
Von
Stefan Schelp
14.01.2020 | 16.01.2020, 17:11
Kommentar
Verspätungen, Zugausfälle, zerbröselnde Bahnhöfe: Ob die angekündigten Milliarden reichen, die grundsätzlichen Probleme der Deutschen Bahn zu lösen?
Morgens, 7.20 Uhr am Bielefelder Bahnhof. Ziel: Möbelmesse in Köln.
Statt des Doppel-ICEs nach Düsseldorf und Köln kommt nur der Zugteil, der die Landeshauptstadt ansteuert. Die „Kölner" steigen in den Düsseldorfer Teil und stehen bis Hamm im Gang, weil der Zug knallvoll ist. In Hamm folgt der Wechsel in einen Ersatz-IC. Der ist in Wahrheit ein umlackierter Interregio mit original-grün-durchgesessenen Sitzen. Damals, Ende der 80er Jahre war er mal schick. Inzwischen gehört er ins Museum.
Abends, auf dem Rückweg, das nächste Bahnkapitel. In Hamm heißt es wieder: endlos warten. Der anzukoppelnde ICE, wohl der aus Düsseldorf, hat eine halbe Stunde Verspätung. Wir im Anschluss auch.
Warum uns das bei Reisen mit der Deutschen Bahn nicht weiter wundert? Weil es Standard ist. Ein ganz normaler Bahntag. Und das ist das wirklich Schlimme: Beinahe niemand rechnet mehr damit, problemlos ans Ziel zu kommen, wenn bei der Wahl des Fortbewegungsmittels die Deutsche Bahn zum Zuge gekommen ist. Verspätung, Zugausfälle, bröckelnde Bahnhöfe, fehlende Information – alles alltäglich. Der Bahnreisende ist halt Kummer gewohnt.
86 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren sollen alles besser und die 20er Jahre zum goldenen Jahrzehnt der Bahn machen. Die Zahl der Fahrgäste soll sich verdoppeln. 86 Milliarden Euro – eine gigantische Summe, zehn Mal höher als die Kosten für das Irrsinns-Projekt Stuttgart 21. Allerdings muss die Summe nur deshalb so hoch sein, weil über Jahrzehnte – mal abgesehen von Stuttgart 21 – so gut wie gar nichts passiert ist.
Der Staatsbetrieb ist kaputtgespart worden, weil die Bundesregierungen lieber die Autoindustrie gepuckert haben. Nun müssen Gleise, Stellwerke erneuert werden, die Zahl der Züge am besten verdoppelt werden. Das Personal gleich mit. Ob das Geld reicht? Wer will das bei solchen Summen beurteilen? Ob die Bahn die Arbeiten sauber abgewickelt bekommt? Skepsis scheint angebracht. Ob sich die Zahl der Reisenden verdoppelt? Das wäre zugegebenermaßen eine schöne Überraschung. In etwa so, wie eine Bahnfahrt ohne Verspätungen und Zugausfälle.
Ein Webabo bietet Zugriff auf alle Artikel.
Mit NW+-Updates per Mail - jederzeit kündbar.