Champagner

Warum deutsche Schaumweine ein Image-Problem haben

Auch aus Deutschland kommen inzwischen erlesene Schaumweine. Hergestellt werden sie wie französische Champagner – auch die gleichen Trauben stecken darin. Trotzdem fehlt es dem „Deutschen Winzersekt“ bislang an Glamour. Eine Spurensuche.

Handel: Die französische Konkurrenz gegenüber den deutschen Schaumweinen ist groß. | © imago/Westend61

29.05.2019 | 29.05.2019, 15:00

Als Isabel und Tim Weißbach heirateten, gab es auf ihrer Feierausschließlich Sekt zu trinken – von nachmittags bis nachts. „Wirtrinken selbst zu 90 Prozent Prickelndes – deshalb setzen wir allesauf eine Karte", erzählt Tim Weißbach, Kellermeister derSektmanufaktur Strauch inm rheinhessischen Osthofen. In fünf Jahren,so das erklärte Ziel, wollen er und seine Frau das elterliche Weingut komplett auf Sekt umgestellt haben, keinen klassischen Weinmehr abfüllen.

Schon jetzt ist ihr Betrieb, in dem die Weißbachs neben der eigenenSektproduktion auch noch Weine anderer Winzer „versekten",komplett ausgelastet: „Gerade renommierte Weingüter springengerade auf den Trend auf und wollen neben ihren Stillweinen auch nocheinen Prestige-Sekt mit ins Portfolio aufnehmen", erzählt TimWeißbach. Deutscher Winzersekt ist gefragt – auch wenn diefranzösische Konkurrenz aus der Champagne noch immer mehr Glamourmit sich bringt.

"Deutscher Champagner"

Auf der Pariser Weltausstellung vor rund hundert Jahren gab es ihn noch:Den „Deutschen Champagner". Schaumwein, der in Flaschen vergorenwird und dabei besonders feine Bläschen bildet – seit jeher giltdieses Getränk als besonders edel, ein Luxusprodukt, dessen Namensich die Franzosen bereits im Versailler Vertrag sicherten: Im sogenannten „Champagnerparagraph" ist festgeschrieben, dass nurSchaumwein aus der Region Champagne den edlen Namen tragen darf.

Volker Raumland gilt als Schaumwein-Pionier in Deutschland, als der Winzer,der den Champagner nach Rheinhessen brachte. 100.000 Flaschenproduziert er jedes Jahr in seinem Weingut in Flörsheim-Dalsheim. Ineinem ehemaligen Rewe-Supermarkt und einer Postfiliale hat er seineProduktionsstätte mit angeschlossener Vinothek – sowohl seineeigenen Sekte, als auch Sekt für andere Winzer produziert Raumlandhier.

Traditionelle Flaschengärung

Auch wenn auf den Etiketten französische Begriffe wie „Blanc de Noir"oder „Prestige Brut" stehen, steht auf der Rückseite: „DeutscherWinzersekt". „Das ist für uns ein Problem: Damit stehen wir fürviele in einer Reihe mit Rotkäppchen oder Fabersekt. Alles, wasschäumt, heißt in Deutschland Sekt", sagt Raumland, „aberunsere Konkurrenz ist nicht Rotkäppchen, sondern Champagner."

87,5 Prozent aller Schaumweine in Deutschland stammen von großenSektkellereien wie Rotkäppchen, Freixenet und Faber – nur 3Prozent des Marktes machen bislang Winzer wie Volker Raumland aus.Anders als die großen Produzenten, deren Sekt in großen Tanksvergoren wird, setzen sie auf traditionelle Flaschengärung: dabeiwird ein Grundwein mit Hefe und Zucker versetzt und in Flaschenabgefüllt, wo er für mindestens neun Monate eine zweite Gärungdurchläuft: Hierbei wird der Zucker durch die Hefe in Alkoholgewandelt und es entsteht die feine „Perlage".

Auch Matthieu Kaufmann produziert im pfälzischen Weingut „Reichsrat vonBuhl" Deutschen Winzersekt. Der gebürtige Elsässer war langeKellermeister in der Champagne, ehe er durch viele Zufälle mitseiner Familie in die Pfalz kam. „Deutschsprechende Kellermeisteraus der Champagne gibt es nicht so viele, das hat mich qualifiziert",sagt Kaufmann augenzwinkernd bei einer Führung durch dieKellergewölbe des Weinguts. Hier lagern die Grundweine in großenHolzfässern, ehe sie für die zweite Gärung in Flaschen gefülltwerden.

Vier Liter pro Kopf pro Jahr

Nicht nur die klassischen Champagnerrebsorten Pinot Noir (Spätburgunder),Pinot Meunier (Schwarzriesling) und Chardonnay kommen hier in dieFlaschen – auch Rieslingsekt wird immer beliebter: „Als ich indie Pfalz kam hieß es noch, aus Riesling könne man keinen Sektmachen – das Gegenteil ist nun bewiesen", erzählt Kaufmannstolz. Damit meint er nicht nur sich, sondern auch seine Mitstreiter:„Es bringt nichts, wenn ich als einziger in Deidesheim guten Sektmache – wir müssen uns zusammentun, wenn wir mehr Aufmerksamkeitbekommen wollen."

Mit über 4 Litern pro Kopf und Jahr sind die Deutschen Weltmeister imSchaumwein trinken: Über 420 Millionen der weltweit zwei Milliardenerzeugten Flaschen werden in Deutschland geleert. Durchschnittlichzahlen die Deutschen dabei 3,74 Euro pro Flasche.

Einstiegspreise von rund 15 Euro

Eine Flasche Winzersekt von Raumland oder Reichsrat von Buhl bekommt vonfür diesen Preis nicht: Mit Einstiegspreisen von rund 15 Euroorientieren sie sich nicht nur bei Herstellung und Qualität amfranzösischen Champagner. Um sich damit am Markt durchzusetzen,braucht es noch viel Imagearbeit, glaubt Volker Raumland: „VieleRestaurants haben nach wie vor Champagner und Henkel trocken aufKarte – da besteht noch viel Nachholbedarf."

Die traditionellen klassischen Flaschengärer haben sich deshalb auch ineinem Verband zusammengeschlossen, wollen vor allem am Image desWinzersekts arbeiten. Die Konkurrenz untereinander ist für siezweitrangig: „Erstmal müssen wir den deutschen Sekt nach vornebringen, dann können wir uns immer noch die Augen auskratzen",sagt Tim Weißbach spöttisch: „Wenn wir unseren Marktanteil um einProzent erhöhen, sind wir ohnehin alle ausverkauft."

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