Lemgo. Stapelweise reihen sich Lebkuchensterne an Herzen und Weihnachtsbäume. Einer nach dem anderen geht durch die geübten Hände von Tatjana Schulz. Mit leichtem Schwung aus dem Handgelenk lässt sie auf dem Weihnachtsgebäck bunte Schriftzüge, Tannenzweige oder rote Kerzen entstehen. Und während draußen sommerliche Temperaturen herrschen, dringt im Inneren der Lemgoer Lebkuchenfabrik Pahna der Duft nach weihnachtlichen Gewürzen in jede Ritze.
„Im Sommer ist die Arbeit am schwierigsten", erklärt Tatjana Schulz. Denn im Obergeschoss der Firma ist es aufgrund der stetig laufenden Backstraße und den unzähligen noch warmen Lebkuchen ziemlich warm. Da kommt man schon mal ordentlich ins Schwitzen, während ein „Frohe Weihnachten"-Schriftzug nach dem anderen seinen Platz auf einem der Sterne findet. Seit knapp 23 Jahren ist Tatjana Schulz Garniererin bei Pahna – sie hat das Dekorieren im Blut. „Eine kreative Ader braucht man, dann klappt das Verzieren nach rund einer Woche Übung schon ganz gut. Und nach zwei bis drei Monaten hat man den richtigen Schwung heraus", sagt sie und nimmt sich den nächsten Tannenbaum vor.
12.000 Lebkuchen werden täglich frisch gebacken
Zwischen März und April beginnt bei Pahna das Weihnachtsgeschäft. „Pro Tag entstehen hier zwischen 10.000 und 12.000 Lebkuchen – gut ein Viertel davon sind derzeit Weihnachtsmotive", verrät Geschäftsführerin Manuela Pahn. Ab Oktober werden die bunt verzierten Elche, Lebkuchenmänner oder Teddybären dann ausgeliefert – gebacken wird allerdings noch bis Ende November. „Und schon im Januar machen wir uns Gedanken über die nächste Weihnachtskollektion", sagt Pahn.
Den überall präsenten Lebkuchenduft nehmen sie und ihre Mitarbeiter längst nicht mehr wahr. „Aber die Familie zuhause erschnuppert den Geruch in der Kleidung sofort", sagt Schulz mit einem Schmunzeln. „Sehen kann ich die kleinen braunen Gebäckteilchen zwar noch, aber so richtig Appetit auf Lebkuchen habe ich inzwischen keinen mehr."
Dafür geht die Lemgoerin in ihren Verzierungen auf: 600 bis 700 kleinere Lebkuchen garniert sie pro Tag – je nach Aufwand. Und auch vor neuen anspruchsvollen Motiven wie Oldtimern oder Einhörnern hat sie keine Scheu. Die Lebkuchenproduktion ist eben Handarbeit – auch wenn einige Arbeiten inzwischen von Maschinen übernommen werden. „10 bis 15 Mal geht ein Lebkuchen dennoch durch die Hände unserer Mitarbeiter, bis er fertig für den Verkauf ist", erklärt Geschäftsführerin Pahn.
Früher gab es Kugelschreiber, heute Lebkuchenherzen
Grundsätzlich habe sich das Lebkuchengeschäft allerdings gewandelt. Seit rund 30 Jahren führt Pahn mit ihrem Mann das Lemgoer Familienunternehmen in dritter Generation. Längst hat die Firma ihre Nische gefunden und stellt ausschließlich bunt dekorierte Lebkuchenherzen und andere Figuren her. „In dieser Sparte ist die Konkurrenz nicht ganz so groß wie etwa im Bereich der klassischen Lebkuchen", erklärt Pahn.
Hauptsächlich gehen die verzierten Teilchen an Schausteller für Kirmes und Co. Aber auch als Werbeträger werden die Lebkuchen immer beliebter. „Kleine Geschenke müssen immer individueller werden – früher gab es vom Unternehmen einen Kugelschreiber, heute ist es ein individuell designtes Lebkuchenherz." Gleiches gilt für Hochzeiten, Taufen oder Geburtstage: „In diesen Bereichen liegt für uns noch viel Potenzial", sagt Pahn.
Geändert hat sich auch das Aussehen der Lebkuchen über die Jahre: Heute sind bauchige anstelle von länglichen Herzen beliebt. Und wo früher halbe Romane in Reimform prangten, lautet die Devise heute: kurz und knapp. „Abkürzungen und kurze Aussagen sind der Renner und natürlich aktuelle Trends, die heutzutage allerdings viel kurzlebiger sind als noch vor einigen Jahren."
Von Einhörnern bis hin zu den Minions seien die verschiedensten Motive möglich. Geblieben ist jedoch ein Klassiker, der nach wie vor gut ankommt: das rot-weiß verzierte Herz mit dem „Ich liebe dich"-Schriftzug. Und auch etwas anderes hat sich in fast 100 Jahren nicht verändert: das Rezept für die Lemgoer Herzen, Sterne und Weihnachtsbäume. Bis heute bleibt es jedoch ein gut gehütetes Familiengeheimnis.
Zwei Tonnen Lebkuchen pro Tag
Auch in Borgholzhausen läuft die Lebkuchenproduktion von Juni bis zum 2. Advent auf Hochtouren. In der Heinrich Schulze Ladencafé GmbH hat momentan das Weihnachtsgebäck Hochsaison, das in der Fabrik maschinell hergestellt wird. Dazu gehören laut Frank Domnowski unter anderem klassische Lebkuchen mit und ohne Füllung und mit verschiedenen Glasuren, aber auch Spekulatius. Gut zwei Tonnen Lebkuchen werden aktuell pro Tag in Borgholzhausen hergestellt.