Wirtschaft

Interview: Was Kaufhausbesitzer Ralf Schwager anders macht als Karstadt

„Eine digitale Stadt entwickeln“

"Ein Unternehmer muss seinen Beruf lieben": Ralf Schwager will sich erst mit 85 Jahren zur Ruhe setzen. |

Andrea Frühauf
18.03.2015 | 18.03.2015, 16:50

Holzminden. Der Kaufhausbesitzer Ralf Schwager hat mit seinen Häusern Erfolg. Der Mittelständler aus Holzminden, der am kommenden Dienstag als Referent beim Handelsforum in der Bielefelder Stadthalle erwartet wird, fürchtet nicht die Konkurrenz großer Einkaufscenter und Warenhäuser. Er verfolgt eine eigene Strategie. Mit ihm sprach Andrea Frühauf.

Herr Schwager, Kaufhof wird sich mit dem neuen Shopping-Center-Betreiber ECE nicht einig und verlässt Bielefeld. Ist das ein Gewinn oder Verlust für die Stadt?
RALF SCHWAGER: Es ist immer ein Verlust, wenn ein „Vollsortimenter“ im Zentrum eine Stadt verlässt.

Nimmt ECE Kaufhäusern Marktanteile weg?
SCHWAGER: Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten: In der Stadt, in der ein ECE neu eröffnet, gibt es sicherlich einen Verdrängungswettbewerb nur allein für die Randlagen. Die Geschäfte in der unmittelbaren Umgebung werden von der Frequenz des ECE profitieren. Es kommt also eindeutig auf die Lage an. Das gilt auch für Kaufhäuser. Sollte ein neues ECE im Umkreis von 50 Kilometern eines Kaufhauses entstehen, nimmt es mit Sicherheit Marktanteile weg, vor allem im Bereich der jüngeren mobilen Kundschaft.

Information
Handelsforum
Zum 27. Mal lädt der Handelsverband OWL zum Handelsforum in die Stadthalle Bielefeld ein. Am Dienstag, 24. März, referieren ab 9.45 Uhr hochkarätige Experten zum Thema "Update Einzelhandel. Strukturwandel als Herausforderung und Chance für den stationären Fachhandel".  Zu den Referenten gehören der Trendforscher David Bosshart, der Bielefelder Modehändler André Lösekann und Martin Knabenreich, neuer Geschäftsführer der Bielefeld Marketing.  Auch Kaufhausbesitzer Ralf Schwager aus Holzminden ist dabei. Weitere Infos: s.eickelmann@handelsverband-owl.de

Ihr Kaufhaus wurde bereits 1923 gegründet. Was hat sich seither bei Ihnen verändert?
SCHWAGER:
Wir hatten früher alles unter einem Dach geboten, neben Mode auch Möbel, Lebensmittel, Elektrogeräte, Schallplatten, Parfümerie und Schreibwaren. Da können wir aber mit anderen Vertriebsformen nicht mehr mithalten. Das ist heute ein Problem von Kaufhäusern. Deshalb haben wir uns neben Mode auf Fachabteilungen mit Lederwaren, Geschenkartikel, Heimtextilien und als Relikt Spielwaren konzentriert.

Auch Karstadt hat das Sortiment reduziert, steckt aber trotzdem in der Krise. Warum sind Sie dagegen erfolgreich?
SCHWAGER: Die Mitarbeiter sind unser großer Vorteil. Sie sind unser wichtigstes Gut und schon jahrzehntelang bei uns. Sie haben einen persönlichen Kontakt zu den Kunden, informieren sie über Trends und individuellen Modestil. Modeberatung und das Anprobieren in der Kabine müssen Spaß machen. Wir bieten deshalb auch Styling- und Typentage.

