Wirtschaft

Die Initiative Tierwohl will mehr Tierschutz - in kleinen Schritten

2018 will die Initiative Tierwohl die Anforderungen an Landwirte erhöhen / Kritiker sehen darin nur eine Imagekampagne

Kastenstall: Sauen haben zu wenig Platz, um sich zu drehen. Die niedersächsische Landesregierung will daher die Haltung von Sauen in Kastenständen abschaffen. | © dpa

Andrea Frühauf
18.08.2017 | 18.08.2017, 16:54

Bielefeld. Kaum eine Tierschutz-Initiative hat eine so große Reichweite – und ist trotzdem so umstritten: Bundesweit 3.400 Landwirte, die jährlich 14 Millionen Schweine und 235 Millionen Hähnchen und Puten erzeugen, haben sich der Initiative Tierwohl angeschlossen, einem Branchenbündnis aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels.

Kritiker sehen in der Initiative vor allem eine Imagekampagne, mit der Fleischkonzerne versuchten, das Leid von Masthühnern und Schweinen zu vertuschen.

„Wir wollen in kleinen Schritten möglichst viele Tiere erreichen": Geschäftsführer Alexander Hinrichs. - © Wolfgang Rudolf
„Wir wollen in kleinen Schritten möglichst viele Tiere erreichen": Geschäftsführer Alexander Hinrichs. | © Wolfgang Rudolf

„Wir wollen in die Breite gehen und in kleinen Schritten, ohne große Investitionen, möglichst viele Tiere und Tierhalter erreichen", betont Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative. „Beim Geflügel haben wir eine Marktabdeckung von 30 Prozent, bei Schweinen sind es rund 12,5 Prozent."

Tierschützer fordern  weitergehende Maßnahmen

Tierschützern gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Ein Mastschwein hat laut Verordnung je nach Gewicht Anspruch auf einen halben bis einen Quadratmeter Platz. Zehn Prozent mehr Platz seien viel zu wenig, so die Kritik. Doch Hinrichs lässt das nicht gelten. Die Ergebnisse zeigten in der Praxis, dass sich dies positiv auswirke. Die Tiere seien gesünder und damit werde auch die Fleischqualität besser.

Weiterer Vorwurf: Spielzeug gegen Langeweile schreibe die Nutztierhaltungsverordnung ohnehin vor. „Wir fordern aber organische Materialien zur Beschäftigung – Holz, Stroh oder Sisal, die aufgeknabbert werden können, statt eine Metallkette oder Kunststoff", erläutert Hinrichs den feinen Unterschied.

Kupieren der Ringelschwänze ist nicht tabu

Das weit verbreitete, aber nur in Ausnahmefällen zulässige Kupieren der Ringelschwänze thematisiert die Initiative nicht. Eine Arbeitsgruppe aus Tierärzten, Tierschützern und Landwirten habe sich nicht einigen können, „welches die richtigen Maßnahmen sind", begründet Hinrichs dies.

Information
  • Bauern müssen bestimmte Tierhaltungskriterien erfüllen, die Vertreter aus Wissenschaft und Tiermedizin mit entwickelten.

  • Neben Grundanforderungen (jährlicher Check von Stallklima und Tränkewasser) müssen Mastschweinehalter ein Wahlpflichtkriterium erfüllen (etwa zehn Prozent mehr Platz oder Holz zur Beschäftigung).

  • Bieten sie noch mehr Platz, gibt es pro Tier mehr Geld.

Es sei unklar, welche Haltungsbedingungen Schweine benötigten, damit sie keine Schwänze abbeißen. Allerdings nennt er Maßnahmen eines Bauern, die offenbar wirkten: „Mehr Platz, offene Stallwände und damit Frischluft, Beschäftigung und anderes Futter".

Maximal 9 Euro erhalten Schweinemäster pro Tier aus dem 185-Millionen-Euro- Fonds, den vier große Lebensmittelketten Aldi, Lidl/Kaufland, Edeka/Netto und Rewe/Penny finanzieren. „Ein Lebensmittelhändler zahlt damit jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag für mehr Tierwohl", betont Hinrichs

Die Händler führen pro verkauftes Kilo Fleisch oder Wurst vier Cent in den Fonds ab – auch wenn das Schwein nicht aus einem Tierwohl-Stall stammt. Kritikern fehlt die Transparenz für Verbraucher.

Ab 2018 ändern sich die Anforderungen

Das soll sich ändern. Ab 2018 beginnt die nächste dreijährige Stufe. Dann führen die Lebensmittelketten 6,25 Cent pro Kilo ab und stocken den Fonds auf 130 Millionen Euro auf. Die Förderung wird auf maximal 5,10 Euro gedeckelt, um mehr Landwirte zu beteiligen. „Die Zahl der Schweine wird auf 20 bis 22 Millionen steigen", hofft Hinrichs. Und auch die Geflügelzahl könne sich verdoppeln.

Damit werde es wegen der ausreichend großen Zahl zumindest für Tierwohl-Geflügel ein Label geben. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen. Schweinehalter müssen dann verpflichtend zwei Wahlkriterien erfüllen: zehn Prozent mehr Platz und organisches Material. Zweimal im Jahr kommen unabhängige Prüfer.

Tierwohl-Label könnte Initiative überflüssig machen

Das von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt geplante staatliche Tierwohl-Label könnte die Initiative indes eines Tages überflüssig machen. Schmidt plant striktere Anforderungen. Der Platz im Schweinestall soll bereits in der Eingangsstufe je nach Tiergewicht bis zu 33 Prozent größer sein als gesetzlich vorgegeben. „Damit werden die Produkte 35 bis 50 Prozent teurer", warnt Hinrichs.

Da auch das staatliche Label auf Freiwilligkeit beruht, werde es weniger Teilnehmer geben und damit „weniger Marktabdeckung als bei uns". Konsumenten, die mehr Tierwohl wünschen, wollten am Ende nicht viel mehr für Fleisch bezahlen. Allerdings sieht Hinrichs die Initiative offenbar in Zugzwang: Sie sei gut beraten, sich weiterzuentwickeln. „Die Kriterien sind nicht in Stein gemeißelt."