
Halle. Jahrzehntelang ging es für den erfolgsverwöhnten Modemacher Gerry Weber nur steil nach oben. Das Wachstum war imposant. Umso schmerzlicher ist der tiefe Absturz. Die Insolvenz deutete sich aber bereits bei der Hauptversammlung im Frühjahr 2018 in Halle an. „Leider stehen wir heute vor einem Scherbenhaufen", konstatierte damals die Aktionärsvertreterin Jella Benner-Heinacher – nach einem Verlust von 800.000 Euro im Geschäftsjahr 2016/17. Zur Insolvenz äußert sich der Unternehmensgründer Gerhard Weber, der ein Modeimperium aus dem Nichts aufgebaut hatte, nicht. Er geht zwar ans Handy, ist aber kurzab. „Kein Kommentar. Tut mir leid. Bin im Urlaub", sagt Weber und beendet das Gespräch.
Früher war die Modewelt noch in Ordnung. Bereits als 24-Jähriger sammelte Gerhard Weber, der gerade Vater von Zwillingen geworden war, 1965 mit einem eigenen Modegeschäft erste Erfahrungen als Unternehmer. Seine ersten Damenhosen verkaufte der umtriebige Ostwestfale aus der Garage. 1973 gründete Gerhard Weber in Halle gemeinsam mit seinem 2018 verstorbenen Partner Udo Hardieck die HATEX KG und legte mit der Produktion von Damenhosen den Grundstein für die spätere Erfolgsstory des Damenmodeherstellers, die sich auch mit dem Börsengang (1989) der Gerry Weber International AG fortsetzte.
Fast schien es, als sei die Marke Gerry Weber ein ewiger Selbstläufer

Fast schien es, als sei die Marke Gerry Weber – der Name wurde 1986 weltweit geschützt – ein ewiger Selbstläufer. Das Unternehmen wuchs und wuchs. Die Mode war damals auch bei jüngeren Frauen gefragt. Bereits 1976 erwirtschaftete das Familienunternehmen seine erste Umsatzmillion.

Weltweiten Bekanntheitsgrad erreichte Gerry Weber bereits 1986: Damals landete der ehrgeizige Unternehmer einen Coup, gewann die Tennisspielerin Steffi Graf als Werbe-Ikone. Drei Jahre später starteten die Gerry Weber Open, das ATP-Tennisturnier auf dem eigenen Rasen in Halle. Die Mischung aus Mode und prominenten Tennisstars beflügelte den Modemacher.
Es folgten weitere Marken wie Taifun in den 80ern und Samoon (1994). Die Internationalisierung – gefertigt wurde in immer neuen Billiglohnländern – wurde auch mit immer neuen eigenen Verkaufsflächen im Ausland vorangetrieben. Das erste House of Gerry Weber in Bielefeld (1999), das der Unternehmer auch unangemeldet persönlich in Augenschein nahm, und der 2003 in Düsseldorf eröffnete eigene Showroom (Halle 29) waren weitere Höhepunkte.
Auszeichnung für das Lebenswerk
Im Jahr 2011 wurde Gerhard Weber von der Textilwirtschaft für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Er habe mit Leidenschaft für die Mode und Mut zu innovativen Ideen viel erreicht. In Spitzenzeiten kratzte das Börsenunternehmen, das es einst bis in den MDax schaffte, an der Umsatz-Grenze von einer Milliarde Euro. Sein Umsatzziel hat Gerhard Weber am Ende nie erreicht. Mit 73 Jahren zog sich der Vorstandsvorsitzende 2014 aus dem operativen Geschäft zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. Sein Sohn Ralf trat an die Unternehmensspitze. Er fädelte zwar die Übernahme der Ertragsperle Hallhuber ein. Doch auch Hallhuber musste mit der Eröffnung weiterer Verkaufsflächen Federn lassen. Bereits 2016 strich das Management jede zehnte von weltweit 7.000 Stellen der Gerry Weber International AG.
Gerry Weber, ehemals einer der bekanntesten deutschen Fashion- und Lifestylekonzerne, liegt nun am Boden. Der erfolgsverwöhnte Unternehmensgründer Gerhard Weber, der seinem Nachfolger am Ende ein riesiges, aber in diesen Modezeiten überdimensioniertes neues Logistikzentrum hinterließ, hat inzwischen auch den Aufsichtsrat verlassen und hält sich viel auf Mallorca auf.
Nur wenige Matches verloren
Gerhard Weber schätzte sich früher selbst auf dem Tennisplatz als „sehr unangenehmen Gegner" ein. Er spielte in der 60+-Mannschaft des TC Blau-Weiß Halle sogar in der Westfalenliga. „Ich weiß, wo der Ball hingehört, spiele oft Cross und bringe die Leute zum Laufen", erzählte der Initiator des einzigen deutschen Rasentennisturniers 2001 voller Stolz. „Ich habe in den vergangenen 20 Jahren nur wenige Matches verloren", bilanzierte der Unternehmer kurz vor seinem 60. Geburtstag.
Nun hat der Erfolgsmensch sein größtes Match verloren. Seine Aktien haben in zehn Jahren fast 80 Prozent an Wert verloren. Sein Lebenswerk, die Gerry Weber International AG, ist pleite. Ein externes Management muss dem Modeunternehmen nun neues Leben einhauchen. Ein Kraftakt. Denn Banken und Aktionäre wollen Erfolge sehen.