Anders essen

Bio-Landwirtschaft: Darum haben es gute Lebensmittel so schwer

Serie: "Anders essen": Ökologischer Ansatz schön und gut, aber was bedeutet das eigentlich? Und kann man davon leben, wenn immer noch viele billig kaufen?

Ulrike Eggersglüß hat einen Demeter-Hof in Blankenhagen. | © Angelina Kuhlmann

Angelina Kuhlmann
31.12.2018 | 26.01.2019, 13:53

Gütersloh/Osnabrück. Die Auffahrt zum Demeter-Hof Roggenkamp ist Idylle pur. Ein kurviger Feldweg schlängelt sich vorbei an Komposthaufen, einem bunten Bauwagen und einer Weide. Dahinter liegt der Hof aus Backstein mit hohen Fenstern.

„Im Sommer ist es noch viel cooler", sagt Ulrike Eggersglüß (57). Sie steht vorm Haus und schaut zu ihren zwölf Schafen auf der Weide. Riesengroß ist ihr Hof nicht. 3,5 Hektar bewirtschaftet die Agraringenieurin nebenberuflich seit 17 Jahren. 2001 hat sie sich entschieden das weiterzuführen, was ihr Vater begonnen hat: ein Hof mit ökologischer Landwirtschaft. Heute verkauft Eggersglüß ihre Erzeugnisse vor allem immer freitags „ab Hof", an Freunde und über die Schwärmerei Gütersloh. Neben Schafen und Hühnern gibt es auf dem Hof fast 70 Obstbäume und einige Gemüsebeete. Eggersglüß’ Ziel ist, „so viel zu verdienen, dass ich nichts aus der privaten Schatulle nehmen muss".

Mit ihrem Hof gehört sie dem Bioverband Demeter e.V. an. Seine Mitglieder sind verpflichtet, eine Kreislaufwirtschaft zu betreiben. Das heißt, dass das Futter der Tiere auf dem eigenen Betrieb angebaut und der Dung der Tiere genutzt werden muss, die Felder mit Nährstoffen zu versorgen. Und Demeter-Landwirte müssen biodynamische Präparate nutzen. Das sind Kompostmischungen, die dem Boden helfen sollen, sich von der Bewirtschaftung zu erholen.

"Ökologisches Arbeiten bedeutet viel Aufwand"

„Wenn man ökologisch wirtschaftet, dann ist das viel Aufwand", sagt Ulrike Eggersglüß. Hat sie zum Beispiel mehr Tiere als sie Futter herstellen kann, dann muss sie etwas dazukaufen. Das darf laut Vorschriften aber nur von Bio-Höfen kommen und einen bestimmten Prozentsatz nicht übersteigen. Ist ein Tier krank, darf sie ohne Genehmigung keine Medikamente verabreichen. Will sie ihr Gemüse verkaufen, dann muss sie die Fruchtfolge auf ihren Äckern genau dokumentieren. Der Bioverband geht mit seinen strengen Vorgaben in vielen Punkten weit über die der EU-Öko-Verordnung hinaus.

Trotzdem gibt es in ganz NRW 110 Betriebe, die dem Verband angehören. In Deutschland sind insgesamt 1.500 Landwirte dabei. Und obwohl sie sagt, dass das Wirtschaften nach den strengen Regeln schwierig ist und sie mit ihrem kleinen Hof keine staatlichen Fördermittel bekommt, ist auch Eggersglüß immer noch dabei. Aber sie sagt, dass sie vielleicht irgendwann austreten will. Die Büroarbeit koste einfach zu viel Zeit. Noch will sie aber weitermachen.

Ihr ist wichtig zu zeigen, wie natürlich der Anbau von und der Umgang mit Lebensmitteln sein kann. Deswegen veranstaltet sie Hofwochen für Kinder in den Ferien. „Die Leute meinen, sie hätten Zeitdruck, und essen viele Fertigprodukte. Viele können kaum kochen", sagt sie. Dass jemand mit Kohl in der Küche arbeite, sei selten geworden. Dabei sei Kohl das Gemüse, das im Winter geerntet wird. Anders als Supermarkt-Tomaten, die importiert werden müssen. Dieses Wissen will sie dem Nachwuchs mit auf den Weg geben.

