Bielefeld

Darknet: Der dunkle Teil des Internets

Der letzte anarchische Raum des Internets ist mehr als ein Hort für Drogenhändler, Hacker und Betrüger

Tobias Schreiner
24.07.2016 | 24.07.2016, 19:25

Bielefeld. All das, was nicht über Suchmaschinen wie Google und Co im Internet erfasst werden kann, nennen Experten "Deep Web". Hier schlummern Datenbanken, Intranets, aber auch geheime Foren und Marktplätze in denen Kriminelle Drogen, Waffen und Schlimmeres verkaufen. Dieser dunkle Teil des Deep Webs ist bekannt als Darknet - der letzte anarchische Raum des Internets.

In den Fokus des öffentlichen Interesses rückte das Darknet bisher vor allem durch spektakuläre Kriminalfälle. In Bielefeld wurde ein 25-Jähriger zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er Drogen über das Darknet-Portal Shiny Flakes gekauft und gewinnbringend weiterverkauft hatte.

Der Gründer des Internet-Drogenmarktplatzes "Shiny Flakes", Max S. aus Leipzig, soll mit nur 20 Jahren fast eine Tonne Drogen aus seinem Kinderzimmer heraus verkauft haben. Aktuell wird in Münster ein Fall verhandelt, in dem ein Mann aus Gronau ebenfalls Drogen über das Darknet verkauft haben soll.

Dunkle Machenschaften: Der Teil des Internets, der für die Suchmaschinen unsichtbar ist, heißt Deep Web. Ein kleiner Teil des Deep Web wird von Kriminellen genutzt. Sie verkaufen hier Drogen, verbreiten Kinderpornos und heuern Auftragsmörder an. | © DPA
Dunkle Machenschaften: Der Teil des Internets, der für die Suchmaschinen unsichtbar ist, heißt Deep Web. Ein kleiner Teil des Deep Web wird von Kriminellen genutzt. Sie verkaufen hier Drogen, verbreiten Kinderpornos und heuern Auftragsmörder an. | © DPA

Knapp 50.000 Cybercrime-Straftaten im Jahr 2015

Nachdem das digitale Seitensprung-Portal Ashley Madison im August gehackt worden war, veröffentlichten die Hacker die persönlichen Daten von etwa 37 Millionen Nutzern im Darknet.

Das BKA unterscheidet im Bereich Internetkriminalität zwischen Cybercrime im engeren Sinne (Hacking-Angriffe und Betrugsfälle) und Cybercrime im weiteren Sinne (das Internet ist Tatmittel, z.B. beim Drogenhandel).

Im vergangenen Jahr erfasste das BKA 49.925 Straftaten aus dem Bereich Cyber Crime im engeren Sinne. Computerbetrug mache laut den Behörden 2014 mit 22.308 Fällen den Großteil der Straftaten aus. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erfasste 2014 sogar 14,7 Millionen Internetstraftaten. Beide Statistiken erfassen jedoch nur solche Straftaten, die direkt im Internet begangen wurden - wie zum Beispiel Hacking-Angriffe oder Betrugsfälle.

Wie die Behörden im Darknet ermitteln

Cybercrimefälle im weiteren Sinne, in denen das Internet nur Tatmittel ist, wie zum Beispiel der Handel von Drogen, Waffen und Kinderpornos, werden in den genannten Statistiken nicht erfasst, erklärt BKA-Experte Martin Nolte. Er ist Referatsleiter des Fachbereichs Cyberkriminalität beim BKA. "Wir als Polizei beschäftigen uns immer mehr mit diesem Thema. Besonders gestiegen ist in den letzten Jahren die Begehung von Straftaten im Darknet", sagt er.

