Auf dem Weg zum Unternehmen MITA an der Regerstraße in Bielefeld geht es mit Blick in die Baumwipfel des Teutos ganz schön bergauf – zu einem schmucken, historische Stadthaus. Auf dem Balkon steht ein Mitarbeiter und telefoniert übers Headset. Vor dem Haus parken einige dunkle Autos beeindruckenden Ausmaßes. „Die sind typisch für IT-Berater", sagt Christian Bleeker und lacht. Obwohl der Gründer des Unternehmens selbst mit dem mintfarbenen E-Scooter da ist, wurden die Weichen für seinen beruflichen Werdegang auch in einem Auto gestellt – allerdings auf dem Rücksitz.
Wofür steht das Unternehmen MITA in Bielefeld?
Denn er konnte wahrscheinlich noch nicht übers Lenkrad blicken, als er während der Fahrt aus dem Fenster schaute und seinen Eltern sagte: „Da will ich später mal arbeiten." Mit „da" war Dr. Oetker gemeint – und „da" absolvierte er Jahre später tatsächlich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Bleeker kümmerte sich beispielsweise in der Personalentwicklung um Studentenbindungsprogramme, ging für das Unternehmen nach Italien, um Auslandserfahrung zu sammeln, und studierte berufsbegleitend BWL. Schließlich wechselte er zu einem unternehmenseigenen IT-Dienstleister in den Vertrieb – und kam dort auf den Geschmack. Er fand gefallen daran, IT-Themen in die Sprache der Kunden zu übersetzen. „Ich war wahrscheinlich der einzige IT-Berater, der eigentlich gar kein IT-ler ist", sagt der 32-Jährige und lacht.

Der Wunsch, für Ehrlichkeit und Transparenz und damit dafür zu sorgen, dass sich Kunden und IT-Anbieter auf Augenhöhe begegnen können, ließ ihn nicht mehr los. Auch im Hinblick auf die hohen Summen, um die es in diesem Markt für Kunden und Anbieter häufig geht. Auf langen Fahrten zum Kunden und zurück nahm er auf den Autobahnen der Republik immer mehr Gestalt an.
Zusammen mit der Suche nach dem nächsten beruflichen Abenteuer war es 2017 schließlich so weit. Christian Bleeker gründete MITA, was für „Mittelständische IT-Allianz" steht. „Ich finde, das klingt vertrauenswürdig und groß", sagt Christian Bleeker. „Dabei war es die wohl kleinste Allianz der Welt." Denn der Unternehmer startete allein mit einem alten Tisch aus dem Keller und zog sich einsam und allein businessmäßig an, um sich „irgendwie nach Arbeit" zu fühlen.
Eigentlich erwartet man bei diesem Auftakt eine glanzvolle Gründungsgeschichte – und die wird Bleeker auch noch erzählen. Doch der fröhlich wirkende Unternehmer, bei dem die Augen immer mit lachen, spart auch einen Knick in der Gründungsgeschichte nicht aus. Denn vor ungefähr einem Jahr um diese Zeit musste er seine Flitterwochen abbrechen, weil er„so gut wie vor dem Nichts stand".
IT-Beratung professionell gestalten
Doch wie konnte es soweit kommen? Denn nachdem Christian Bleeker seinen Schreibtisch im August 2017 bezogen hatte, schienen sich die Dinge erstmal sehr positiv zu entwickeln. „Ein Meilenstein war, als ich im November den ersten Mitarbeiter eingestellt hatte." Es folgten weitere – bis das Team relativ schnell das Dutzend voll hatte. Und wie das bei einem jungen Unternehmen oftmals so ist, wurde zusammen gegrillt, gefeiert und die ersten Erfolge wurden zelebriert. „Wir sind schnell gewachsen, aber ohne Struktur oder richtigen roten Faden." Das Lächeln von Christian Bleeker verschwindet für einen Moment. Er holt tief Luft und sagt: „Ich wollte eigentlich nie ein Chef werden – und habe diese Rolle nicht richtig ausgefüllt." Was dann passierte: Jeder Mitarbeiter übernahm die Rolle für sich ein bisschen mit – und jeder bot einfach an, was an Kompetenzen da war. Das Unternehmen entwickelte sich zu einer „Wald-und-Wiesen-IT-Beratung".
