
Düsseldorf. Es ist die vielleicht schwerste Niederlage, die der erfolgsverwöhnte Bonner FDP-Politiker Joachim Stamp (48) in seiner Karriere einstecken muss. Nun muss der abgeschobene islamistische Gefährder Sami A. tatsächlich nach Deutschland zurückgeholt werden, hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster entschieden.
Zwei Stunden und zwei Minuten nach den ersten Meldungen über die Klatsche vor dem hohen Gericht in Münster findet der NRW-Flüchtlingsminister die Sprache wieder. Die Stellungnahme, die seine Sprecherin Wibke Op den Akker verbreitet, klingt allerdings wenig selbstbewusst: „Das Gericht lässt uns ratlos zurück, weil es selbst gegenwärtige Hinderungsgründe anführt, die einer Rückholung entgegenstehen, die Rückholung von Sami A. aber dennoch unverzüglich einfordert", so Stamp.
Stamp: „Unser Kurs der konsequenten Abschiebung von Gefährdern wird unverändert fortgesetzt"
Und: Er bedaure, dass das Oberverwaltungsgericht sich mit der zentralen Frage, ob Sami A. in Tunesien Folter droht, inhaltlich nicht auseinandersetzt. Die Entscheidung des OVG habe er zur Kenntnis genommen, werte sie sorgfältig aus und prüfe, welche Schlussfolgerungen daraus auch für künftige Fälle abgeleitet werden müssten. Und dann trotzig: „Unser Kurs der konsequenten Abschiebung von Gefährdern wird unverändert fortgesetzt."
Die Opposition, auch wenn sie noch am Abend direkt oder indirekt seinen Rücktritt fordert, behandelt den Minister nach wie vor mit Respekt. „Joachim Stamp hat bereits frühzeitig für all das politische Verantwortung übernommen", sagt Stefan Engstfeld, der rechtspolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag. „Dafür gebührt ihm Respekt. Jetzt muss er aus dieser Verantwortung die zwangsläufige Konsequenz ableiten – aus unserer Sicht kann das nur sein Rücktritt sein", so der Grüne.
Tunesische Justiz beharrt auf ihrer Zuständigkeit in dem Fall
Die Stadt Bochum erläutert bereits am Abend, wie die Rückkehr des Mannes, den eigentlich keiner mehr in Deutschland sehen will, der nun aber, weil seine Abschiebung rechtswidrig war, zurückgeholt werden muss, vonstatten gehen könnte. Das Bochumer Ausländeramt werde jetzt eine sogenannte Betretungserlaubnis an die Anwältin des 42-Jährigen schicken. Im nächsten Schritt muss das Auswärtige Amt Sami A. ein Visum für die Einreise ausstellen. „Wir als Stadt geben der Anwältin von Sami A. jetzt eine Kostenzusage für den Rückflug", sagt Stadt-Sprecher Thomas Sprenger. Mehr könne die Stadt nicht tun.
Ob der Tunesier damit aber wirklich nach Deutschland zurückkehrt, ist unsicher. Die tunesische Regierung beharrt auf ihrer Zuständigkeit in dem Fall. Ein Sprecher des tunesischen Justizministeriums: „Die Untersuchung der tunesischen Justiz ist noch nicht abgeschlossen." Der Pass von A. bleibe eingezogen, so dass er nicht reisen könne. „Tunesien ist ein souveräner Staat und hat das Recht, über seine Bürger zu urteilen.
Sami A. soll militärische Ausbildung in Al-Kaida-Lager erhalten haben
Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. In einer früheren Entscheidung sah es das OVG als erwiesen an, dass er eine militärische Ausbildung in einem Al-Kaida-Lager in Afghanistan erhielt und zeitweise zur Leibgarde von Terrorchef Osama bin Laden gehörte. Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben.
Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten, entsprechende Zeugenaussagen gegen ihn bezeichnet er als falsch. 2006 leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, um zu klären, ob Sami A. Mitglied einer ausländischen Terrorgruppe war. Es wurde ein Jahr später eingestellt, weil sich der Tatverdacht nicht «mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit» erhärten lasse. Nach Angaben des NRW-Justizministeriums hat der Fall Sami A. allein zwischen 2006 und Juni 2018 schon 14 Mal Gerichte in Nordrhein-Westfalen beschäftigt.