Extremwetter

Verkehr und Klimawandel: "Dann müssen eben Straßen verlegt werden"

Es stürmt - und sofort stellt die Bahn den Betrieb ein. Der Fall belegt, wie sehr die Verkehrswege den immer extremeren Naturgewalten ausgeliefert sind. Eine Expertenkommission hat radikale Ideen.

Überflutete Straßen, Bäume auf den Gleisen: Verkehrsadern in NRW werden künftig wohl häufiger von solchen Wetterextremen beeinträchtigt sein. | © Verwendung weltweit

Björn Vahle
25.03.2019 | 25.03.2019, 08:53

Bielefeld/Frankfurt. Die Sturmtiefs "Dragi", "Eberhard" und "Franz" haben Anfang März einmal mehr bewiesen, wie fragil das Verkehrsnetz ist, wenn das Wetter es auf die Probe stellt. Und schon jetzt prophezeien Meteorologen, dass Wetterextreme in Folge des Klimawandels nicht seltener werden. "Wir rechnen mit der Zunahme beider Extreme", sagte Fred F. Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Sommer 2018 und meinte Hitze und Starkregenfälle. Beides wirkt sich auf die Verkehrsinfrastruktur aus. Sind wir darauf vorbereitet?

Dieser Frage geht seit 2016 ein Expertennetzwerk nach, dem Verkehrsbehörden, der Deutsche Wetterdienst aber auch die Bundesanstalt für Gewässerkunde angehören. Ihr Ziel: "Verkehr und Infrastruktur an Klimawandel und extreme Wetterereignisse anpassen". Die Forscher und Verkehrsexperten wollen Ende des Jahres ihre Ergebnisse präsentieren. Dann werden sie wohl auch radikale Vorschläge machen, wie sich das deutsche Verkehrsnetz ändern muss.

Andreas Walter ist Klimatologe beim Deutschen Wetterdienst. Im Expertennetzwerk ist er für die Wetterdatenbasis zuständig. Er ist mitverantwortlich für den Entwurf von Szenarien, anhand derer abgeschätzt werden soll, welche Auswirkungen zu erwarten sind - und wie darauf reagiert werden sollte. Ihm zufolge gehören Stürme, Starkregen und Überflutungen, aber auch Hitze und Hangrutschungen zu den Phänomenen, die künftig häufiger auftreten und damit auch häufiger den Verkehr beeinträchtigen werden.

Bahn besonders gebeutelt

Das betrifft dann aber nicht nur die Bahn und den Autoverkehr. "Die Binnenschifffahrt wird bei Niedrigwasser Probleme bekommen", sagt Walter. Das war 2018 bereits so, als Tankstellen auch in NRW trocken lagen, weil auf dem halbleeren Rhein kaum Sprit aus dem Frachthafen Rotterdam nach Süddeutschland transportiert werden konnte. Eine Lösung könnte sein, Güter nach Genua anzuliefern, der Weg in den Süden der Republik wäre kürzer. Engpässe bei manchen Waren könnte es in NRW aber trotzdem vermehrt geben.

Von Extremwettern besonders gebeutelt war zuletzt das Netz der Deutschen Bahn. Im Januar 2018 legte Orkan "Friederike" das Netz lahm. Dasselbe schafften die oben genannten Tiefdruckgebiete vor etwas mehr als einer Woche noch einmal. Die Bahn reagiert in diesen Fällen vorsorglich. "Windgeschwindigkeiten ab 105 Stundenkilometern sind für uns das Signal", erklärte Achim Wolters, Leiter des Betriebsmanagements der Bahn, in einem Interview. Dann werde der Verkehr eingestellt. Die Bahn könne nicht bei jedem Wetterextrem fahren, "auch wenn das viele erwarten".

Ein Problem bei Stürmen: Bäume an den Trassen. Kippen sie auf die Schienen, kann es zu Katastrophen kommen. "Wenn man davon ausgeht, dass es künftig mehr Stürme gibt, muss das Grün an den Schienen natürlich entsprechend gepflegt werden", sagt Walter. Dass es vielerorts verschwindet, hält er nicht für wahrscheinlich. Die Bahn verfolgt auch einen anderen Plan. "Seit Anfang 2018 setzen wir den neuen „Aktionsplan Vegetation" um, der für einen robusteren Waldbestand entlang der Strecken sorgt – und damit für eine sturmsicherere Bahn. Am besten soll kein Baum mehr aufs Gleis fallen", sagte Wolters im vergangenen Dezember.

Wie sieht es an den Straßen aus?

An den Landesstraßen in NRW ist für das sogenannte "Begleitgrün" der Landesbetrieb Straßen NRW zuständig. Bäume stehen hier aus unterschiedlichen Gründen, sei es als Blendschutz oder zur Staubreduzierung. Ohne sie geht es also auch in Zukunft wohl nicht. Um die Sicherheit so gut wie möglich sicherzustellen, werden aber zum Beispiel kranke Bäume bei der jährlichen "Gehölzpflege" herausgenommen, erklärt Sven Johanning, Sprecher von Straßen NRW. "Wir haben Baumkontrolleure, die ständig Bäume prüfen."

Und trotzdem wurde im Sauerland vor einer Woche ein Mann in seinem Auto von einem auf die Straße stürzenden Baum getötet. Laut Johanning handelte es sich dabei um einen Baum auf Privatgelände, für den der Besitzer zuständig war. "Wir achten auch auf Nachbarbäume und versuchen mit den Leuten zusammenzuarbeiten", sagt Johanning. Die Gefahren ließen sich nur minimieren, nicht ausschließen. Grundlegende Änderungen an der Sicherung der Straßen mit Blick auf künftige Wetterlagen seien aber nicht nötig.

Die Fälle von Extremwetter werden häufiger

Besonders knifflig wird es dort, wo mehrere Verkehrswege in einem potenziellen Gefahrengebiet liegen. Walter nennt als Beispiel das Mittelrheintal (nahe der Loreley), wo Bahntrasse und Bundesstraßen direkt am zweitlängsten deutschen Fluß entlangführen. "Wenn es da eine Hangrutschung gibt, dann sind gleich alle Wege unterbrochen", sagt Walter. Je feuchter der Boden durch Niederschläge ist, umso heftiger fallen diese Rutschungen aus. "Dann muss man überlegen, Strecken ganz woanders hin zu verlegen", sagt Walter.

Mit solchen Ideen wird die Politik Ende 2019 konfrontiert werden. Dass es nötig sein wird, sie umzusetzen, hat die vergangene Sturmsaison gezeigt. Im Schnitt muss die Bahn laut Achim Wolters zwei bis dreimal im Jahr wegen Extremwetters den Verkehr punktuell einstellen. In der vergangenen Sturmsaison war das zwölfmal der Fall.