
Gütersloh. In hochautomatisierten Fertigungsprozessen folgt jede Bewegung einem genauen Schema. Kein Schritt geschieht zufällig. Denn der Gedanke, dass Maschinen und Roboter bei der Arbeit plötzlich kreativ werden, jagt Angst ein. "Unternehmen wurden in den letzten 50 Jahren zu Effizienz gedrillt", sagt Andreas Enslin. "Räume für Kreativität gibt es da nicht. Weder in den Unternehmen selbst, noch in den Köpfen der Mitarbeiter", sagt er. Enslin ist Leiter der 45-köpfigen Designabteilung bei Miele. Doch wo innovativ und kreativ gearbeitet werden soll, müsse Raum für Zufall geschaffen werden, sagt Enslin.
Sowohl bei Miele als auch bei der IT-Beratung Mindsquare setzen die Produktentwickler auf eine besondere Methode, mit der Ideen entwickelt und getestet werden. Und die nennt sich Design Thinking. Der Begriff Design steht dabei weniger für Ästhetik, sondern vielmehr für die konzeptionelle und technische Gestaltung von Systemen und Objekten. Dabei dreht sich alles um den Nutzer und seine Bedürfnisse.

In einem Kreislauf aus mehreren Schritten nähern sich Design Thinker der Lösung. Jedes Design Thinking-Projekt beginnt mit einer zielgerichteten Fragestellung. Zum Beispiel, wie ein Computerprogramm gestaltet werden muss, damit Mitarbeiter es gut bedienen können. Um das herauszufinden, müssten die Produktdesigner wissen, wie die Nutzer es bedienen, erklärt Rico Magnucki, Fachbereichsleiter bei Mindsquare.
Menschen geben ihren Staubsauger-Robotern Namen

Mitarbeiter von Miele reisten in die USA und nach Fernost, um dort Familien beim Einkaufen und Kochen zu beobachten. So sehen die Design Thinker, wie Kunden ihre Haushaltsgeräte einsetzen. Aufgefallen sei ihnen dabei zuletzt, dass viele Menschen ihren Staubsauger-Robotern Namen geben. "Unsere Designer und Ingenieure überlegen dann, wie man das bei der Produktentwicklung einsetzen kann", erklärt Enslin. Zu sehen, wie Kunden mit ihren Küchengeräten umgehen, sei für die Miele-Mitarbeiter eine ungewohnte Erfahrung. "Gestandene Ingenieure haben geschluckt, als sie in der Fußgängerzone nach Meinungen zu ihren Produkten fragen mussten", sagt Enslin. Denn zu häufig tüftelten die Ingenieure in Laboren und Büros und vergessen, für wen sie eigentlich ein Produkt entwickeln.
Wenn die Produktdesigner sich in die Wünsche ihrer Nutzer hineinversetzen können, folgt im Design-Thinking-Prozess die Phase, in der Ideen entwickelt und auf kleinen Klebezetteln festgehalten werden. Gute Einfälle fließen dann in einen sogenannten Prototypen ein. Die Design Thinker basteln einen Dummy, der die Funktionen des neuen Produktes simuliert. Aus Pappkartons und Kleber oder Legosteinen bauen die Designer dann eine stark abgespeckte Form ihres erfundenen Produktes. Natürlich funktioniert es dann noch nicht. Wichtiger ist, dass sie es den Kunden in die Hand geben können, um zu sehen, wie sie reagieren.
Auch die Hochschulen in OWL setzen auf Design Thinking
Beim Testen der Prototypen kommt es dann oft dazu, dass bisher ungesehene Probleme aufgedeckt werden, und neue Fragestellungen entstehen. Gemeinsam mit einem Kunden aus der Industrie hat Magnucki ein Gerät entwickelt, das die Mechaniker bei der Wartung großer Maschinen einsetzen. Als die Mechaniker den Prototypen dann in einem Kühltank testen wollten, reagierte das Gerät plötzlich nicht mehr. Die Tasten waren nicht groß genug, um sie auch mit Handschuhen zu drücken. Beim Design Thinking nähert man sich schrittweise der Lösung. Für Unternehmen, die Design Thinking einsetzen, sinkt damit das finanzielle Risiko. Denn so kann vermieden werden, dass teuer entwickelte Innovationen floppen.
Seinen Ursprung hat das Design Thinking an der Universität Stanford. Auch an den Hochschulen in OWL hält das Design Thinking Einzug. An der FH Bielefeld wird die Innovationsmethode an der Zukunftsgarage eingesetzt. Die Fachhochschule des Mittelstands veranstaltet im April ein dreitägiges Camp, in dem sich Interessierte den Innovationsprozess erleben können, den Starters Summit. An dem Wochenende können Kreative und Ideengeber Geschäftsmodelle aufspüren und weiterentwickeln. „Die FHM hat in der Vergangenheit viele erfolgreiche Gründer hervorgebracht. Daher unterstützen wir dieses Event natürlich, denn die Themen „Gründen" und „Ideen entwickeln" sind in jedem Studiengang der FHM durch das Modul Unternehmensgründung fest verankert", sagt FHM-Rektorin Anne Dreier, die auch Schirmherrin des Starters Summit ist.
INFORMATION
Design Thinking ausprobieren. Vom 5. bis 7. April findet der Starters
Summit statt. Referenten wie der Urlaubspiraten-Gründer Igor Simonow
oder die Expertin für internationales Marketing Andrea Arañador-Ferris
begleiten die Teilnehmer und motivieren mit ihren Erfolgsgeschichten. Am
Abend des ersten Workshoptags werden die Teams gebildet. An Tag zwei
werden die Prototypen entwickelt und am letzten Workshoptag einer
Fachjury präsentiert. Das Siegerteam erhält 1.000 Euro Preisgeld.