Wirtschaft

"Blackout"-Autor Marc Elsberg: „Unsere Welt ist verletzlich“

Interview mit dem österreichischen Schriftsteller

Schriftsteller aus Österreich: Marc Elsberg hat Erfolg mit Technik-Themen. | © Clemens Lechner /Blanvalet Verlag/dpa

Stefan Schelp
29.12.2016 | 29.12.2016, 11:25

Bestseller-Autor Marc Elsberg, bekannt geworden mit dem Thriller "Blackout - Morgen ist es zu spät", spricht im Interview über den Schutz in der digitalen Gesellschaft, sein nächstes Buch-Projekt und die Rolle Gottes.

Herr Elsberg, Sie haben in Ihrem Roman „Blackout" beschrieben, wie Terroristen über die intelligenten Stromzähler in Netzwerke eindringen und der Welt, wie wir sie kennen, das Licht abdrehen. Als Hacker sich neulich die Telekom-Router vorgenommen haben, ist genau das passiert. Unheimlich, oder?
Marc Elsberg:
Eigentlich nicht. Das ist ja auch nicht zum ersten Mal passiert. Und zum Glück ist ja nicht die Katastrophe eingetreten, die ich beschrieben habe. Aber Hacker-Angriffe gibt es natürlich ständig und immer wieder.

Also lag das Thema schon 2012, als Sie „Blackout" veröffentlicht haben, auf der Hand?
Elsberg:
Als ich mit dem Buch begonnen habe, hatte es schon mehrere Vorfälle gegeben. In der Ukraine gab es mittlerweile – 2015 – einen Blackout. Es ist eigentlich eher überraschend, dass es noch keine größeren Vorfälle gegeben hat. Es werden mit Sicherheit auch noch viel gravierende Angriffe folgen.

Nach der Lektüre Ihres Buches haben viele Menschen Batterien gehortet und Vorräte angehäuft. Das scheint dann ja wohl absolut geboten zu sein.
Elsberg:
Das empfiehlt sich ja sowieso.

Haben Sie selbst auch Notfallvorräte?
Elsberg:
Ich habe mich für daheim auch versorgt. Die Welt, in der wir leben, ist zwar komfortabel, aber auch verletzlich. Nehmen Sie einen Fall aus Österreich aus dem Jahr 2013. Da musste das Hochspannungsnetz „blind" gefahren werden, weil sich das Steuerungssystem selbst not-abgeschaltet hatte. Da war – wie auch immer – eine Zählerabfrage aus einem bayerischen Gasnetz in die Steuerung des österreichischen Hochspannungsnetzes geraten. Das hätte schlimme Folgen haben können. Das heißt, für einen Blackout braucht es nicht einmal eine Hacker-Attacke.

Information
  • Der Österreicher Marc Elsberg wurde am 3. Januar 1967 in Wien geboren – unter dem Namen Marcus Rafelsberger.
  • Der erste Bestseller unter dem Künstlernamen Elsberg war 2012 „Blackout", ein Thriller über die schlimmen Auswirkungen eines großflächigen Stromausfalls in Europa.
  • Sein neuestes Buch „Helix" dreht sich um genetisch „verbesserte" Menschen.

Können wir uns dann denn überhaupt selbst schützen? Zumindest gegen Hacker?
Elsberg:
Bis zu einem gewissen Grad. Ich selbst habe einen etwas höheren Sicherheitsstandard als die durchschnittlichen Bürger.

Das heißt?
Elsberg:
Verrate ich nicht. Sonst ist es nicht mehr sicher. Aber viel wichtiger ist das persönliche Verhalten. Die größte Schwachstelle bleibt der Mensch. Es gibt immer noch Leute, die Anhänge in Mails von Absendern öffnen, die sie nicht kennen oder auf verlinkte Websites gehen. Wir haben als Kinder gelernt, dass wir nicht mit Fremden mitgehen sollen. In der digitalen Welt hat das die entsprechenden Folgen, wenn man Vorsichtsmaßregeln nicht kennt oder missachtet.