Aber wie ermitteln die Behörden in einem Netzwerk, das von der Anonymität seiner Nutzer lebt? Darknet-User surfen verschlüsselt über das sogenannte Tor-Netzwerk. Ihre Daten in diesem Netzwerk zurückzuverfolgen, ist sehr schwer bis nahezu unmöglich. In der Abteilung "Schwere und Organisierte Kriminalität" des BKA gibt es einen gesonderten Bereich für Cyberkriminalität. Hier arbeiten mehr als 100 Polizeibeamte daran, Verbrecher im Darknet aufzuspüren, zudem kooperieren die Behörden mit Europol und Interpol.

Über Ermittlungsstrategien macht das BKA keine Angaben. Martin Nolte verrät jedoch: "Wir haben eine technische und eine soziale Ermittlungsvariante. Bei der technischen machen die Behörden Umgebungsschwachstellen im Netzwerk aus."

Die analoge Welt hilft

Weitaus erfolgreicher sei derzeit jedoch die soziale Ermittlungsvariante: "Jeder Darknet-User hat auch eine Identität im normalen Internet. Er hat eine E-Mailadresse, nutzt Suchmaschinen, kauft in legalen Onlineshops ein." Dies könne bei der Identifizierung helfen. Außerdem gebe es auch immer noch die analoge Welt: "Wer mit Waffen oder Drogen handelt, muss die Waren immer noch irgendwohin liefern. Dem begegnen wir meist mit konventionellen Ermittlungsmethoden."

Wie im Shiny-Flakes-Fall: Portalbetreiber Max S. wurde in Leipzig von der Polizei festgenommen, nachdem er beim Gang zur Post observiert worden war.

Bringt Licht ins Dunkel: Gudrun Oevel, Chefin des IT- und Medienzentrums an der Universität Paderborn. - © Tobias Schreiner
Bringt Licht ins Dunkel: Gudrun Oevel, Chefin des IT- und Medienzentrums an der Universität Paderborn. | © Tobias Schreiner

Aber ist das Darknet nur ein Hort für Kriminelle? Gudrun Oevel, Chefin des Zentrums für Informations- und Medientechnologien (IMT) an der Universität Paderborn sagt nein: "Technologien können immer zu verschiedenen Zwecken genutzt werden. Das Deep Web wird auch heute noch von Menschen genutzt, die sich in autoritären System unerkannt austauschen wollen." Whistle Blower, Journalisten und politische Aktivisten können über das Dark Web anonym große Datenmengen austauschen.

Die Perspektive des Dark Web

Oevel sagt: "Eine Technologie ist an sich nie böse, sondern nur die Art, wie man sie benutzt - entweder für das Gute oder das Böse. Ein Stein beispielsweise kann dazu dienen, Feuer zu machen, ein Haus zu bauen, er kann aber auch als Waffe benutzt werden oder geworfen werden, um zu zerstören."

Welche Perspektive haben Deep Web und Dark Web? Während das normale Internet - das Clear Web - immer stärker von Geheimdiensten überwacht wird und praktisch jede Bewegung eines Internetusers zurückverfolgt werden kann, gibt es immer mehr Aussteiger. Viele Menschen verzichten komplett auf Smartphones, Whatsapp und Co. Könnte es sein, dass in Zukunft immer mehr Menschen auf Anonymisierungstechnologien wie das Tor-Netzwerk zugreifen? IMT-Chefin Gudrun Oevel sieht das positiv: "Viele Menschen legen wieder mehr Wert auf ihre Privatsphäre im Internet, legen sich mehrere Mailaccounts zu, geben absichtlich falsche Daten an, um anonym zu bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass in Zukunft bestimmte Bereiche nur noch stark verschlüsselt genutzt werden."

Norbert Pohlmann vom Institut für Internetsicherheit der FH Gelsenkirchen ist jedoch kritisch: "Sicherheit geht immer auf Kosten von Geschwindigkeit. Durch die mehrfache Verschlüsselung in Netzwerken wie Tor wird die Datenübertragung stark verlangsamt. Streams in HD-Qualität sind hier kaum möglich."

(Dieser Artikel erschien zum ersten Mal im Januar 2016.)