Fridays for Future

Wie die Schüler Europa ihren Stempel aufdrücken

Mit ihrer Sorge vor der Zerstörung des Planeten treffen die Schüler einen Nerv – und prägen den Wahlkampf zur Europawahl.

Schulstreik: Auch an diesem Freitag wollen Schüler und Studenten wieder weltweit für den Klimaschutz streiken. Nach Angaben der Bewegung sind 1.350 Veranstaltungen in 110 Ländern geplant. | © picture alliance

Marina Kormbaki
24.05.2019 | 24.05.2019, 13:22
Luisa Neubauer ist Klimaschutzaktivistin und das Gesicht der deutschen "Fridays For Future"-Bewegung. - © picture alliance
Luisa Neubauer ist Klimaschutzaktivistin und das Gesicht der deutschen "Fridays For Future"-Bewegung. | © picture alliance

Berlin/Brüssel. An diesem Freitag bläst die „Fridays for Future"-Bewegung zum globalen Klimastreik. Mit ihrer Sorge vor der Zerstörung des Planeten treffen die Schüler einen Nerv – und prägen den Wahlkampf zur Europawahl.

Freitag für Freitag hat Luisa Neubauer in den vergangenen Monaten demonstriert, sie ist eine der treibenden Kräfte hinter den Klimaprotesten von „Fridays for Future" in Deutschland. Für diesen Freitag, zur Europawahl, rechnet sie mit Großem.

UN-Generalsekretär solidarisiert sich mit den streikenden Schülern

„Das wird gigantisch", sagt sie. Mehr Länder und mehr Städte als jemals zuvor sollen am globalen Protesttag teilnehmen; das Netzwerk listet mehr als 1.600 Städte in 119 Staaten auf. „Fridays for Future wird am Freitag ein beispielloses Ausmaß annehmen", sagt Neubauer.

„Fridays for Future" hat sich von einer stillen und einsamen Protestaktion der jungen Schwedin Greta Thunberg binnen weniger Monate zur weltweit größten Protestbewegung gewandelt. Mit dem streitbaren Mittel des Schulstreiks ist es den jungen Aktivisten gelungen, sich für ihr Anliegen – dem Klimaschutz – Gehör zu verschaffen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich mit ihnen solidarisiert. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dankte den jungen Leuten dafür, dass sie Druck machen.

Maßnahmenpaket aus Berlin wird die Bewegung vor eine Probe stellen

Doch die netten Worte stimmen Luisa Neubauer nicht zufrieden. „Zwar reden jetzt alle übers Klima, aber Reden allein bringt den Planeten nicht weiter", sagt die Aktivistin. Sie und ihre Mitstreiter wollen Taten sehen. Weil sie die EU beim Klimaschutz in besonderer Verantwortung wähnen, rufen sie jetzt, zur Europawahl, zum ganz großen Protest auf.

Die „Fridays for Future"-Bewegung trifft einen Nerv. Sie dürfte großen Anteil daran haben, dass der Klimaschutz zum dominierenden Thema dieser Europawahl geworden ist, zumindest in Deutschland. Beim ARD-Europatrend gab das Gros der Befragten vor wenigen Tagen an, dass Umwelt- und Klimaschutz für ihre Wahlentscheidung am wichtigsten sei. Warnungen von Wissenschaftlern vor den Folgen zunehmender Erderwärmung oder der Vermüllung der Meere lassen viele nicht unbeeindruckt – allen voran junge Menschen. Was wiederum in die Politik hineinwirkt.

Jugendliche haben das Gefühl, dass sie nicht gehört werden

„Die Bewegung Fridays for Future hat auf jeden Fall dazu geführt, dass das Thema Klimaschutz die Europawahl thematisch mit geprägt hat", sagte der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch. Sie habe mitbewirkt, dass die aus unterschiedlichen Interessensvertretern zusammengesetzte Kohlekommission zu Jahresbeginn einen Kompromiss zum Kohleausstieg gefunden hat. „Das Jahr 2019 muss zeigen, ob Bundesregierung und Bundestag die Kraft aufbringen, diesen Kompromiss zusammen mit weiteren Maßnahmen aus den anderen Sektoren in eine Klimaschutzgesetzgebung zu gießen, mit der wir die völkerrechtlich verbindlichen Ziele für 2030 erreichen können", sagt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung werde „Fridays for Future" vor eine Probe stellen: „Dann wird sich erweisen müssen, ob die Bewegung bereit ist, demokratisch ausgehandelte Kompromisse mit zu unterstützen", so Miersch.

Zuvor aber muss sich erst einmal die Groko auf Maßnahmen einigen,mit denen die Klimaziele für 2030 erreicht werden sollen. Bisher gab es vor allem in der Union zahlreiche Bremser. Doch die Schülerproteste tragen bei CSU und CDU zu einer neuen Nachdenklichkeit bei. „Die ,Fridays-for-Future‘-Bewegung zeigt, dass das Thema Klimawandel in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Deshalb ist es auch ein beherrschendes Thema im Europawahlkampf", sagt Anja Weisgerber (CSU), Umweltpolitikerin der Unionsfraktion. Sie strebe „die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie in der Klimapolitik" an, unter Berücksichtigung sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. „Nur so erhalten wir die notwendige Akzeptanz der Menschen", sagt Weisgerber.

Die Grünen fordern ein Absenken des Wahlalters auf 16

Die Grünen, deren Markenkern ja der Klimaschutz ist, dürften vom hohen Stellenwert des Themas bei dieser Europawahl erheblich profitieren. Da verwundert es nicht, dass Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Klimaaktivisten gern mehr politisches Gewicht geben würde. Sie fordert eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. „Seit einem halben Jahr gehen Kinder und Jugendliche jeden Freitag auf die Straße und rufen den Politikerinnen und Politikern zu: Macht was für den Klimaschutz, hinterlasst uns eine Welt, in der wir noch eine Zukunft haben", sagt Baerbock. „Streiks für Klimaschutz, Proteste gegen Uploadfilter, Demos für ein gemeinsames Europa: Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie politisch die Jugend ist – auf der Straße, im Netz, in Debatten", betont die Grünen-Bundestagsabgeordnete. „Aber trotz ihrer Lautstärke haben viele Jugendliche das Gefühl, nicht gehört zu werden. Ihnen fehlt die politische Stimme. Es ist an der Zeit, das Wahlalter auf 16 zu senken", fordert Baerbock.

Die Zustimmung der Klimaaktivisten, die heute protestieren wollen, dürfe Baerbock gewiss sein.

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Aufruf: Erwachsene sollen sich anschließen


Die Schüler und Studenten von „Fridays for Future" rufen alle Erwachsenen auf, sich ihren Protesten für mehr Klimaschutz anzuschließen. Der Kampf gegen die Erderwärmung sei keine Aufgabe für eine einzelne Generation, schreiben Aktivisten der Bewegung, darunter Greta Thunberg und Luisa Neubauer, in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. „Das ist eine Aufgabe für die ganze Menschheit."

Die jungen Klimaschützer kündigten eine Aktionswoche an, die am 20. September mit einem weltweiten Streik beginnen soll. „Wir bitten Sie, sich uns anzuschließen", heißt es in dem Beitrag. „Gehen Sie an diesem Tag mit Ihren Nachbarn, Kollegen, Freunden und Familien auf die Straße, damit unsere Stimmen gehört werden und dies ein Wendepunkt in der Geschichte wird."