Was sich am Mode-Einzelhandel in Konkurrenz zum Onlinegeschäft ändern muss

Der Bielefelder Berater Hachmeister + Partner fordert engere Zusammenarbeit von Modeindustrie und Handel

Nicht nur zu Rabattzeiten: Die Textilien hängen dicht an dicht auf Kleiderstangen. Konsumenten bekommen nur schwer einen Überblick über das Angebot. FOTO: DPA | © John Stillwell

Andrea Frühauf
18.01.2018 | 18.01.2018, 13:00

Bielefeld. Die Modebranche steht vor großen Herausforderungen. Online-Händler wie Zalando und Billiganbieter wie Primark setzen traditionsreiche Modehändler – darunter auch C&A – unter Druck. Selbst H&M leidet neuerdings unter dem Verdrängungswettbewerb und muss Filialen schließen. Gerry Weber, Tom Tailor und Hugo Boss haben dies schon getan.

„Der Konsument hat heute viel mehr Möglichkeiten. Er nutzt immer häufiger alle digitalen Kanäle für Informationen und zum Einkauf", schildert Tobias Humpert vom Bielefelder Modeindustrie– und Modelhandelsberater Hachmeister + Partner das Problem. Diese Kunden besuchten immer seltener den stationären Einzelhandel. „Jedes Jahr gehen die Frequenzen in den Innenstädten zurück. In den vergangenen Jahren sogar massiv." Von 2008 bis 2016 fiel der Index für den Monat Dezember von 133 auf 81 Punkte. Der stationäre Umsatz sei zwar auch rückläufig, „aber weniger stark als die Frequenzen".

Humpert sieht den Modehandel und auch Markenhersteller, die es mit eigenen Mono-Label-Shops „noch schwerer haben", vor großen Herausforderungen. „Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass der Konsument den gewünschten Artikel im Internet findet, als wenn er dafür einige Stunden durch die Stadt läuft." Mit seinem Smartphone sei er quasi rund um die Uhr online – selbst beim Einkaufsbummel.

Ware allein reicht nicht

Mit Ware allein ist es laut Humpert im Handel nicht mehr getan. „Viele Läden sehen heute noch aus wie Lagerräume", kritisiert er alte Konzepte. Fehlende Artikel könnten Kunden und Verkäufer schließlich gemeinsam online bestellen. Es gehe vor allem darum, den E-Commerce intelligent mit dem stationären Handel zu verbinden. Die Digitalisierung biete Chancen. „Sie ermöglicht es, den Kunden auf digitalen Kanälen durch Automatisierung individualisiert anzusprechen."

Konsumenten schätzen ein Einkaufserlebnis. „Wir gehen davon aus, dass sie nicht ganz in Innenstädten verschwinden werden", sagt Humpert. Er verweist auf Städtereisen, bei denen viele Touristen einen Großteil ihrer Zeit zum Shoppen nutzten. „Das zeigt doch, dass stationärer Einkauf einen hohen Freizeitwert hat." Er rät: Händler müssen Mode inszenieren, ein Einkaufserlebnis als Ganzes schaffen (Inspiration für Kunden, Beratungserlebnis, Anprobe, Gastronomie).

Modehersteller vor schwierigem Spagat

Zu oft fehle es in Modegeschäften an Professionalität, mahnt auch Steffen Jost, Präsident des Handelsverbandes Textil. Er prangert das „höchst problematische Preisgebaren" der Branche an. Und warnt: „Die allerwenigsten Modegeschäfte brauchen bereits im Juli/August die Winterkollektionen." Hierzulande sind nach seinen Angaben rund 30 Prozent zu viel Ware im Markt. Die Industrie müsse dies durch durch bessere Planung verhindern. „Ansonsten werden wir den Rendite-fressenden Waren- und Preisdruck kaum abbauen können."

Modehersteller stehen laut Humpert vor einem schwierigen Spagat. „Sie sehen für ihre Marken noch Wachstumspotenzial, können aber mit dem stationären Fachhandel nicht wachsen." In vielen Modehäusern sei das Geschäft rückläufig. Von einer Krise will der GermanFashion Modeverband Deutschland indes nichts wissen. Markenhersteller mit eigenen Shops meisterten den Verdrängungswettbewerb „wie bisher" mit „starken Konzepten und starken Marken".

Humpert rät: „Industrie und Handel müssen enger zusammenarbeiten und gemeinsam den Endkunden im Blick haben." Auch der Modeverband räumt Handlungsbedarf in punkto Omnichannel ein. Nur vier Prozent des Absatzes der Befragten wurden über E-Commerce verkauft.

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Herforder Modemacher Bugatti setzt auf Multichannel

„Der Wettbewerb hat sich extrem verschärft", sagt Julius Brinkmann, der bei dem Herforder Modehersteller Bugatti alleinverantwortlich für den Export ist und mit seinem Vater Klaus unter anderem den Vertrieb verantwortet.
Der stationäre Handel hat nach seiner Ansicht große Möglichkeiten. Er müsse Mehrwert über „Qualität, Wohlfühlatmosphäre und Menschlichkeit bieten – und nicht nur über den Preis".
Mit Lifestyle und digitaler Ansprache sollten Begehrlichkeiten geweckt werden. „Es ist die Kernaufgabe für stationäre Händler, den Strukturwandel offensiv für sich zu nutzen." Breuninger sei stark im Onlinegeschäft.
Auch Bugatti setzt auf Multichannel. In Folge der Digitalisierung sollen interne Bugatti-Abläufe für die Anbindungsfähigkeit mit Zalando schneller werden. Zudem hat Bugatti einen eigenen Onlineshop.
Von den weltweit 25 Bugatti-Stores werden die 7 deutschen Läden seit 2018 unter dem Dach einer eigenen Retailgesellschaft in Eigenregie geführt.