
Klick, die Literflasche Milch landet im digitalen Einkaufswagen. Klick, noch Gurken, Äpfel und Kartoffeln dazu. Ach, und das Mehl ist auch aufgebraucht. Klick. Kurz nach dem Ausbruch der Corona-Krise und den damit vor allem im Frühjahr verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens haben fast doppelt so viele Verbraucher ihre Lebensmittel im Internet eingekauft wie zuvor. Bei einer Befragung des Digitalverbands Bitkom im April gaben 30 Prozent der Befragten an, dass sie Lebensmittel häufig oder hin und wieder im Netz bestellen. Ohne Ansteckungsrisiko, ohne Mund- und Nasenschutz, ohne miterleben zu müssen, dass Mitmenschen sich nicht an die Abstandsregeln halten – eben ohne mulmiges Gefühl.
Digitaler Wochenmarkt boomt
Eine Entwicklung, von der auch Wochenmarkt24 profitiert. Der Onlineshop für regionale Lebensmittel bringt Hofläden in OWL in Klickreichweite. Obst und Gemüse, Milch, Käse und Eier, Wurst und Fleisch, Brot und Backwaren, Eingemachtes und Fertiges – alles aus der Region, alles von etablierten Höfen und Hofläden, Bäckereien und Metzgereien, Restaurants und Cafés. Jedes der Produkte kann vom Kunden zurückverfolgt werden.
„Die Zeit war Wahnsinn", fasst es Vorstand Eike-Claudius Kramer zusammen. Wenn er zurückblickt, kann er einen entscheidenden Wendepunkt zu Beginn der Corona-Pandemie festmachen: „Als die Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, ist bei uns die Nachfrage explodiert." Die Menschen waren verunsichert und suchten händeringend Einkaufsalternativen zum vermeintlich gefährlichen Gang in den Supermarkt. „Innerhalb von zwei Wochen haben wir nicht mehr nur 200 Auslieferungen pro Nacht gestemmt, sondern plötzlich 500." Während der Umsatz sich verdoppelt hat, war die Kühlhauskapazität zwischenzeitlich ausgeschöpft, zudem musste Kramer innerhalb kürzester Zeit weitere Fahrer finden, die die Lebensmittel über Nacht bis zur Haustür der Kunden bringen. „Wir waren sechs Tage die Woche voll ausgelastet." Die eigenen Werbemaßnahmen stellte Wochenmarkt24 deshalb kurzzeitig auch erst einmal ein.
Online-Lebensmittel für OWL
Ganz im positiven Sinne sei die Nachfrage „eskaliert und es war bis ungefähr Mitte Mai ein enormer Kraftakt, bei dem wir alle ganz schön Federn gelassen haben". Bis Mitte Juni war für die mittlerweile 17 Fahrer kein einziger Urlaubstag drin. „Eine positive Belastungsprobe." Der Umsatz aber hat sich in der Zeit verdoppelt. Vor fünf Wochen hat Wochenmarkt24 eine neue, größere Halle an der Ravensberger Bleiche im Bielefelder Süden bezogen. Und es sind neue Erzeuger in die Genossenschaftsfamilie aufgenommen worden. „Wir hatte Nachfragen von Gastronomiebetrieben, die zu der Zeit sehr gelitten haben." Und so hat Wochenmarkt24 nun auch Produkte von Restaurants wie dem Tomatissimo im Onlineshop.
Aber auch die Kundschaft hat sich in den vergangenen Monaten verändert. „Wir haben viele ältere Kunden dazugewonnen, die zur Risikogruppe gehören und sich aus Sicherheitsgründen nun trauen, online zu bestellen." Bestellt haben die Kunden in der Corona-Hochphase alles, was ihren täglichen Lebensmittelbedarf deckte.
Mittlerweile lässt der Boom wieder etwas nach. „Viele fühlen sich wieder sicherer und kaufen wieder normal im Supermarkt ein." Deshalb werden online auch wieder verstärkt die besonderen Produkte wie Biomilch und -fleisch eingekauft, als Ergänzung zum analogen Einkauf. Für Kramer und seine vier Kollegen ist das vollkommen in Ordnung. Zeit zum Durchschnaufen und zum Lernen. „Wir schauen uns genau an, was in dieser Ausnahmezeit gut funktioniert hat und was noch verbesserungswürdig ist." Das Ziel sei nun, die Zuwächse zu halten und zu sichern. „Wenn uns das gelingt, ist das ein riesiger Erfolg."
