Alternative Kunst

Was ist Physical Comedy?

Der Hannoveraner Robert Wicke hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Als Jongleur, Comedian und Beatboxing-Künstler begeistert der 44-Jährige sein Publikum derzeit mit dem Ensemble der Varieté-Show „Clowns Factory“ in Bad Oeynhausen.

Pointen im Visier: Als Regisseur hat Robert Wicke mit seinem Kollegen Edouard Neumann „Clowns Factory" konzipiert.  | © Alexander Jenniches

30.09.2020 | 21.10.2020, 15:36

Ein Mann mit einem grünem Hoodie und hellgrauer Hose fährt mit dem Skateboard entspannt über den Asphalt vor dem Kaiserpalais im Bad Oeynhausener Kurpark. Er steigt ab, nimmt das Brett mit gelben Rollen entspannt unter den Arm und begibt sich zum Eingang des historischen Gebäudes. Es ist Robert Wicke. Nach drei Tagen mit seiner Familie, ist er aus seiner Heimatstadt Hannover nach Bad Oeynhausen zurückgekehrt. Dort steht der Jongleur, Beatboxer und Comedian noch bis Anfang November mit seinen Künstlerkollegen im GOP Varieté-Theater auf der Bühne. Sie entertainen gemeinsam in der Jubiläumsshow „Clowns Factory". Zum 20. Geburtstag des Theaterhauses in der Kur-stadt im Süden des Kreises Minden-Lübbecke wird sie gespielt. Robert Wicke ist ein freundlicher Mensch. Er lacht, wirkt gut gelaunt. Mit einem lockeren Ellbogen-Check, der sich aktuell in der Corona-Zeit immer mehr etabliert, begrüßt er seine Gesprächspartner. Dann geht er kurz zwei Schritte zurück, nimmt mit Sicherheitsabstand seine Mund-Nasen-Schutz-Maske ab und beginnt zu erzählen.

Künstler in der Corona-Krise

„Ich freue mich sehr, dass wir wieder auf der Bühne spielen können. Nachdem Lockdown hatte ich nicht damit gerechnet, dass das schon im Sommer wieder möglich ist", sagt er. „Es war zwischendurch unsicher, dass es in diesem Jahr überhaupt wieder möglich wird." Der 13. März – ein Freitag, der 13. – bleibt dem Künstler aus Hannover, der im November 45 Jahre alt wird, wohl noch lange in Erinnerung. „Abends haben wir zum letzten Mal vor dem coronabedingten Auftrittsverbot in Essen unsere Show spielen dürfen", erinnert er sich zurück. Wicke schweigt für einen kurzen Moment. Er wirkt nachdenklich. Mit der Weltpremiere der Show „Funky Town" war ihm im GOP als Varieté-Regisseur das Debüt gelungen. „Ein ganz besonderer Moment" für den Familienvater.

Skateboarder: Von Hannover fährt Robert Wicke mit dem Zug nach Bad Oeynhausen. Er tritt im GOP auf.  - © Alexander Jenniches
Skateboarder: Von Hannover fährt Robert Wicke mit dem Zug nach Bad Oeynhausen. Er tritt im GOP auf.  | © Alexander Jenniches

„Ich bin froh, dass wir die Show gespielt haben, bevor es nicht mehr erlaubt war. Auch wenn es nur ein paar Auftritte waren. In Hannover haben wir vom 3. Juli bis 23. August ,Funky Town’ spielen können." Die Idee für diese Show entwickelte Robert Wicke 2017. „Per Whatsapp habe ich Werner Buss, den künstlerischen Direktor der GOP Varieté-Theater gefragt, ob er Interesse hat und er hat sich sehr schnell für eine Zusage entschieden", erklärt Wicke – mit einem Augenzwinkern. Mit Humor und seiner Körpersprache zieht er sein Publikum in seinen Bann. Jonglage, Slapstick, Clownerie und Beatboxen mit Musikelementen bringt der Hannoveraner auf die Bühne. Physical Comedy heißt sein Genre.

GOP-Jubiläum in Bad Oeynhausen

In „Clowns Factory" begeistert er mit seinen „Clownkollegen" Edouard „Eddy" Neumann („Eduardissimo") und Klaus Loch („Herr Riesling") sowie Artisten, Akrobaten und einer Schwertschluckerin auf der Bühne. Außerdem führen Neumann und Wicke gemeinsam Regie. Es ist das zweite Regie-Projekt für den Jongleur und Beatboxer.

