Ihre Erkenntnisse revolutionierten die Quantentechnologie: Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an die Physiker John Clarke (Großbritannien), Michel Devoret (Frankreich) und John Martinis (USA). Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Die Physiker schufen demnach eine Grundlage für die Entwicklung der nächsten Generation der Quantentechnologie, darunter Quantenkryptografie, Quantencomputer und Quantensensoren.
Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (rund eine Million Euro) dotiert. Sie geht zu gleichen Teilen an die in den USA lebenden Forscher, die bei ihren Experimenten Mitte der 1980er Jahre zusammenarbeiteten. «Ich bin völlig überwältigt», sagte Clarke, als er nach Stockholm zugeschaltet wurde. «Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass dies in irgendeiner Weise die Basis für einen Nobelpreis sein könnte.»
Beispiele für die Quantentechnologie
Olle Eriksson, Vorsitzender des Nobelkomitees für Physik, sagte, es sei wunderbar, die schon hundert Jahre alte Quantenmechanik würdigen zu können, die immer wieder neue Überraschungen bereithalte. «Es ist auch enorm nützlich, da die Quantenmechanik die Grundlage aller digitalen Technologien bildet.» Transistoren in Computer-Mikrochips sind dem Komitee zufolge ein Beispiel für Quantentechnologie, die uns umgibt.
Die Vereinten Nationen haben das Jahr der Quantenforschung zur Feier von 100 Jahren Quantenphysik ausgerufen. Nach Angaben der Max-Planck-Gesellschaft läutete 1925 Werner Heisenberg in Göttingen die moderne Quantenphysik ein. Sein Ziel war es demnach, Atome mit einer Theorie zu beschreiben, die nur auf beobachtbaren Größen wie etwa der Helligkeit und Frequenz des Lichts basiert.
Bizarre Eigenschaften der Quantenwelt greifbar machen
Die diesjährigen Nobelpreisträger zeigten den Juroren zufolge anhand von Experimenten, dass die bizarren Eigenschaften der Quantenwelt in einem handlichen System greifbar gemacht werden können. Ihre Experimente belegten, dass quantenmechanische Eigenschaften auch auf makroskopischer Ebene demonstriert werden können.
«Ich halte das für eine sehr gute Auswahl, weil diese drei Personen wirklich ein Schlüsselexperiment gemacht haben, was auch lange angezweifelt wurde», sagte Christoph Strunk von der Universität Regensburg. Gewürdigt werde die Entdeckung, dass sich makroskopische, millimetergroße Strukturen nach den Regeln der Quantentheorie verhalten. «Das hatte man in der Zeit für völlig unmöglich gehalten», ergänzte Strunk. «Sie haben die Quantenphysik von der atomaren Ebene auf die makroskopische Ebene geführt.»
Durch die Wand: dem Ball unmöglich, für ein Teilchen machbar
Das Nobelkomitee veranschaulicht das Phänomen mit einem Ball: Dieser bestehe aus einer astronomisch hohen Anzahl von Molekülen und zeige keine quantenmechanischen Effekte: «Wir wissen, dass der Ball jedes Mal zurückprallt, wenn er gegen eine Wand geworfen wird.» Ein einzelnes Teilchen dagegen könne jedoch manchmal direkt durch eine solche Barriere hindurchkommen und auf der anderen Seite erscheinen.
«Dieses quantenmechanische Phänomen wird Tunneleffekt genannt.» Die Experimente der Preisträger hätten gezeigt, dass ein solches Quantentunneln auch auf makroskopischer Ebene mit vielen Teilchen beobachtet werden könne. Dazu schufen sie einen Stromkreis mit zwei Supraleitern - also Komponenten, die Strom ohne elektrischen Widerstand leiten können. Darin verhielten sich alle geladenen Teilchen im Supraleiter im Gleichklang: als wären sie ein einziges Teilchen, das den gesamten Stromkreis ausfüllt.
«Die drei Physiker haben einen elektrischen Schaltkreis, wie man ihn kennt aus dem Computer und dem Radio, auf ganz tiefe Temperaturen abgekühlt und dann gesehen, dass der sich beginnt, ganz merkwürdig zu verhalten, eben nach den Gesetzen der Quantenphysik», sagte Florian Marquardt, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen. Zuvor sei das nur für einzelne Atome und einzelne Elektronen beobachtet worden, «aber niemals für Milliarden von Elektronen, die sich in solch einem Schaltkreis gemeinsam bewegen. Das war der große Durchbruch.»
Rapide Entwicklung bei Quantencomputern
Zunächst sei es noch Grundlagenforschung gewesen, aber seit ungefähr dem Jahr 2000 sind diese Ergebnisse laut Marquardt die Grundlage für supraleitende Quantencomputer. Mit Quantencomputern könne man jedoch noch nicht die großen Aufgaben lösen, die man vorhabe. «Ich würde eher sagen, dass die Quantencomputer in den letzten zehn Jahren eine explosionsartige Entwicklung durchgemacht haben, und wenn das jetzt noch zehn Jahre weitergeht, dann kann man wirklich hinkommen zu den tatsächlich kommerziell relevanten Anwendungen.»
Man könne noch nicht absehen, wofür Quantencomputer einmal genutzt würden, sagte Strunk. Die ersten Anwendungen könnten in Richtung Kryptographie gehen, das Verschlüsseln und Entschlüsseln von Daten. Der Einsatz insgesamt sei aber noch weit in der Zukunft. Auch bei den ersten Röhrencomputern habe kein Mensch erkennen können, was man damit einmal alles machen werde.
Der 83 Jahre alte, in Großbritannien geborene Clarke kommt von der US-University of California in Berkeley. Devoret, University of California in Santa Barbara und Yale University, wurde 1953 in Paris geboren, Martinis, ebenfalls University of California in Santa Barbara, ist Jahrgang 1958.Nobelreigen geht in dieser Woche weiter
Am Mittwoch wird verkündet, wer den diesjährigen Chemie-Nobelpreis erhält. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis. Der Reigen endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.