Kommentar

Kein Wohlstand ohne Mobilfunk

Die Bundesregierung plant eine Kampagne zur Schließung der letzten Funklöcher im Mobilfunk. Der nötige Ausbau der Infrastruktur löst aber auch Ängste aus.

Ein Mann steht mit einem Smartphone neben einer Basisstation (Mobilfunkmast). Die Bundesregierung will den Internet- und Handyempfang in Deutschland in den kommenden zwei Jahren grundlegend verbessern. | © picture alliance/dpa

Hannes Koch
19.11.2019 | 19.11.2019, 17:40

Weil die Bundesregierung weiß, dass ihr Plan zum fast flächendeckenden Ausbau des Mobilfunknetzes umstritten ist, hat sie sich gleich noch ein Werbekonzept ausgedacht. Damit will sie Leute, die Gesundheitsschäden durch Strahlung befürchten, vom Gegenteil überzeugen und Klagen gegen die Masten eindämmen. Insgesamt liegt die Regierung richtig. Denn ohne leistungsfähige Datennetze kann dieses Land ökonomisch und sozial einpacken.

Wer heute in den Mittelgebirgen und auf dem flachen Land abseits der größeren Städte unterwegs ist, kennt das Phänomen: Der Datenempfang auf dem Smartphone bricht ab. Manchmal kann man nicht einmal mit dem Handy telefonieren. Nachdem die Regierung die privaten Netzbetreiber schon verpflichtet hat, die gröbsten Lücken in ihren Netzen zu schließen, verspricht sie nun, dies in den am dünnsten besiedelten Ecken des Landes selbst zu erledigen.

Die 5G-Technik löst bei manchen Leuten Ängste aus

Eine staatliche Gesellschaft und mehr als eine Milliarde Euro Fördergelder sollen dafür sorgen, dass die weißen Mobilfunk-Flecken verschwinden. Es geht um Sprach- und Datennetze mit schnellem 4G-Standard. Später soll auf 5G aufgerüstet werden, damit beispielsweise autonome Fahrzeuge überall fahren können.

Wobei schon die jetzige, erst recht aber die künftige 5G-Technik bei manchen Leuten Ängste auslösen. Sie befürchten, durch die Strahlung krank zu werden. Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt es jedoch „keinen Nachweis, dass die Smartphone-Nutzung bei Einhaltung der internationalen Grenzwerte Krebs verursachen könnte".

Eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation kam 2011 bei einer Auswertung bereits veröffentlichter Studien dagegen zu dem Ergebnis, dass Mobilfunkstrahlung von Handys „möglicherweise krebserregend" ist. Zu eventuellen Risiken durch 5G-Netze sagte BfS-Präsidentin Inge Paulini: Man wisse zu wenig, weitere Forschung sei nötig. Eindeutige wissenschaftliche Nachweise für Gesundheitsschäden durch Mobilfunknetze fehlen heute offenbar.

Auch an der polnischen Grenze will man T-Shirts online bestellen

Demgegenüber können wir von der sicheren Erkenntnis ausgehen, dass modernes Leben und moderne Wirtschaft ohne leistungsfähigen Mobilfunk nicht funktionieren. Inzwischen ist es normal, sich beim Spaziergang im Wald mit Online-Karten zu orientieren. Wer unter 65 hat denn eine Landkarte dabei, in welchem Auto-Handschuhfach liegt noch der Autobahnatlas?

Natürlich möchten auch die Bewohner der letzten Datsche am hintersten See vor der polnischen Grenze ihre T-Shirts online bestellen, um sie möglichst noch abends in Empfang zu nehmen. Unternehmen auf dem Land brauchen schnelle Datenverbindungen ebenso wie Ärzte. In diesem Jahrhundert ist Wohlstand ohne Datenkommunikation nicht mehr möglich.

Konsequenzen bis hin zur geringeren Lebenserwartung

Wer also gegen Mobilfunkmasten zu Felde zieht, möge sich überlegen, ob er oder sie bereit ist, in 30 Jahren auf einem niedrigeren Wohlstandsniveau zu leben als heute. Materieller Rückschritt bedeutet: kleinere Wohnung, einige Grade weniger Raumtemperatur, schlechtere Lebensmittel, keine Apotheke im Umkreis von 50 Kilometern, geringere Lebenserwartung.

Klingt übertrieben? Die Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen hängt auch vom technischen Niveau der Wirtschaft ab, und damit von ihrer Fähigkeit, Gewinn zu erwirtschaften. Ohne Digitalnetze dürfte das künftig sehr schwierig werden.