Mit Edouard Neumann verbindet Robert Wicke aber auch eine „wundervolle Zeit" im Circus Roncalli. „Daher kennen wir uns. Ich schätze Eddy sehr, als Regisseur gefällt mir ganz besonders seine genaue und zielstrebige Herangehensweise. Er hat mir in den letzten Tagen und Wochen viele neue Sichtweisen und Erkenntnisse beschert über die ich mich sehr freue. Ich habe viel gelernt", sagt Wicke. Das Teamwork des Ensembles sei insgesamt gut.

Ursprünglich sollte zum GOP-Jubiläum in Bad Oeynhausen eine andere Show gespielt werden: „Circus". Mit Künstlern aus Kiew. Doch die Ukrainer durften wegen Corona nicht einreisen. Werner Buss fragte Neumann und Wicke, ob sie spontan als Regisseure und Bühnenkünstler mitwirken würden. Sie sagten innerhalb kürzester Zeit zu. Robert Wicke: „Nach einem Treffen in Hannover sind uns bis zur Premiere nur drei, vier Wochen Zeit geblieben, aber es hat zum Glück funktioniert." Auch, weil die anderen Künstler ihre Nummer perfekt beherrschten und sehr gut vorbereitet hatten und bei den Proben die gemeinsamen Choreographien im Fokus gestanden hätten.

Fan der Hip-Hop-Szene

Zu den größten Leidenschaften Wickes gehört neben der Jonglage, die er zu Schulzeiten erlernte, Beatboxing. Mit Mund, Zunge, Lippe, Nase und Rachen werden dabei zum Beispiel Schlagzeug- und andere Musik-Rhythmen und Klänge erzeugt. „Als Fan der Hip-Hop-Szene fand ich Beatboxen mega cool. Das war Anfang der 90er Jahre. Das hat sich zu meiner absoluten Leidenschaft entwickelt. Ich habe mich intensiv mit Beatboxing befasst", sagt der kreative Künstler. Auf der Bühne habe er sich aber zunächst weiter auf Jonglage und Comedy konzentriert.

Robert Wicke: „Die Idee, Beatboxen in meine Shows zu integrieren, hatte ich erst relativ spät. 2005 bei einer Show, passender Weise im GOP in Bad Oeynhausen, habe ich es dann gemacht. Das hat gut funktioniert."

2005 sei aber auch sonst ein wichtiges Jahr für die Beatboxer-Szene gewesen. „Youtube ging online und wir hatten eine Plattform, um uns mit unseren Sounds und Ideen auszutauschen", sagt der 44-Jährige.

Und dann ist er ganz in seinem Element. Er beatboxt. Mitten im Kurpark. An den Fontänen, unterhalb des Kaiserpalais. Menschen bleiben stehen, sie lauschen und freuen sich. Robert Wicke: „Ohne mein Künstleroutfit würden die Leute denken, ich habe einen an der Klatsche." Er lacht. Absolut authentisch.

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Japan und Circus Roncalli

Auf dem Maschsee-Fest in Hannover, seiner Heimatstadt, ist Robert Wicke bereits als Jugendlicher aufgetreten. Seine Leidenschaft für das Jonglieren hat er als Schüler für sich entdeckt: „Ich habe jeden Tag trainiert. Sogar in den Schulpausen."

Mit Jongleur-Kollegen und der Gruppe „Ikarus" war Robert Wicke in den 1990er Jahren unterwegs: „Wir waren als Straßenkünstler zum Beispiel in Spanien Italien, Frankreich und Norwegen."

Bei einem seiner Auftritte beim sommerlichen Fest am bekanntesten See der Landeshauptstadt von Niedersachsen wurde das Talent von Robert Wicke von den Managern eines 
japanischen Freizeitparks entdeckt. Durch diesen Kontakt ergab sich ein dreimonatiges Engagement für den Künstler in Japan. 1998 auf der Insel Hokkaidō.

„Das war damals eine absolute Grenzerfahrung. Ich habe sechs Wochen lang vier Mal pro Tag draußen gespielt. Und vor allem bei Regen. Manchmal waren nur zwei Zuschauer da", erinnert sich Wicke. 1999 kehrte er für drei Monate nach Japan zurück und machte „zum Glück deutlich bessere Erfahrungen". Karriere-Highlights: Vier Jahre im Circus Roncalli – mit 1.499 Zuschauern pro Vorstellung. Außerdem diverse Varieté-Shows in den sieben GOP-Theatern von Bremen bis München.