
Bielefeld. Der erbitterte jahrelange Machtkampf in Deutschlands größtem deutschen Fleischkonzern Tönnies entzündete sich womöglich wegen 50.000 Euro. Robert Tönnies, der neben seinem Onkel und Konzernchef Clemens Tönnies senior 50 Prozent der Anteile hält, habe im März 2009 seinem Gesellschafterkonto 50.000 Euro entnehmen wollen. Dies sei ihm aber damals wegen der Finanzkrise verweigert worden, sagte der vom Landgericht Bielefeld als Zeuge geladene Steuerberater Jens-Uwe Göke.
In einer „Entnahme-Klage" gegen die Tönnies Holding fordert Robert Tönnies, von seinem Gesellschafterkonto einen Millionenbetrag für die Auszahlung seines nierenkranken Bruders Clemens Tönnies junior (40) entnehmen zu dürfen. Doch nach der fast achtstündigen Gerichtsverhandlung steht einzig fest: Clemens Tönnies junior, der als Mitgesellschafter 2011 das Unternehmen verlassen und seine Anteile an seinen Bruder Robert verkauft hatte, wird weiter auf die Auszahlung seines Geldes warten müssen.
"100 Millionen waren Schnäppchenpreis"
Denn der Unternehmenswert, konkret der steuerliche Buchwert der Tönnies-Gruppe, stehe noch immer nicht fest, weil die Betriebsprüfung vom Finanzamt für das entscheidende Bilanzjahr 2007 weiter andauere, wie der Vorsitzende Richter Wolfgang Drees nach der mit der Zeugenbefragung beendeten Beweisaufnahme konstatierte. Die Rede ist von gut 67 Millionen Euro als Buchwert für die Anteile von Clemens junior.
Laut Göke, der Clemens junior bei Verkauf und Übertragung seiner Anteile auf seinen Bruder Robert beraten und dafür ein Modell entworfen hatte, belief sich der Verkehrswert des Firmenanteils zum Zeitpunkt der Transaktion 2011 auf 380 Millionen Euro. „Die im Gesellschafterausschuss vereinbarten 100 Millionen Euro als maximaler Kaufpreis für die 25 Prozent waren ein Schnäppchenpreis." Dieser Preis sei aber vernünftig gewesen, um das Unternehmen finanziell nicht zu überfordern. Auch Josef Schnusenberg, Testamentsvollstrecker der Brüder, sei begeistert gewesen.
Zu einem Gesellschafterbeschluss kam es nicht
Der endgültige Kaufpreis sollte sich nach der Bilanz richten. Zu einem Gesellschafterbeschluss über den Preis kam es nicht. Statt einer ersten Tranche von 30 Millionen Euro habe man sich später einvernehmlich, aber auch nur mündlich, auf 25 bis 35 Millionen Euro geeinigt – je nach Wirtschaftslage, so Clemens junior.
Abgelehnt
Der Richter sieht grundsätzlich einen Entnahmeanspruch für Robert. Allerdings lehnte er einen Vorschlag von Roberts Anwältin ab. Ein Teilurteil und damit ein vorläufig angenommener niedrigerer Kaufpreis für die Anteile von Clemens junior sei wegen der laufenden Betriebsprüfung unzulässig. Dies könne auch einem späteren Teilurteil widersprechen.Er hatte seine Anteile wegen seiner fortschreitenden Krankheit auf Robert übertragen, wie er im Zeugenstand sagte. Beide Brüder hielten zuletzt gemeinsam 50 Prozent der Anteile – so viele wie ihr Onkel. „Es kann doch nicht sein, dass ein Gesellschafter dem Unternehmen jahrelang Geld entnimmt und die Neffen nichts entnehmen dürfen", erboste sich Roberts Anwältin Christine Gärtner.
Kurz zuvor hatte Clemens Tönnies senior (60) im Zeugenstand die ihm vorgelegten, attestierten Zahlen bestätigt („Ich verlasse mich auf meine Berater"), wonach er selbst sein Gesellschafterkonto Ende 2008 mit gut einer Million Euro überzogen hatte, während seine Neffen ein Guthaben von gut 37 Millionen Euro (Clemens junior) und 36 Millionen Euro (Robert) auf ihren Konten angesammelt hatten.
Clemens Tönnies nimmt Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch
„Gab es denn für Ihre Entnahme von einer Million Euro einen Gesellschafterbeschluss?", fragte Roberts Anwalt den Konzernchef spitz. Er habe dies mit Schnusenberg besprochen, so Tönnies senior. „Das war eine Gesellschafterversammlung." An welchem Tag im Jahr 2008 das Gespräch war, ob vor oder nach Ende der Testamentsvollstreckung, daran erinnerte er sich nicht. Erbost stoppte ihn sein Anwalt Tobias Bürgers, der ihn im Schenkungsprozess gegen Robert vertritt. Clemens Tönnies senior berief sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.
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