Welche digitalen Werkzeuge nutzen Sie denn?
Elsberg:
Ich nutze zum Beispiel Facebook nicht privat, sondern ausschließlich als Marketing-Instrument für meine Bücher. Ich lade keine sensiblen Daten in die Cloud. Andererseits kann man sich der Digitalisierung nicht entziehen. Das fängt schon damit an, dass ich dieses Interview am Smartphone führe.

Auch in den Medien kann man sich des Themas nicht erwehren. Kaum ein Wochenend-Krimi im Fernsehen kommt ja noch ohne die Gefahren der Digitalisierung aus.
Elsberg:
Das ist zum Teil natürlich auch eine Mode. Aber es ist schon interessant, dass das Thema jetzt erst aufkommt. Da hat nicht nur die Politik, da haben auch die Künstler geschlafen. Aber das Thema Digitalisierung wird uns erhalten bleiben, weil die ganze Welt damit durchzogen ist.

Sie warnen immer wieder. Ist das eine Form von Zukunftspessimismus?
Elsberg:
Nein. Aber wir müssen uns über die Gefahren mehr Gedanken machen. Zugleich sollten wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir sollten uns anschauen, wie man die Vorteile nutzen kann. Die Menschen, die meine Bücher lesen, sollen sich auf spannende Art damit beschäftigen.

Apropos Gefahren: Ist die Digitalisierung eine Gefahr für die Arbeitswelt, wie wir sie kennen?
Elsberg:
Sie wird die Arbeitswelt massiv verändern. Der Wandel wird nicht ganz einfach werden. Aber das ist gewissermaßen längst Allgemeinwissen. Wohin sich die Welt verändert, da wage ich keine Prognose. Aber bisher sind bei einem technischen Wandel immer zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Ich habe keine Vorstellung, ob es diesmal anders sein wird. Ich habe gerade ein Buch über Konfuzius in der Hand gehabt. Da heißt es: „Such dir eine Beschäftigung, die du liebst, dann wird du nie mehr arbeiten müssen." Will sagen: Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit werden sich stärker verwischen. Aber die Verteilungsfrage wird wichtiger werden, weil bei Fortsetzung des derzeitigen Systems ein großer Teil der Bevölkerung weniger bekommen wird. Und dann haben wir ein gesellschaftliches Problem.

Wo wir gerade bei den Problemen sind. Mit welchem Problem beschäftigen Sie sich in Ihrem nächsten Roman?
Elsberg:
Das wüsste meine Verlegerin auch gern. Ich bin an mehreren Themen dran. Ich ertaste gerade, welches davon es Wert ist, zwei Jahre Recherche hineinzustecken. Und dann muss ich ja auch eine gute Geschichte dazu hinkriegen.

Was ist denn zuerst da? Das Thema oder die Geschichte?
Elsberg:
Meistens ist der Ausgangspunkt irgendeine Figur, die mir auffällt. Recherche und Geschichte laufen dann aber mehr oder weniger parallel.

Was haben Sie zu Weihnachten verschenkt. Bücher? Oder Technik?
Elsberg:
Ich versuche Zeit, Aufmerksamkeit und schöne Erlebnisse zu verschenken.

Weil’s gerade so besinnlich wird: Gibt es in dieser digitalen Welt noch einen Platz für Gott?
Elsberg:
Definitiv. Einen Gott brauchen wir als Antwort auf Dinge, die wir nicht verstehen. Der Glaube an Gott ist ein gangbarer Weg der Weltbewältigung. Ich glaube aber auch, dass wir uns nicht auf Gott ausruhen sollten, sondern selbst nach Antworten suchen müssen. Andererseits sind viele Strukturen so undurchschaubar, dass sie für manche Menschen gottgleich werden.