

Bielefeld. Wie ein Klebstoff wirkt die Identifikation der Mitarbeiter mit den Familienunternehmen. Den Erfolg erklärt Christina Hoon, Inhaberin der Stiftungsprofessur, im Interview.
Frau Hoon, vor fast zwei Jahren haben Sie mit dem Stiftungslehrstuhl für Familienunternehmen an der Universität Bielefeld Ihre Arbeit aufgenommen. Haben Sie schon weitere Stifter gewonnen?
Christina Hoon: Ja, vier. Und mit Miele, Oetker, Claas und Phoenix Contact sind dies sehr wichtige Familienunternehmen, die erst ein bisschen zögerlich waren und nun denken, dass wir unsere Sache vielleicht ganz gut machen. So sind nun 14 Haupt- und 15 Unterstifter beteiligt, was mich sehr freut.
Was ist das Ziel des Stiftungslehrstuhls?
Hoon: Wir wollen die Forschung über Familienunternehmen, die bisher sehr rudimentär ist und in Lehrbüchern kaum vorkommt, voranbringen. Und wir haben ein hohes Interesse daran, gute Studierende für Familienunternehmen auszubilden und diese hier in der Region zu halten. Unternehmen stehen im Wettbewerb. Sie brauchen vermehrt Hochschulabsolventen und damit einen höheren Anteil von akademisierten Mitarbeitern, weil die Herausforderungen auch durch die Digitalisierung immer komplexer werden.
Und wie ist die Resonanz bei Ihren rund 100 Studierenden?
Hoon: Sehr positiv. Viele Studierende träumen oft von Städten wie Hamburg, Berlin oder München. Sie wünschen sich in der Regel einen Arbeitgeber, der groß ist, der wie Autohersteller ein sexy Business hat und schnelle Karrieremöglichkeiten bietet. Bei uns richtet sich die Aufmerksamkeit dagegen auf das Pfund, das wir hier in OWL haben. Direkt vor unserer Tür gibt es sehr spannende hochinnovative, hochtechnisierte und international agierende Unternehmen, die sehr attraktive Arbeitgeber sind. Ich freue mich darauf, dass erste Absolventen in Familienunternehmen der Region unterkommen.
Haben Sie schon erste Forschungsergebnisse?
Hoon: Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf Familienstiftungen. Wir untersuchen die Motive für die Einrichtung einer Familienstiftung und die Wahrnehmung durch die Medien. Gerade im Nachfolgprozess stellt die Familienstiftung eine attraktive Alternative dar. Allerdings ist die Umwandlung in eine Familienstiftung nicht ohne Risiken. In der Wahrnehmung von außen ist die Stiftung schnell nur ein Steuersparmodell für die Unternehmerfamilie, die keinen Nachfolger hat. Unser Rat ist daher: „Macht das, aber seid vorsichtig, wie ihr das kommuniziert." Trotz Stiftung muss eine Unternehmerfamilie weiterhin ihr Gesicht zeigen, das ist beispielsweise über Stiftungsbeiräte möglich.
Die Nachfolgeregelung ist bei Familienunternehmen ein großes Thema.Was ist Ihr Rat?
Hoon: Die Kronprinzenregelung hat sich überlebt. Wer eine Nachfolgeregelung anstrebt, sollte nicht Einzelne auswählen, sondern darüber nachdenken, mehrere Nachfolgende ins Unternehmen zu holen. Die Führungsspitze funktioniert dann als Tandem oder Trio, in dem gleichberechtigt – gerne auch unter Einbeziehung externer Manager – das Unternehmen geführt wird. Ein Kopf an der Spitze ist heutzutage nicht mehr genug.
Bei Goldbeck sind gleich drei Söhne im Unternehmen. Hoon: Das ist ein schönes Beispiel für ein Unternehmen, in dem der Nachwuchs sehr systematisch und aktiv aufgebaut und klug ins Unternehmen eingebunden ist. Wir reden hier von Top-Führungsteams, die gerne auch generationsübergreifend zusammengesetzt sein können. Mehr Köpfe bedeuten mehr Erfahrungen und einen offeneren Blick.
Gibt es auch Erkenntnisse über die Beschäftigten von Familienunternehmen?
Hoon: Wir wissen, dass die Verweildauer der Beschäftigten in Familienunternehmen höher ist als anderswo. Die fühlen sich extrem mit den Unternehmen verbunden und nennen sich selbst beispielsweise Claasianer oder Goldbecker. So haben wir Beispiele von Beschäftigten, die über Generationen hinweg im Unternehmen arbeiten und von Führungskräften, die so stark mit dem Unternehmen verbunden sind, dass Anrufe von Headhuntern ohne Wirkung bleiben. Diese Identifikation mit dem Unternehmen wirkt wie ein Klebstoff, der die Beschäftigten langfristig bindet.
Was ist der Grund?
Hoon: Diesen Klebereffekt untersuchen wir aktuell. Unternehmerfamilien legen eine Klebstoffspur aus und binden Mitarbeiter auf unfassbare Weise ans Unternehmen. Da ist viel persönliche Kommunikation und viel Anerkennung. Es passiert allerdings auch, dass die Mitarbeiter so lange bleiben, dass eigentlich Personal mit einem frischen Blick von außen nötig wäre. Dann müssen Familienunternehmen auch mal den Klebstoff lösen. Aber das fällt ihnen schwer. Doch ohne frischen Blick von außen entstehen blinde Flecken und das Verharren in bestehende, lange tradierte Verhaltensweisen. Dies ist fatal und für innovatives, vorausschauendes Handeln wenig hilfreich.
Bei Oetker rückt erstmals ein familienfremder Manager an die Spitze. Wird das in der Belegschaft Auswirkungen haben?
Hoon: Je weniger sichtbar die Unternehmerfamilie ist, desto weniger Alleskleber ist da. Dann fehlen schnell Gesicht und Herz der Unternehmerfamilie, die das Identifikationspotenzial ausmachen.
INFORMATION
Zur Person
Christina Hoon ist 1972 geboren, sie ist verheiratet und hat 2 Kinder.
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Universität Hannover.
Nach der Promotion war sie wissenschaftliche Assistentin und Habilitandin.
Seit September 2015 ist sie in Bielefeld Inhaberin des Stiftungslehrstuhls für BWL, insbesondere Führung von Familienunternehmen.