
Bielefeld. Zigtausende Kunden haben bundesweit alte Baudarlehen widerrufen, um in zinsgünstigere Verträge zu wechseln. Der Ansturm auf Verbraucherzentralen und Anwälte, um rechtlich Rat zu suchen, ist ungebremst. "Wir stoßen an unsere Kapazitäten und haben Wartezeiten von drei bis vier Monaten", heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Auch Iris Ober, Bielefelder Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, spricht von "unglaublich vielen Fällen". Sie unterstützt die Verbraucherzentrale NRW inzwischen schriftlich, weil die "nicht mehr hinterherkommt". Viele Kreditinstitute stellen sich nach ihren Angaben noch immer quer. "Sparkassen mauern."
Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) geben fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in Darlehensverträgen Kunden das Recht, ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen. Die Verbraucherzentrale Hamburg spricht von dreistelligen Millionenbeträgen, wenn nicht Milliarden, die Geldinstituten damit verloren gehen. Betroffen sind Darlehensverträge ab dem 2. November 2002.
"Für Banken ist das ein Massenproblem"
Laut Ober haben manche Geldhäuser ihre Strategie geändert. Zeigten sich Sparda-Banken anfangs kompromissbereit, würden sie den Widerruf nun nicht mehr akzeptieren. "Für Banken ist das ein Massenproblem", sagt der Bielefelder Fachanwalt Arnim Kunzenbacher. Deutsche Bank, BHW oder DSL-Bank reagierten gar nicht mehr auf Kundenschreiben, versuchten, das Problem auszusitzen ("Wir brauchen noch Zeit für die Bearbeitung"). Die Sparkassen in Bielefeld und Herford stellen sich dagegen nach seinen Erfahrungen gleich quer und "lassen sich verklagen". Schließlich müsse der Kunde die Gerichtshürde erst nehmen. Und die Prozessflut ist groß. "Frankfurt als Gerichtsstand sollte man meiden", raten Ober und Kunzenbacher."Die Mandanten sind immer ganz beeindruckt vom Vorwurf der Sparkasse, dass sie sich mit dem Widerruf treuwidrig verhalten", sagt Kunzenbacher in Anspielung auf einen der NW vorliegenden Musterbrief der Sparkasse. Darin nimmt das Geldhaus Bezug auf ein BGH-Urteil - und suggeriere, dass der BGH zu einer Widerrufsbelehrung der Sparkasse geurteilt habe. "Das ist aber nicht der Fall." Es habe sich um eine andere Bank gehandelt. "Gerade in dem Fall, in welchem die Sparkasse dieses Musterschreiben verwendet hat, hat sie nicht nach den BGB-Vorgaben - Paragrafen 355, 495 - belehrt." Sie habe sich vielmehr am Muster der BGB-Informationspflichtverordnung orientiert, "allerdings mit eigenen Formulierungen, die vom Muster abgewichen sind", kritisiert Kunzenbacher.
Das ARD-Magazin "Plusminus" berichtete kürzlich von der Bielefelder Familie Studinski, die ihr Haus vor Jahren mit einem Darlehen zu einem Zinssatz von 5,39 Prozent finanziert hatte. Als Edmund Studinski den teuren Kreditvertrag wegen eines Fehlers in der Belehrung widerrief, um damit am Ende rund 40.000 Euro zu sparen, habe die Bank ihn zwar schließlich aus dem Vertrag gelassen, doch habe er kein neues Kreditinstitut gefunden, das die Restschuld übernehmen wollte. "Es scheint ihm, als hätten sich alle Banken gegen ihn verschworen", berichtete Plusminus. Auch Ober hört von Mandanten solche Geschichten. Doch am Ende lasse sich immer ein neuer Kreditgeber finden, etwa die ING-Diba oder auch eine Sparkasse.