Was machen Sie noch anders?
SCHWAGER: Wir geben keine Anordnungen von der Zentrale. Unser Geschäft ist lokal. Die Geschäftsführer vor Ort haben die Hoheit über Sortiment, Lieferanten und Events. Auch die Auszubildenden werden bei uns in Entscheidungen mit einbezogen. Wir reden viel mit unseren Lieferanten. Wir haben keinen Unternehmensberater im Haus, sondern lassen uns von Spezialisten beraten. Auch ich gebe nur Ratschläge und bin alle zwei Wochen mindestens einmal in jedem Haus. Zudem besuche ich Messen.

Selbst erfolgreiche Modemacher wie Gerry Weber klagen über niedrige Kundenfrequenz in Innenstädten. Spüren Sie das nicht?
SCHWAGER: Natürlich. Aber wir als Unternehmer haben die Verantwortung, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Wir haben uns in allen Städten durch viel Detailarbeit, Kreativität und neue Ideen zu Platzhirschen entwickelt. Wir sind im Gewerbeverein. In Holzminden verantworte ich als Stadtmanager das Eventmarketing der Stadt, den Stadttourismus und das Leerstandsmanagement.

Gibt es in Holzminden viele Leerstände?
SCHWAGER: Ja, wir haben 13 Leerstände in der Innenstadt. Die Fußgängerzone ist zu lang. Wir wollen Blumen und schöne Spielgeräte aufstellen, damit die Menschen sich hier wohlfühlen und aufhalten. Die Stadt muss zudem sauber sein. Ein Mitarbeiter des Stadtmarketings entfernt regelmäßig Hundekot und Zigarettenstummel.

Sehen Sie auch die Kommunalpolitik in der Pflicht?
SCHWAGER: Es ist die wichtigste Aufgabe der Zukunft, Stadtverwaltung und Kommunalpolitik davon zu überzeugen, dass die Innenstadt die gute Stube bleibt. Denn in vielen Städten ist viel Tradition, Geschichte und Kultur. Nicht nur Einzelhändler, auch Städte müssen sich gut vermarkten.

Was können sie tun?
SCHWAGER: Häuser sollten einen neuen Anstrich bekommen und leere Schaufenster gefüllt werden. Städte brauchen nicht jede Woche einen Event, Aktionismus bringt sie nicht weiter. Nötig sind drei bis vier große Veranstaltungen im Jahr. In Holzminden gibt es jedes Frühjahr ein Kükenfest, bei dem Küken auch in Kostümen durch die Stadt laufen. Und zum Weihnachtsmarkt wird auf dem Marktplatz eine inzwischen 500 Quadratmeter große Eisbahn aufgebaut – umringt von 30 Buden. Dies ist ein Magnet für 50.000 Menschen. Zudem planen wir drei Eisstockbahnen um den Marktbrunnen. Wir entwickeln die Stadt immer weiter und müssen sie auch als digitale Stadt weiterentwickeln – mit digitalen Info-Points für Veranstaltungen und kostenlosem WLAN auf dem Marktplatz.

Viele Menschen meiden Citys, weil sie im Internet shoppen.
SCHWAGER: Der Onlinehandel nimmt auch uns Umsatz weg. Im Modebereich beträgt der Online-Anteil 20 Prozent. Aber unser Markensortiment, darunter Brax und Gerry Weber, eignet sich nicht für den Internetverkauf. Wer das Internetgeschäft nur halbprofessionell betreibt, verliert Zeit und Geld. Wir können das Internet nur als Marketinginstrument einsetzen und müssen mit unseren Lieferanten ins Geschäft kommen. Damit wir auf deren Internetplattform dürfen und dieselben Preise bekommen.

Glauben Sie, dass Lieferanten sich darauf einlassen werden?
SCHWAGER: Anderenfalls müssen wir uns etwas überlegen. Wir können nicht der Steigbügelhalter für diejenigen sein, die ihre eigenen Läden haben, Onlinegeschäfte machen und eigene Outlets betreiben.

Fürchten Sie ECE-Konkurrenz?
SCHWAGER: Die gibt es in vielen Innenstädten, und sie haben alle das gleiche Sortiment. Wir haben vor ECE keine Angst.