Nahost

Erste Phase des Gaza-Deals vereinbart - wie geht es weiter?

Schon bald sollen alle im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freikommen. | © Ohad Zwigenberg/AP/dpa

10.10.2025 | 10.10.2025, 03:31

Bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über wichtige Teile des von US-Präsident Donald Trump vorgestellten Friedensplans ist ein Durchbruch erzielt worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Hamas bestätigten eine Einigung auf die erste Phase des Plans, der den Weg zu einem Ende des Gaza-Kriegs ebnen soll. Neben den USA waren Katar, Ägypten und die Türkei an den Verhandlungen beteiligt.

Was wurde vereinbart?

Zunächst sollen die aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freigelassen werden. Dafür sollen sich die israelischen Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen - danach wird das Militär nach israelischen Regierungsangaben noch 53 Prozent des Gazastreifens kontrollieren. In dem Küstengebiet befinden sich noch 48 Geiseln, von denen nach israelischen Informationen noch 20 am Leben sind.

Israel soll im Gegenzug rund 250 wegen schwerer Straftaten zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Häftlinge und etwa 1.700 weitere Palästinenser freilassen, die nach dem 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden. Die Hamas teilte mit, die Vereinbarung sehe auch ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen vor. So geht es auch aus dem vom israelischen Fernsehsender Kan veröffentlichten Abkommenstext hervor.

Nach Angaben eines israelischen Regierungssprechers kommt der prominenteste palästinensische Häftling in Israel, Marwan Barghuti aus der Führungsebene der Fatah-Bewegung, nicht frei. Demnach sind auch die Leichen des getöteten Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar und die seines Bruders und Hamas-Militärchefs Mohammed al-Sinwar nicht Teil des Abkommens. Die Hamas hatte laut Verhandlungskreisen gefordert, dass Barghuti aus dem Gefängnis kommt. Er war 2004 wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Die US-Regierung hatte betont, dass die Geiselfreilassung absolute Priorität habe. In einer zweiten Verhandlungsphase sollen Bedingungen geschaffen werden, die einen Frieden langfristig sichern. So ist ein vollständiger Rückzug der israelischen Soldaten aus Gaza, den die Hamas fordert, laut Trumps Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit vor Ort sorgt. Auch um eine Entwaffnung der Hamas wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt gehen.

Was ist unklar?

Wann genau die Geiseln in den kommenden Tagen freigelassen werden - und ob es wirklich alle auf einmal sein werden - steht noch nicht fest. Zudem ist unklar, wann die sterblichen Überreste der Geiseln, die nicht überlebt haben, an Israel übergeben werden. Offen ist auch, welche palästinensischen Häftlinge Israel im Austausch für die Geiseln freilässt. Auch dies war ein Streitpunkt bei den Verhandlungen in Ägypten.

Die Hamas hatte sich damit einverstanden erklärt, dass der Gazastreifen nach Kriegsende zunächst von einer Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter Aufsicht eines internationalen Gremiums regiert werden soll. Unklar ist aber, ob sie damit auch der Forderung aus Trumps Friedensplan zustimmte, dass sie selbst dabei keine Rolle spielen darf. Diese Frage dürfte auch in weiteren Verhandlungen über eine zweite Phase behandelt werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach der Zustimmung des israelischen Kabinetts zu dem Abkommen in der Nacht auf Freitag werden laut dem vom Fernsehsender Kan veröffentlichten Zeitplan alle militärischen Einsätze sofort eingestellt - einschließlich Luftangriffen und Artilleriebeschuss sowie gezielter Operationen. Zudem sollen demnach unverzüglich Hilfslieferungen in den Gazastreifen gebracht werden.

Binnen 24 Stunden sollen sich die israelischen Streitkräfte demnach auf die vereinbarte Linie zurückziehen, innerhalb von 72 Stunden danach wiederum alle lebenden Verschleppten im Gazastreifen freigelassen und die Leichen toter Geiseln übergeben werden. Parallel soll Israel die palästinensischen Gefangenen freilassen. Der Austausch soll ohne öffentliche Zeremonie und ohne anwesende Medienvertreter vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz organisiert werden.

Trump könnte am Wochenende persönlich nach Israel reisen. Der israelische Parlamentsvorsitzende Amir Ohana lud ihn ein, vor dem israelischen Parlament zu sprechen, das Forum der Geisel-Familien regte ein Treffen mit den Angehörigen an. Er könne auch eine Rede auf dem sogenannten Geiselplatz in Tel Aviv halten, schlug das Forum vor. Dort fanden zahlreiche Kundgebungen und Versammlungen der vergangenen zwei Jahre statt, mit denen an das Schicksal der Verschleppten erinnert wurde. Eine Mitteilung der israelischen Präsidentenkanzlei lässt vermuten, dass Trump am Sonntag ankommen wird - eine offizielle Bestätigung des Weißen Hauses steht aber noch aus.

Wird die Waffenruhe von Dauer sein?

Israels Außenminister Gideon Saar sagte dem US-Sender Fox News: «Wir haben keinerlei Absicht, den Krieg wieder aufzunehmen.» Zugleich betonte er, dass die Hamas entwaffnet werden müsse.

Die palästinensische Terrororganisation ist nach ägyptischer Darstellung bereit, ihr Waffenarsenal im Rahmen des US-Friedensplans für Gaza quasi «einzufrieren», aber nicht ganz abzugeben. Die Hamas habe Israel den Vorschlag gemacht, ihre Waffen für fünf bis zehn Jahre nicht einzusetzen. Das sagte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, dem Nachrichtenkanal Al-Arabija. Zu einer kompletten Abgabe der Waffen seien die Islamisten nicht bereit.