfsitzigen Flugzeugs, das Silent Air Taxi, vorgestellt - mit Hybridtechnik. Es kann mit Strom fliegen, aber bei Bedarf auch mit Treibstoff angetrieben werden. Das ist ähnlich wie bei einem Hybridauto, bei dem sich kürzere Strecken ohne Verbrennungsmotor bewältigen lassen. Die Entwicklung geht in Etappen voran - und Größenklasse für Größenklasse.
Vor kurzem haben DLR-Wissenschaftlerr zusammen mit der Münchner Ideenschmiede Bauhaus Luftfahrt in einer Studie ein 19-sitziges hybrid-elektrisches Flugzeug konzipiert. Das könnte eine Strecke von 200 Kilometer rein elektrisch schaffen. Werden zwei spezielle Gasturbinen eingeschaltet, sogenannte Range Extender, kann die Reichweite auf 1000 Kilometer erhöht werden. Und an der Universität Stuttgart startete erst im Januar ein groß angelegtes Forschungsprojekt um einem hybriden 50-Sitzer zum Durchbruch zu verhelfen.
Zurück in der Zeit der Dampfmaschine
Die Schweden bereiten sich bereits vor auf die E-Flieger: Der staatliche schwedische Flughafenbetreiber Swedavia will noch in diesem Jahr den Flughafen Åre Östersund entsprechend ausrüsten und Ladesäulen aufstellen, als Test für seine insgesamt zehn Flughäfen. In nur fünf Jahren soll der erste E-Linienflug folgen. Es ist der Start in eine neue Ära, meint Garbino-Anton: „Wenn sie mal elektrisch geflogen sind und dann wieder auf ein herkömmliches Flugzeug umsteigen, kommt es ihnen vor als seien sie zurück in der Zeit der Dampfmaschine.“