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Lothar Schmalen
29.01.2019 | 29.01.2019, 19:52
Düsseldorf
Verbale und nonverbale Gewalt: Alle halbe Stunden wird in NRW ein Polizeibeamter angegriffen. Staatsanwaltschaften wollen nun hart durchgreifen
Düsseldorf. Alle halbe Stunde wird in NRW ein Polizeibeamter im Einsatz angegriffen oder beleidigt. Die Gewerkschaft der Polizei hat für 2017 insgesamt 9.150 Vorfälle gezählt, bei denen 19.000 Beamte betroffen waren. Tendenz weiter steigend. Die Staatsanwaltschaften in NRW wollen jetzt schneller und härter gegen die meist jungen männlichen Täter vorgehen.
„Beamtenbeleidigung wird immer mehr zum Volkssport", berichtet Staatsanwältin Britta Zur, die bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Sonderdezernat leitet, das sich ausschließlich mit Fällen von Beleidigung und Gewalt gegen Beamte aller Art und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes befasst. Dabei seien die Täter nicht nur Betrunkene in der Düsseldorfer Altstadt, sondern auch Professoren auf dem Flughafen oder Anwälte und Lehrer bei einer normalen Fahrzeugkontrolle durch die Polizei, berichtet Zur. Opfergruppen sind nicht nur Polizeibeamte und Rettungskräfte, sondern längst alle Beamte, Beschäftige der Agentur für Arbeit und Gerichtsvollzieher. „Ich lerne jeden Tag neue unflätige Schimpfwörter dazu", sagt die junge Staatsanwältin mit einem säuerlichen Lächeln.
Frank Mischker, stellvertretender Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, berichtet aus Duisburg. Immer häufiger komme es bei normalen Fahrzeugkontrollen zu Rudelbildungen. Die Polizeibeamten würden bedrängt oder bedroht. Und er berichtet vom Einsatz zweier Streifenbeamter, die einfach nur gegen den Randalierer vor einer Haustür zu Hilfe kommen wollten. Der Randalierer habe zu fliehen versucht, sich dann plötzlich umdreht und geschossen. „Die junge Streifenbeamtin erlitt einen Durchschuss im Unterschenkel."
Seit dem 1. September 2018 gibt es das Sonderdezernat in Düsseldorf. Seitdem landeten 490 neue Verfahren bei Britta Zur auf dem Tisch. Die Staatsanwältin arbeitet mit ihrem Kollegen schnell und gründlich – so schnell, dass das zuständige Amtsgericht schon stöhnt. 330 Fälle seien inzwischen abgeschlossen. In 106 Fällen habe sie Anklage erhoben, in 36 Fällen Strafbefehle verschickt (Zur: „Die Beleidigung eines bislang nicht Vorbestraften kostet bei mir ein Monatsgehalt". In manchen Fällen war die Tat aber auch nicht nachweisbar, es standen rechtliche Hindernisse im Weg oder der Tatverdächtige war nicht auffindbar.
Vergleichbare Sonderdezernate gibt es auch bereits in Aachen und Köln. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) kündigte an, dass er die Einrichtung solcher Sonderdezernatet auch bei den anderen Staatsanwaltschaften im Land anregen wolle.
Ulrich Bogdahn, der Chef der Essener Feuerwehr, berichtet aus dem Alltag der Essener Sanitäter. Da schnalle sich während der Einsatzfahrt plötzlich ein Patient los und greife den Sanitäter an und trete ihn in den Unterleib. Oder an einem Rettungswagen, der nicht schnell genug von der Hauseinfahrt wegfahre, würden die Reifen zerschnitten. „Es ist mir völlig unverständlich, warum man Personen, die anderen helfen wollen, beleidigt oder gar tätlich angreift", sagt Minister Biesenbach.
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