NRW-Kommunen drücken 62 Milliarden Euro Schulden

Bielefeld. Die Gesamtverschuldung der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist auf einen neuen Rekordwert von 61,9 Milliarden Euro angewachsen. Das besagt eine Bilanz des Landesbetriebs IT NRW zum Ende des Jahres 2015. Vor zehn Jahren lag der Gesamtschuldenstand noch bei 46,2 Milliarden Euro. Damit ist hier ein Plus von 36,9 Prozent zu verzeichnen. Die Verschuldung der 70 Kommunen in OWL variiert stark. Pro Einwohner liegt der Schuldenstand in den meisten OWL-Kommunen deutlich unter dem Landesschnitt von 3.502 Euro. Die Stadt Herford hat mit 4.076 Euro die höchste Pro-Kopf-Verschuldung, vor Spenge (3.970) und Lage (3.816). Die geringste Pro-Kopf-Verschuldung hat Schloß Holte-Stukenbrock (18), gefolgt von Verl (69) und Halle (141). Laut Bezirksregierung Detmold sind in der Haushaltssicherung: Bielefeld, Enger, Spenge, Höxter, Augustdorf, Dörentrup, Kalletal, Schieder-Schwalenberg, Schlangen, Preußisch Oldendorf und Bad Oeynhausen. Für Lage und Extertal soll die Haushaltssicherung enden, für Barntrup voraussichtlich neu hinzukommen. Experten wie der Bielefelder Oberbürgermeister Pit Clausen sagten, die Schuldenentwicklung sei zwar abgebremst worden, doch: &bdquo;Der Stand ist gefährlich, weil Städte und Gemeinden damit in ihrer Investitionskraft gebremst sind", so der Vorsitzende des Städtetages NRW auf Anfrage. Clausen betont, dass bereits jetzt die durchschnittliche Investitionskraft pro Einwohner im Jahr in NRW-Kommunen bei nur 170 Euro liege, während sie in Bayern 510 Euro betrage. &bdquo;Wir brauchen Unterstützung von Bund und Land", fordert Clausen. Das Land NRW sei hier mit dem Förderprogramm &bdquo; Gute Schule" und einem Volumen von zwei Milliarden Euro auf dem richtigen Weg. Britta Haßelmann, kommunalpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, sagt auf Anfrage: &bdquo;Verantwortlich für diese Fehlentwicklung ist und bleibt die nach wie vor starke Zunahme der sozialen Pflichtausgaben." Die Aufwendungen für Menschen mit Behinderungen, Kinder- und Jugendhilfe sowie die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung stiegen seit Jahrzehnten an. &bdquo;Der Bund muss endlich klotzen, nicht kleckern und sich stärker beteiligen bei der Entlastung der sozialen Kosten, am Abbau der bestehenden kommunalen Altschulden und den Finanzmitteln für Investitionen", fordert Haßelmann. André Kuper, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, nennt den Anstieg des kommunalen Schuldenbergs ein &bdquo;nicht zu überhörendes Alarmsignal". Jede zweite Kommune habe höhere Schulden als im Vorjahr. Die NRW-Kommunen trügen gut 50 Prozent der bundesweiten kommunalen Schuldenlast der Kassenkredite: 26,4 Milliarden Euro. Für Kuper ist dies auch eine deutlich sichtbare Folge &bdquo;der unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen durch das Land". Das Land müsse die Kommunen &bdquo;mit einem gerechten Anteil an den Bundesmitteln bei der Integration von Asylsuchenden unterstützen". Eine Integrationspauschale müsse aufgelegt werden. &bdquo;Die rot-grüne Landesregierung darf nicht zu Lasten der Kommunen den eigenen Haushalt sanieren", so der Rietberger. &bdquo;Trotz Rekordeinnahmen bei der Steuer schaffen wir es nicht, die Finanzen bei den Kommunen wieder zu sanieren", sagt Martin Lehrer, Sprecher des Städte- und Gemeindebundes NRW, auf Anfrage. &bdquo;Es muss aufhören, dass der Bund Gesetze schafft, die bei den Kommunen Kosten auslösen", fordert der Sprecher. Kommentar Hypothek auf die Zukunft Es scheint eine Spirale ohne Ende zu sein: Die Verschuldung der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen steigt auf ein neues Rekordniveau von rund 62 Milliarden Euro. Dabei mangelt es den meisten Kommunen derzeit nicht an Einnahmen. Es ist die Ausgabenseite, auf der der Schuh drückt. Die Sozialausgaben steigen unaufhörlich und zehren Steigerungen bei Steuereinnahmen auf. Das benachteiligt viele Kommunen besonders, die ohnehin unter den Folgen des industriellen Strukturwandels an Rhein und Ruhr zu leiden haben. Siegburg mit gut 9.300 Euro und Oberhausen mit knapp 9.000 Euro Verschuldung pro Einwohner sind in dieser Hinsicht die negative Spitze der Skala. Zahlen, bei denen den meisten Kämmerern der OWL-Kommunen die Ohren klingeln dürften. Doch auch wenn hier die Welt im Landesvergleich noch fast in Ordnung zu sein scheint – eine Vorbildfunktion hat einmal mehr der Kreis Gütersloh – jeder Euro, der in dieser Statistik auftaucht, ist eine Hypothek auf die Zukunft. Denn in den Städten und Gemeinden wird die Grundlage für ein gedeihliches Miteinander der Menschen gelegt. Die Kommunen brauchen Spielräume für Investitionen, damit dieser Kraftakt gelingt: Bildungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Straßen, Plätze, Theater, Sportanlagen und Wohnungen müssen gebaut und unterhalten werden. Bund und Land müssen ihren Teil der Verantwortung tragen, damit dies gelingt. Kontakt zum Autor

Meistgelesen