Wirtschaft

EU kritisiert Politiker in Verwaltungsräten von Banken

Brüssel befürchtet einen Interessenkonflikt bei Bürgermeistern und Landräten in Kontrollgremien. Kommunale Spitzenvertreter protestieren per „Brandbrief"

Andrea Frühauf
02.06.2017 | 02.06.2017, 06:00
Die europäische Bankenaufsicht und die EZB haben genaue Vorstellungen, wer in den Verwaltungsinstituten von Sparkassen und anderen Kreditinstituten stehen darf. - © picture alliance / Paul Zinken/dpa
Die europäische Bankenaufsicht und die EZB haben genaue Vorstellungen, wer in den Verwaltungsinstituten von Sparkassen und anderen Kreditinstituten stehen darf. | © picture alliance / Paul Zinken/dpa

Brüssel/Lemgo. Kommunen fürchten um ihren Zugriff auf Sparkassen. Sie sind besorgt, dass sie eines Tages keinen Bürgermeister oder Landrat mehr in den Verwaltungsrat ihrer Finanzinstitute schicken könnten. Das Mandat in dem Kontrollgremium ist zudem lukrativ. „Bürgermeister müssen den Bezug für die ehrenamtliche Arbeit nicht abführen", sagt der Bankenexperte Ralf Jasny.

Anlass für die Sorge der kommunalpolitischen Vertreter sind Leitlinienvorschläge der europäischen Bankenaufsicht EBA und der Europäischen Zentralbank (EZB), wer in den Aufsichtsräten der Kreditinstitute sitzen darf. So sollten Mitglieder der Kontrollorgane in ihrer Ausbildung einen Bezug zu Bank- und Finanzdienstleistungen oder ähnlichen Bereichen (BWL, VWL, Recht, Verwaltung) haben. Diese Kriterien sollen auch für Bürgermeister und Landräte gelten, fordert die EZB.

Die Bankenaufsicht für den Euroraum überprüft seit Herbst die Kriterien, nach denen diese Posten besetzt werden. „Die Mitglieder der Leitungsorgane einer Bank müssen ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben besitzen", zitierte ntv eine EZB-Sprecherin.

Kritik von kommunalen Spitzenvertretern

Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund laufen gegen die Brüsseler Pläne Sturm. In einem gemeinsamen Brandbrief mit der Sparkassenorganisation an das Bundesfinanzministerium, die Bundesbank und die Finanzaufsicht Bafin bemängeln sie: Diese europäischen Vorschläge berücksichtigen nicht die besonderen Strukturen der Sparkassen, wie es unter Verweis auf die kommunale Trägerschaft der Kreditinstitute und deren öffentlichen Auftrag heißt.

Doch EZB und EBA befürchten einen Interessenkonflikt, wenn ein Mitglied im Aufsichtsorgan zugleich eine Position mit hohem politischen Einfluss bekleidet. Die kommunalen Spitzenverbände betonen dagegen: „Die kommunalen Vertreter in den Verwaltungsräten üben der Natur der Sache nach keinen ,institutsfremden‘ Einfluss auf die Institute aus."

Sie empfehlen laut dem der NW vorliegenden Brief, bei den Anforderungen zwischen Mitgliedern der Geschäftsleitung und des Aufsichtsorgans zu unterscheiden. Ihrer Ansicht nach sind die Qualifikationen von Oberbürgermeistern und Landräten ausreichend. Kommunale Mandatsträger hätten Kenntnisse aus ihren Berufen und Wissen über örtliche Strukturen sowie Lebenserfahrung. „Die Finanzkrise hat gezeigt, dass auch Banker Fehler machten", betont zudem Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Und er ergänzt: „Es ist noch keine Sparkasse pleitegegangen."

Bankenexperte kritisiert Postengeschachere

Doch auch Jasny hat an der nötigen sachkundigen kritischen Distanz der Kontrolleure zu den Sparkassen-Vorständen seine Zweifel. Eine Bilanz könne kaum einer richtig lesen. Er kritisiert das Postengeschachere und dass „Parteischergen" die ehrenamtliche Kontrolltätigkeit übernehmen.

Im Verwaltungsrat, der auch über Vorstandsgehälter entscheidet, sei in Wahrheit kein externer Kontrolleur vertreten. Die Folge seien „gute" Beziehungen, die dank der „Schattenkasse" schnell zu kleinen Gefälligkeiten führten. „Da wird neben einer Spende für einen Sportverein im Extremfall auch mal eine Geburtstagsparty auf Kosten der Sparkasse veranstaltet." Dass Politiker dieses System erhalten wollen, liegt für Jasny auf der Hand.

Auch Andreas Dombret, Vorstand der Deutschen Bundesbank, stellte schon bei der Verabschiedung des Sparkassenpräsidenten Rolf Gerlach in Münster klar, dass er keinen Handlungsbedarf sieht. Die Anforderungen an die Sachkunde von Verwaltungsräten seien hierzulande längst Realität. „Sie sind im Kreditwesengesetz sowie zum Teil in den Sparkassengesetzen verankert; ihre Einhaltung wird von der Bankenaufsicht überprüft."

Fehlende Fachkenntnisse müssten in Fortbildungen erweitert werden (Jasny: „Das reicht nicht."). Zudem seien die fachlichen Anforderungen abgestuft an Institutsgröße, Geschäftsmodell, Komplexität angepasst. Und bei Interessenkonflikten sei lediglich der Einzelfall sorgfältig zu prüfen, um „gegebenenfalls" Maßnahmen zu ergreifen.

INFORMATION


Heuwinkel verteidigt Gehalt des Ex-Sparkassenchefs

Leser der NW hatten sich über das hohe Gehalt des Vorstandschefs der Sparkasse Lemgo empört. Dessen Gehalt war 2015 um 19.000 Euro auf 486.000 Euro angehoben worden.

Zwei Jahre zuvor, 2013 und 2014, hatte der Sparkassenchef Horst Selbach laut Bundesanzeiger sogar jeweils eine Leistungszulage von 47.000 Euro und 49.000 Euro pro Jahr kassiert, womit seine Gesamtvergütung auf 452.000 Euro (2013) und dann 467.000 Euro (2014) gestiegen war.

Ex-Landrat Friedel Heuwinkel, der dem Kontrollgremium angehörte, führt das Gehaltsplus, gegen das niemand im Verwaltungsrat gestimmt habe, auf die erfolgreiche Fusion mit der verlustreichen Sparkasse Bad Salzuflen zurück – die war allerdings schon 2002.

Heuwinkel erklärte, er finde es richtig, dass Vorstände, die persönliche Verantwortung tragen, „gutes Geld verdienen". Allerdings könnte der Vorstand nach seiner Ansicht kleiner sein.