Andreas Westermeyer ist Landwirt in Verl und hat einen eigenen Betrieb zusammen mit seinem Sohn. Cornelia Johannleweling ist Teil des Lohnunternehmens Hemel in Rietberg. - © Angelina Kuhlmann
Andreas Westermeyer ist Landwirt in Verl und hat einen eigenen Betrieb zusammen mit seinem Sohn. Cornelia Johannleweling ist Teil des Lohnunternehmens Hemel in Rietberg. | © Angelina Kuhlmann

Die Bio-Landwirtin hofft auch, dass die Menschen wieder mehr auf Regionalität achten. „Die Verbraucher wollen nicht hinter die Produkte schauen", sagt sie. Günstig dürfe aber nicht am wichtigsten sein. Vielleicht sei man dann bereit, mehr Geld für Bio-Lebensmittel auszugeben. So könnte auch die Bio-Landwirtschaft weiter wachsen.

Eine Kreislaufwirtschaft wie auf dem Hof Roggenkamp wäre für Andreas Westermeyer keine Alternative. Der Landwirt aus Verl ist Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Gütersloh und sagt ganz klar: „Ein Bio-Betrieb ist von öffentlichen Mitteln abhängig". Durch die Vorgaben für ökologische Landwirte gebe es „wesentlich weniger Erträge". Da Öko-Lebensmittel oft teurer seien als „normale", existiere darüber hinaus nur ein kleinerer Markt. Das seien alles Kosten, die die Bio-Landwirte tragen müssten. Teurer wirds für sie auch, wenn sie zum Beispiel ein Lohnunternehmen zur Bearbeitung ihrer Felder engagieren.

"Der Großteil der Verbraucher will Bio-Produkte"

Arbeiten für einen Bio-Betrieb bedeute immer zusätzliche Kosten, sagt Cornelia Johannleweling (28) vom Unternehmen Hemel in Rietberg. „Die Gerätschaften müssen sauber sein von Rückständen, die in konventionellen Betrieben genutzt werden", sagt sie. Die Reinigung müsse man natürlich abrechnen. Viele Bio-Betriebe hätten deswegen eigene Maschinen.

Andreas Westermeyer gibt darüber hinaus zu bedenken, dass man durch die Bio-Diskussion konventionellen Landwirten Unrecht tue. Seine Produkte seien genauso hochwertig. „Regional ist das neue Bio", sagt er. Denn nur weil etwas kein Bio-Siegel habe, sei es nicht schlecht. Viele Landwirte in der Region böten lokal produzierte Lebensmittel an – die schon deshalb ökologisch vorteilhaft seien. Die konventionelle Landwirtschaft habe Vorteile. Es sei zum Beispiel einfacher, Tiere zu behandeln, wenn sie krank sind. Aber eigentlich wünscht er sich eine engere Zusammenarbeit mit Bio-Landwirten. Denn: „Auch wir müssen uns weiterentwickeln", sagt er.

Lennart Grüner ist noch auf seinem Weg in die Landwirtschaft. Er studiert Landwirtschaft in Osnabrück. - © Lennart Grüner
Lennart Grüner ist noch auf seinem Weg in die Landwirtschaft. Er studiert Landwirtschaft in Osnabrück. | © Lennart Grüner

Das findet auch Junglandwirt Lennart Grüner (24) aus Bünde. Anders als Westermeyer kann er sich vorstellen, nach dem Landwirtschaftsstudium in Osnabrück Bio-Landwirt zu werden. Aber dafür müsse sich etwas ändern, sagt er. „Wir Landwirte sind ja in erster Linie Dienstleister für unsere Kunden." Es gehe nicht mehr darum zu wirtschaften wie vor 100 Jahren. „Der Großteil der Verbraucher will Bio", sagt Grüner. Darauf müsse man als Landwirt reagieren.

„Ich kenne viele Kollegen, die gerne umsteigen würden, aber das Preis-Ertrags-Verhältnis passt nicht." Die Preise für Lebensmittel seien im Keller. Nicht nur die für Bio-Produkte. Derzeit könne kaum ein Bio-Betrieb ohne staatliche Förderung überleben – da stimmt er Westermeyer zu. „Aber wenn die Preise so bleiben, dann können bald auch die konventionellen Landwirte nicht mehr ohne Förderung", sagt Grüner.

Egal ob Bio oder nicht, da sind sich Ulrike Eggersglüß, Andreas Westermeyer, Cornelia Johannleweling und auch Lennart Grüner sicher: Solange sich der Markt nicht ändert und Verbraucher nicht bereit sind, mehr Geld für gute Lebensmittel zu bezahlen, sieht es für jeden regionalen Landwirt in der Zukunft schlecht aus.