Berlin

Kleider oft sogar zu schlecht für den Altkleider-Container

Der Stoff der ausrangierten Blusen, Jacken, Hosen ist oft von so schlechter Qualität, dass er sich kaum noch nutzen lässt

Gebrauchte Kleidung: Oft landet in Containern Ware, die schon beim Kauf so schlecht ist, dass sie sich für Recycling nicht mehr eignet | © picture alliance / Roland Weihrauch/dpa

Hanna Gersmann
04.01.2019 | 04.01.2019, 07:28

Berlin. Obwohl die Altkleider-Container so gut gefüllt sind wie nie, haben die ausrangierten Klamotten eine zu schlechte Qualität, um die Stoffe weiterzuverwenden. Das billige Polyesterkleidchen für 5,99 Euro lässt sich nicht einmal mehr zum Putzlappen ummodeln, ihm fehlt die Saugkraft.
Macht das Sammeln noch Sinn?

„Doch", „ja", „auf jeden Fall" – es lohne sich trotz allem noch,  aussortierte Blusen, Hosen oder Jacken zum Altkleidercontainer zu  bringen, sagt Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung,  einem Netzwerk gemeinnütziger Altkleidersammler. Diese seien nach wie  vor auf modische, gut erhaltene Kleidung für wohltätige Zwecke  angewiesen.

Mode mit immer schlechterer Qualität

Doch die Branche steht vor einem ungeahnten Problem. Das System Fast Fashion geht zu ihren Lasten: Die ausrangierten  Klamotten haben eine zu schlechte Qualität. Das Baumwoll-Shirt für nur 1,99 Euro taugt nicht, um es noch secondhand  anzubieten, weil die Nähte nicht halten.

Was heute Trend ist, wird morgen schon wieder aussortiert. Früher habe es drei bis vier Kollektionen im Jahr gegeben, zu jeder Jahreszeit etwa  eine. Heute werfe manche Modekette im 14-Tage-Takt eine neue Kollektion  mit anderen Schnitten, Farben und Designs auf den Markt, erklärt Ahlmann. Kunden werde immer häufiger ein neues Einkaufserlebnis versprochen.

Jeder Deutsche kauft fünf Kleidungsstücke - monatlich

Der Modezirkus hat nur noch wenig mit den Zeiten zu tun, als im  Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter, die Regale je nachdem mal mit  kurzen und mal mit langen Shirts aufgefüllt wurden. Fummel für Fummel  gehen über die Ladentheke. Jeder Deutsche kauft im Schnitt etwa fünf Kleidungstücke im Monat, 60 im  Jahr, sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin von Greenpeace.

Weltweit habe  sich die Textilproduktion in 15 Jahren, von 2000 bis 2015,  verdoppelt. So würden mittlerweile mehr als hundert Milliarden  Kleidungsstücke pro Jahr hergestellt, was einem Umsatz von etwa 1,6  Billionen Euro entspreche.
„Das ist mehr Zeug, als alle Menschen auf  diesem Planeten jemals auftragen können", meint Brodde.

Kleidung verkommt zu Wegwerf-Ware

Die meisten  Menschen hierzulande zögen gut 40 Prozent der Klamotten selten oder gar  nicht an. Kleidung sei zur „Wegwerfware" verkommen. Nur eine kurze Zeit, dann muss ein neues Teil her und das alte weg.
Die  Altkleiderbranche steht damit „vor einem Rekordjahr", sagt Ahlmann. In Altkleider-Containern landeten in der letzten Zeit pro Jahr etwa gut eine Million  Tonnen Kleider. Das entspräche bereits „den Ladungen einer Lkw-Schlange  von Kiel bis Innsbruck". Die Menge sei 2018  noch gewachsen. Die Container waren nach seinen Angaben „durchgängig" voll.

Wer sein Sommerkleid oder das T-Shirt in den Container steckt, denkt, dass seine Sachen irgendwie weiter genutzt werden.  Doch die Aufbereitung läuft nicht mehr rund. Eigentlich funktioniere das so, erklärt Jörg Lacher vom Bundesverband  Sekundärrohstoffe und Entsorgung: Der Großteil der Altkleider wird –  auch wenn eine wohltätige Organisation sammelt – an Profi-Verwerter  verkauft.

Vieles nicht mal mehr zum Putzen geeignet

Denn es kommt weit mehr zusammen als etwa das Rote Kreuz vor  Ort braucht, so dass nicht die Kleider die  Spende sind, sondern die Einnahmen in soziale Projekte fließen. Gut erhaltene Stücke hätten bisher etwa die Hälfte aller gesammelten Kleider ausgemacht – und die  nötigen Einnahmen gebracht, um das Recyclingsystem zu finanzieren. Die guten Stücke würden als  Secondhand-Kleidung vor allem in Osteuropa und in afrikanischen Ländern weiterverkauft.

Nur sinke der Anteil der noch tragbaren Teile ab, so Lacher.
Ahlmann sieht über „kurz oder lang eine Schieflage" des Systems. Schon heute müssten Sortierer 10 Prozent der Altkleider in den Müll  werfen – und für deren Entsorgung zahlen. Aus weiteren 40 Prozent Sammlung entstünden Putzlappen für die Industrie,  Malervlies und Dämmstoffe. Doch die modernen Stoffe eigneten sich nicht mal mehr für Putzlappen.

Kommentar der Redaktion

Ein neuer Stil muss her

Von Hanna Gersmann
Hilfe, ich habe nichts anzuziehen. Den Satz kennt jeder. Dabei sind die meisten Kleiderschränke proppenvoll. Doch es shoppt sich heute so schnell wie nie zuvor, die Hose für 6,99 Euro, das T-Shirt für unter zwei Euro. Modeketten wie Primark, Kik oder Zara werfen alle zwei Wochen neue Ware auf den Markt, reden Kunden ein, sie müssten ihre Garderobe dauernd erneuern.

Ex-und-Hopp-Mentalität

Da ließ sich bisher denken, ist doch kein Problem: Erst landet das selten getragene Teil in der hinteren Ecke des Schranks, aber irgendwann dann in der Altkleidersammlung und dient einem guten Zweck. Nur: Die Realität ist so schön nicht.
Die Ex-und-hopp-Mentalität bringt das Sammelsystem in eine finanzielle Krise. Anders als etwa für die Hausmülltonne zahlt der Verbraucher für die Altkleidersammlung nichts.

Dabei ist das Sortieren und Wiederverwerten der abgelegten Sachen nicht umsonst. Das rechnete sich bislang nur, weil sich die Hälfte der Klamotten secondhand verkaufen ließ und damit gutes Geld gemacht werden konnte.

Branche von Umweltsündern

Doch mittlerweile sind so viele Fummel schlechter Qualität auf dem Markt, dass sich nach einer gewissen Zeit niemand mehr erbarmt, die Plünnen noch anzuziehen und länger zu tragen. Häufig lässt sich der Restmüll nicht einmal mehr zu Putzlappen verarbeiten.

Die Branche, die nicht nur in der Materialverwendung, sondern auch bei der Herstellung der Kleider zu den größten Umweltsündern gehört, muss ihren Stil ändern – oder dazu gebracht werden.

Recycling-Abgabe würde helfen

Denkbar wäre eine Recycling-Abgabe, die für die schlecht recycelbare Kunstfaser höher ist als für den Baumwollstoff. Oder Modeketten, die aussteigen aus dem System „kaufen, einmal tragen, wegschmeißen", bekommen steuerliche Vergünstigungen. Damit die nächste Mode eins wird: zeitlos schön tragbar.