Die Konsequenz daraus bekam Bleeker vor gut einem Jahr im Oktober 2019 zu spüren. „Ich musste meine Flitterwochen in Sansibar abbrechen, denn es war fast alles verloren", sagt er und lässt den Blick zu seinem Hochzeitsfoto auf der Fensterbank schweifen, auf dem seine Frau einen Blumenkranz trägt.
Fast alles verloren heißt, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter gekündigt hatte. „Das war die schlimmste Nacht meines Lebens: Denn es war so gut wie nichts mehr übrig von der MITA – und von mir auch nicht."
Bleeker fühlte sich innerlich gescheitert, sah nur noch schwarz. Der Grund für die Entwicklung war ihm aber insgeheim klar. „Wir haben gemacht, was man nie machen soll: Wir sind dem Erfolg hinterher gerannt." Im Nachhinein bewertet er diese Krise als „größtmögliche Chance, uns neu zu sortieren". Dadurch, dass alles Schlechte zeitgleich eingetreten sei, habe er einen absolut klaren Blick gehabt, eine neue Ausrichtung zu entwickeln.
„Wir haben uns zu 100 Prozent dazu entschieden, nur noch aus der Perspektive der Kunden zu beraten." Keinen Spagat mehr zwischen Kunde und Hersteller zu machen und auch die Anfragen nach dem Motto „Könnt ihr mal eben ..." abzulehnen.
Damit verzichtete Bleeker auch auf rund 50 Prozent des siebenstelligen Umsatzes. „Dann lieber nur noch die Hälfte – aber fokussiert und glücklich dabei", sagt er.
In Teamarbeit baute das Unternehmen ein Wertegerüst auf, das als Flipchart in seinem Büro hängt. Darauf stehen Worte wie Transparenz, Ehrlichkeit, Vertrauen und „Anti-Fatzkeritis". Wichtig machen zählt also nicht bei der neuen MITA. Die Kehrtwende, sich nur noch um die bestmögliche IT-Bezugssituation der Kunden zu kümmern – das so genannte IT-Sourcing – kam gut an. Schnell hat das Unternehmen neue Mitarbeiter gefunden und den Kundenstamm erweitert.
Steigender Umsatz bei MITA durch Richtungswechsel
Und obwohl das alles noch nicht sehr lange her ist, hat MITA schon jetzt den Umsatz, auf den das Unternehmen zugunsten der Neuausrichtung verzichtet hat, so gut wie wieder aufgeholt. Und rechnet sogar mit dem bislang besten Ergebnis der Firmengeschichte. Und was ist mit Christian Bleeker?
Der hat sein Lächeln natürlich längst wiedergefunden. „Mir gehts richtig gut, mir gefällt die MITA 2.0 viel besser als die alte."
Auch seine Rolle als Geschäftsführer hat er neu gestaltet. „Heute weiß ich, Chef zu sein, heißt nicht, dass man die Verantwortung und die Probleme allein tragen muss, nur weil man Angst hat, Schwäche zu zeigen."
MITA verfügt beispielsweise seit kurzem über ein rollierendes Managementboard. Das heißt: Immer zwei Mitarbeiter sind an Christian Bleekers Seite, wenn es darum geht, Entscheidungen nach dem Prinzip der Zweidrittelmehrheit zu treffen. Alle vier Monate wechseln die Mitarbeiter.
„Mir ist es wichtig, als Unternehmer einfach immer die Wahrheit zu sagen." Bei MITA sei eine Kultur geschaffen worden, in der jeder sein kann, wie er ist. In dem Bewusstsein, dass auch mal Fehler passieren können. „Ich glaube, dass wir damit lange erfolgreich sein können." Christian Bleeker hat sich sogar zum Ziel gesetzt, Marktführer auf dem Gebiet des IT-Sourcings zu werden.
Und für ihn persönlich ist die Entwicklung seit der Krise sowieso schon der größte Gewinn. „Der Job als Geschäftsführer macht mir heute eine Menge Spaß und ich möchte das noch lange machen."