Bielefeld

Fast jeder Dritte bricht das Studium ab

Die Abbruchquote an deutschen Hochschulen ist erneut gestiegen. Der Verbund der staatlichen Hochschulen in OWL baut deshalb ein Unterstützungsnetzwerk für Studienabbrecher auf.

Die Abbruchquote an den deutschen Hochschulen ist erneut gestiegen. | © picture alliance / Geisler-Fotopress

02.06.2017 | 02.06.2017, 10:14

Bielefeld. An deutschen Hochschulen bricht fast jeder Dritte das Studium in der Frühphase ab, zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie des deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Damit stieg die Abbruchquote im Vergleich zu früheren Untersuchungen von 28 auf 29 Prozent an.

Einen positiven Trend gibt es dennoch: Die große Mehrheit der Studienabbrecher findet sich ein halbes Jahr nach dem Abbruch in einem alternativen Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis wieder. Ein Studienaus muss demnach nicht automatisch das Karriereende bedeuten.

Laut Ergebnissen der vom Bildungsforschungsministerium beauftragten Studie fangen 43 Prozent der Ex-Studenten eine Ausbildung an, knapp 31 Prozent sind kurze Zeit später erwerbstätig. Denn Betriebe stellen Studienabbrecher gerne ein, erklärt der Geschäftsführer für Berufliche Bildung bei der Industrie- und Handeskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, Swen Binner. „Keiner denkt ans Scheitern, sondern an qualifizierte Bewerber, die mit ihren Erfahrungen den Betrieb positiv prägen können", sagt Binner. Daneben seien potenzielle Bewerber, die bereits ein paar Semester studiert haben, allein schon wegen ihres fachlichen Vorwissens beliebt.

Auch in der Region wird die steigende Abbruchquote ernst genommen. Daher arbeitet der Verbund der staatlichen Hochschulen in OWL, Campus OWL, in enger Kooperation mit externen Partnern, wie der Arbeitsagentur und der IHK, an dem Aufbau eines Unterstützungsnetzwerks für Studienzweifler und Studienabbrecher. Das Konzept hat erst kürzlich beim NRW-Wettbewerb zur Vergabe von Hochschulpaktmitteln überzeugt. Innerhalb der nächsten vier Jahre erhalten die beiden Universitäten Bielefeld und Paderborn sowie die Fachhochschule Bielefeld und die Hochschule OWL rund 924.000 Euro an Fördermitteln, um ihr Unterstützernetzwerk weiter auszubauen.

Versagensängste und Depressionen

„Wir können personell aufstocken. Außerdem wollen wir mehr in die Öffentlichkeit gehen, um die betroffenen Studenten noch besser erreichen zu können", sagt Projektkoordinatorin Marita Ripke, Leiterin der Studienberatung der FH Bielefeld. Denn die Dunkelziffer der Studienabbrecher sei vermutlich deutlich höher.

Für die Hochschulen in OWL ist es daher auch schwer repräsentative Statistiken ihrer Studienabbrecher aufzustellen. „Das liegt vor allem daran, dass eine Exmatrikulation verschiedene Gründe haben kann: ein erfolgreicher Abschluss des Studiums, ein Fachwechsel oder eben auch ein Abbruch", erklärt die Sprecherin der Universität Bielefeld, Sandra Sieraad. Die Angabe der Gründe sei zwar möglich, aber freiwillig.
Der häufigste Grund für einen Abbruch sind der bundesweiten Studie zufolge unbewältigte Leistungsanforderungen im Studium (30 Prozent), gefolgt von mangelnder Studienmotivation (17 Prozent) und dem Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit (15 Prozent).

„Versagensängste und Depressionen gehören bei uns auch immer wieder zu den Topthemen", weiß Ripke. Insbesondere seit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge habe sich der Leistungsdruck auf Studierende enorm erhöht.

Die große Mehrheit der Betroffenen möchte das Studium in der Regel trotz Zweifeln durchziehen, hat Ripke im Alltag der Studienberatung festgestellt: „Oft helfen wir, die letzten Hürden vor den entscheidenden Prüfungen zu überwinden." Doch genauso wichtig sei es, Abbrechern auf ihrem weiteren beruflichen Weg Alternativen aufzuzeigen und sie somit in die Arbeitswelt zu integrieren.

In OWL funktioniert das Beratungskonzept durch die Zusammenarbeit der einzelnen Institutionen gut. „Wir wollen den jungen Menschen klar machen, dass beide Wege gleichwertig sind. Egal, ob Studium oder Ausbildung", ergänzt Binner.

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Fakten zur Studie

Besonders gravierend wirkt sich das Massenphänomen Studienabbruch in mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen mit Quoten von 39 Prozent an Universitäten und 42 Prozent an Fachhochschulen aus. Knapp die Hälfte aller Abbrecher verlassen in den ersten beiden Semestern die Hochschule, weitere 29 Prozent im dritten oder vierten Semester. Die Studienabbruchquote wurde auf Basis des Absolventenjahrgangs 2014 berechnet. Dazu wurden 6.000 Exmatrikulierte, Fakultätsleitungen und Beratungseinrichtungen befragt.