Ein baldiges Ende der Flüchtlingskrise scheint nicht in Sicht

Harsewinkel. Nach dem großen Ansturm kommt eine kleine Verschnaufpause. Seit Anfang des Jahres wurden der Stadt kaum noch Flüchtlinge zugewiesen; es handelt sich in der Regel um Zusammenführungen. Ewald Lüffe, der im Rathaus als der zuständige Fachbereichleiter alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Betreuung und Unterbringung der Vertriebenen koordiniert, hat endlich Zeit, sich eine Woche Urlaub zu gönnen. Richard Zelenka sprach mit dem 62-jährigen Verwaltungsfachmann, der bereits seit 44 Jahren in den Diensten der Stadt steht. Herr Lüffe, ist die Flüchtlingskrise vorbei? Die Balkanroute ist dicht. Der Zustrom der Flüchtlinge wurde damit jetzt jäh gestoppt.Ewald Lüffe: Nein, die Flüchtlingskrise ist ein globales Problem. Wie sich die momentane Schließung der Balkanroute und die Vereinbarungen der EU mit der Türkei zukünftig auf die Zuweisung von Flüchtlingen nach Deutschland und nach Harsewinkel auswirken werden, kann derzeit wohl niemand seriös beantworten. Uns ist auch nicht bekannt, wie viele Flüchtlinge, die sich noch in Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW befinden, an die Kommunen weitergeleitet werden. In den vergangenen zwei Monaten wurden fast ausschließlich Zuweisungen an einige kreisfreie Städte vorgenommen, die die Quote nicht erfüllt hatten. Aber auch unabhängig von der Aufnahme von weiteren Flüchtlingen wird die Unterbringung und Integration der bereits anwesenden Flüchtlinge eine große Aufgabe für die Kommunen sein. Wie sehen die aktuellen Zahlen für Harsewinkel aus? Wo sind die Flüchtlinge untergebracht?Lüffe: Es sind derzeit noch rund 600 Flüchtlinge durch die Stadt untergebracht, obwohl nicht mehr alle untergebrachten Flüchtlinge Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von der Stadt erhalten, sondern aufgrund der Anerkennung als Asylbewerber Leistungen vom Jobcenter. Wenn die anerkannten Flüchtlinge passende Wohnungen finden könnten, müssten wir sie nicht mehr unterbringen. Anerkannte Asylbewerber könnten Mietverträge abschließen, wenn das Jobcenter im Hinblick auf die Wohnungsgröße und die Mietkosten zustimmt. Wenigen ist es aber bisher gelungen, Wohnungen anzumieten. Untergebracht sind die Flüchtlinge in städtischen Wohnungen, in angemieteten Wohnungen, in einem angemieteten Hotel, in zwei städtischen Vereinsheimen, in einer reaktivierten Flüchtlingsunterkunft und in mehreren sogenannten Schwedenhäusern. Welche Kosten entstehen der Stadt aus der Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge?Lüffe: Die laufenden Kosten schwanken monatlich in Abhängigkeit von den Zuweisungen von Flüchtlingen und den Asylbewerbern, die anerkannt werden und damit in den Leistungsbezug des Jobcenters des Kreises Gütersloh kommen. Derzeit werden monatlich durchschnittlich etwa 300.000 Euro aufgewandt. Hinzu kommen die Kosten für die Baumaßnahmen und Einrichtung der Flüchtlingsunterkünfte. Den Kosten stehen die Erstattungen des Landes NRW gegenüber. Für 2016 wurden dafür insgesamt drei Millionen Euro zugesagt und eingeplant. Welche Perspektiven sehen Sie, die mit Flüchtlingen belegten Vereinsräume wieder freizugeben?Lüffe: Die Verwaltungsleitung ist sich einig, dass die zwei Vereinsheime, in denen Flüchtlinge untergebracht sind, in nächster Zeit weiterhin für die Unterbringung von Flüchtlingen gebraucht werden und somit ein Rückbau noch nicht erfolgen kann. Wir werden aber die Entwicklung nach Ende des Zuweisungsstopps an Harsewinkel beobachten. Die ehemalige JVA Flüchtlingsunterkunft am Prozessionsweg wurde saniert, insgesamt acht sogenannte Schwedenhäuser wurden bereits gebaut, vier weitere sind noch geplant. Werden diese Quartiere überhaupt noch benötigt, sollten die Flüchtlingszahlen weiterhin deutlich nach unten gehen?Lüffe: Ja, die Plätze werden benötigt. Wie bereits gesagt, geht die Verwaltung davon aus, dass es zukünftig wieder Zuweisungen an die Stadt geben wird. Außerdem wird der Großteil der bisher untergebrachten Flüchtlinge weiterhin untergebracht werden müssen, da entsprechender Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt aktuell nicht vorhanden ist beziehungsweise nicht angeboten wird. Zudem konnten wir den Flüchtlingen bisher nur wenig Platz bieten. Wenn die Unterbringung nicht ganz so dicht erfolgen müsste, wäre das für alle Beteiligten sicher besser. Was passiert mit diesen Einrichtungen nach der Flüchtlingskrise?Lüffe: Diesbezüglich dürften wir uns momentan, so denke ich, noch keine großen Gedanken machen müssen, weil nicht abzusehen ist, wie lange wir die Plätze noch brauchen. "Der ehrenamtliche Einsatz hat einen ganz hohen Stellenwert" Aber auch viele der &bdquo;Behelfsheime" der Nachkriegszeit stehen heute noch. Sie sind umgebaut und bewohnt oder werden, wie das Trockendock, als Jugendzentrum und demnächst auch als Kita genutzt. Viele Ehrenamtliche kümmern sich fürsorglich um die Flüchtlinge. Welchen Stellenwert hat der Einsatz der freiwilligen Helfer im Konzept der Stadt?Lüffe: Der Einsatz der ehrenamtlichen Helfer für die Flüchtlinge hat für die Stadt einen ganz großen Stellenwert, weil sie zum Beispiel dafür sorgen, dass die Termine zur Untersuchung der Kinder eingehalten werden und die Kinder in den Schulen und Kitas angemeldet werden. Die Behördensprache ist und bleibt Deutsch. Ohne Sprachkenntnisse könnten die Flüchtlinge die entsprechenden Einladungsschreiben gar nicht verstehen. Die anerkannten Asylbewerber, die schon eine Wohnung gefunden haben, haben dies meist nur durch die Mithilfe der Paten geschafft. Der Stellenwert wird auch durch den Einsatz einer hauptamtlichen Koordinatorin für die Ehrenamtsbetreuung deutlich. Die Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt wird durch die Stadt Harsewinkel finanziert. Konkrete Aussagen sind im Moment kaum möglich, aber wie wird sich die Flüchtlingssituation Ihrer Einschätzung nach in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln?Lüffe: Sie haben recht damit, dass konkrete Aussagen nicht möglich sind, deshalb gebe ich auch keine Prognose ab. Die Stadt Harsewinkel hat bezüglich der zukünftigen Zuweisung von Flüchtlingen derzeit keine anderen Erkenntnisse als jeder Bürger, der die laufenden Meldungen in den Medien verfolgt.

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