Bio-Lebensmittel liefern lassen
E-Commerce mit Lebensmitteln sei ein hartes Geschäft. „Die Kunden erwarten Perfektion, auch bei organischen Produkten, erstaunlicherweise besonders bei Bio-Lebensmitteln." Hat der Apfel eine braune Stelle, wird das durchaus schon reklamiert, online sogar sehr schnell in nur wenigen Klicks. Das Beschwerdemanagement sei deshalb eine Herausforderung, so Kramer.
Passend zum zweijährigen Geburtstag am 5. September ist Wochenmarkt24 so erfolgreich wie nie. Mehr als 10.000 Kunden haben mindestens einmal bestellt. Das Liefergebiet ist ebenfalls gewachsen. Die weißen Lieferwagen sind nun vom nördlichen Kreis Herford bis ins südliche Rheda-Wiedenbrück sowie von Halle und Werther bis Leopoldshöhe und Bad Salzuflen unterwegs. „Mehr als 100.000 Endkunden haben wir in den vergangenen zwei Jahren beliefert", zieht Kramer Bilanz. 2.500 verschiedene Produkte sind in den digitalen Regalen mittlerweile zu finden.
Wochenmarkt24 ist auf allen Ebenen größer geworden, aus anfangs 13 sind mittlerweile 27 regionale Erzeuger zwischen Herford, Bielefeld und Gütersloh geworden. Hinzu kommen 50 kleinere Unterlieferanten aus der Region wie zum Beispiel Imker, die die Logistik größerer Erzeuger mitnutzen. „Sie profitieren von der Logistik und vom erweiterten Kundenkreis, wir haben dadurch eine größere regionale Vielfalt und noch mehr authentische Erzeuger", fasst Kramer zusammen.
Die Vorteile der Genossenschaft
Mit dem Wachstum kommen auch neue Pläne. Wochenmarkt24 will ins Osnabrücker Land expandieren. Eine Regionalmanagerin ist bereits eingestellt worden, die dort regionale Erzeuger finden soll, die sich dem Genossenschaftsprinzip anschließen.
Denn Wochenmarkt24 ist als Genossenschaft ein Unternehmen der Landwirte und Hersteller, wie Kramer immer wieder betont. „Die Erzeuger sind ihr eigener Herr. Ihnen gehört der Laden." Wochenmarkt24 sei der Postbote zwischen ihnen und den Konsumenten. An dem Preis eines Produktes verdient Wochenmarkt24 20 Prozent für den Onlineshop und die Logistik. Die anderen 80 Prozent fließen komplett an die Erzeuger. Zwischenhändler gibt es nicht. Ein entscheidender Vorteil gegenüber Wettbewerbern. „Bei uns gibt es keine Abhängigkeiten." Entscheidungen zum Beispiel über Preise treffen die Erzeuger eigenständig und demokratisch. „Bei uns gibt es keine Discountpreise. Aber die Erzeuger haben sich freiwillig verpflichtet, ihre Produkte online zum selben Preis anzubieten wie in ihrem Hofladen oder auf dem Wochenmarkt."
So funktioniert es für den Kunden
Und wie funktionierts für die Kunden? Sie können wochentags bis 18 und samstags bis 14 Uhr über den digitalen Wochenmarkt schlendern und online bestellen. Spätestens bis 6 Uhr früh am Folgetag wird der Online-Einkauf über Nacht direkt vom Erzeuger per Lieferwagen bis vor die eigene Haustür gebracht. Versandkostenfrei an sechs Tagen in der Woche, nur montags nicht. Die Fahrer klingeln nicht. Stattdessen können die Kunden vorab einen Ort festlegen, an dem die Lieferung deponiert werden soll: direkt vor der Haustür, unter dem Carport oder vielleicht unter einem Treppenabsatz. Um die Waren in den Nacht- und Morgenstunden optimal kühl zu halten, können Kunden eine spezielle Frischebox erwerben. In dieser Thermobox befindet sich ein austauschbarer Kühlakku. Diesen tauscht der Fahrer bei der Anlieferung gegen einen neuen aus und verstaut die Waren in der Box.
Dass die Ware über Nacht ausgeliefert wird, hat einen Vorteil: „Es ist weniger Verkehr. Das spart Zeit beim Liefern", sagt Kramer. Zudem sind die Erzeuger auf diese Weise am Tage flexibel, wann sie die bestellten Waren zusammenstellen. Und die Kunden? „Sie sparen sich die Wege zum Supermarkt, zum Wochenmarkt, zum Hofladen und zur Metzgerei."