Wirtschaft

Doppelt so viele Landwirte wie sonst haben in OWL den Betrieb eingestellt

Erntebilanz: Allerdings haben nur 100 Bauern einen Antrag auf die Dürre-Nothilfe gestellt. Warum die Stimmung in der Branche schlechter ist als die Lage

Verstaubt: Ein Traktor auf dem Stoppelfeld zieht eine braune Wolke hinter sich her. | © Jobst Lüdeking

Stefan Schelp
27.11.2018 | 28.11.2018, 10:28

Bielefeld. In diesem Jahr haben in OWL doppelt so viele Landwirte ihren Betrieb aufgegeben wie in gewöhnlichen Jahren. Normal ist laut Hubertus Beringmeier, Vorsitzender des landwirtschaftlichen Bezirksverbands OWL eine Quote von drei Prozent, in diesem Jahr haben sechs Prozent der Bauern den Trecker endgültig abgestellt – mindestens 360 Landwirte.

Das allerdings, stellt Beringmeier umgehend klar, hat wenig mit der Dürre zu tun. Eher schon damit, dass sich wenige Nachwuchslandwirte finden, die bereit sind, ihr Geld im Spannungsfeld zwischen immer stärkerer Reglementierung und schwindendem Ansehen in der Gesellschaft zu bewegen. Den jungen Menschen fehle in dem Beruf schlicht die Perspektive. „Die Stimmung ist schlechter als die Lage", sagt Beringmeier. Die Viehhaltung geht dadurch weiter zurück, die bewirtschaftete Fläche dagegen nicht, sie wird schlicht in größeren Kooperationen beackert.

Hilfe bekommt, wer in Existenznot geraten ist

Landwirte aus OWL: Hubertus Beringmeier (v. l.), Antonius Tillmann, Herbert Quakernack und Rita Rehring. - © Sarah Jonek
Landwirte aus OWL: Hubertus Beringmeier (v. l.), Antonius Tillmann, Herbert Quakernack und Rita Rehring. | © Sarah Jonek

Unter der Dürre hätten viele Landwirte gelitten, sagt Antonius Tillmann, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbands. Und das Thema sei längst noch nicht ausgestanden. Allerdings haben die meisten Bauern die Belastung ganz gut weggesteckt. Nur rund 100 Anträge auf die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Hilfsgelder sind eingegangen. „Wie viele davon genehmigt werden, ist allerdings fraglich", sagt Beringmeier. Denn Voraussetzung ist, dass die Bauern belegen, dass sie durch die Witterungskapriolen in Existenznot geraten sind. Das dürfte schwierig werden, zumal die Landwirte dafür ihre gesamten Finanzen offenlegen müssten. Diese Aussicht dürfte die wenigsten locken. „Wer durch die Dürre in Existenznot gerät, bei dem hat vorher schon etwas nicht gepasst", mutmaßt Tillmann. Die heimischen Landwirte seien solides Wirtschaften mit einer ausreichenden Eigenkapitalquote gewohnt.

Nach drei, vier Jahren muss die Kasse stimmen

Weit wichtiger als die Dürre-Nothilfe ist den OWL-Bauern die Forderung nach einer Risiko-Ausgleichsrücklage. Damit könnten die Landwirte steuerfrei Gewinne aus guten Jahren in Folgejahre übertragen, in denen es möglicherweise nicht gut läuft. Längst schon planten die Betriebe nicht mehr in Jahreszyklen. „Wichtig ist, dass nach drei, vier Jahren die Kasse stimmt", sagt Beringmeier. Einkommensschwankungen von 30 bis 50 Prozent seien keineswegs ungewöhnlich. „Wenn die Autoindustrie über einen Rückgang von 3,3 Prozent stöhnt, dann kann ich doch nur lachen."

Solidarität unter den Landwirten

Positiv sei die Solidarität unter den Landwirten. Da gebe ein Nachbar dem anderen das Heu zum gleichen Tarif wie im Vorjahr, obwohl er einen weit höheren Preis verlangen könnte. „Da schlägt niemand Kapital aus der Not des anderen." Dass das schlichte Hoffen auf besseres Wetter im nächsten Jahr nicht reicht, ist für die Bauern völlig klar. Mehr genügsamer Roggen, weniger durstiger Mais, das ist eine von vielen Überlegungen. „Wir brauchen mehr landwirtschaftliche Forschung", sagt Tillmann. Und in diesem Bereich sei staatliche Unterstützung durchaus angemessen. Und Beringmeier stellt klar: „Wenn ich das Jahr 2018 als Maßstab für die weitere Entwicklung nähme, dann würde ich aufhören."

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Viele Verbraucher bevorzugen regionale Produkte. Die heimische Lebensmittelindustrie dagegen nicht, beklagt der Bezirksvorsitzende Hubertus Beringmeier. „Warum belegt denn zum Beispiel Dr. Oetker seine Pizza nicht mit westfälischem Schinken?"