Hamburg. SPD und Grüne können trotz Stimmenverlusten ihr seit 2015 bestehendes Bündnis in Hamburg fortsetzen. Bei der Bürgerschaftswahl in dem Stadtstaat wurde die SPD von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher mit Abstand erneut stärkste Kraft. Grüne und CDU liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 2. Die CDU legt deutlich zu. Tschentscher erneuerte seine Präferenz für Rot-Grün. Er kündigte Gespräche zunächst mit dem bisherigen Partner, danach aber auch mit der CDU an.
Die Linke wird erstmals in Hamburg zweistellig. Die AfD legt ebenfalls zu. FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scheiterten deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und wurden sogar von der Europartei Voltüberholt. Die Abstimmung in der Hansestadt ist nach derzeitigem Stand die einzige Wahl auf Landesebene in diesem Jahr.
SPD verliert einige Prozentpunkte
In der neuen Bürgerschaft sind wie bisher fünf Parteien vertreten. Nach den Hochrechnungen der ARD (23.13 Uhr) rutschte die SPD auf 33,5 Prozent (2020: 39,2 Prozent) ab. Die Grünen vonSpitzenkandidatin und Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank büßten ebenfalls auf 18,5 Prozent ein nach ihrem Rekordergebnis von 2020 (24,2 Prozent).
Die CDU von Spitzenkandidat Dennis Thering konnte sich aus ihrem historischen Tief (2020: 11,2 Prozent) befreien und ihren Stimmenanteil mit 19,8 Prozent deutlich ausbauen. Die Linke wird erstmalig in Hamburg zweistellig und steigerte sich auf 11,2 Prozent (2020: 9,1 Prozent). Die AfD verbesserte sich auf 7,5 Prozent (2020: 5,3 Prozent) und ist damit nicht einmal halb so stark wie im Bund.
FDP schneidet historisch schlecht ab
Die FDP scheiterte laut ARD-Hochrechnung mit 2,3 Prozent (4,97) erneut klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Das wäre das bisher schlechteste Ergebnis für die Liberalen bei einer Bürgerschaftswahl. Das BSW schaffte es laut ARD-Zahlen bei seinem ersten Anlauf in Hamburg mit 1,8 Prozent nicht ins Landesparlament. Die Europapartei Volt kam auf 3,3 Prozent.
Die Wahlbeteiligung stieg deutlich an – nach den Zahlen von ZDF und ARD auf 67 bis 68 Prozent. 2020 hatten 63 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren waren wahlberechtigt.
Landespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf, insbesondere die Verkehrsprobleme in der Stadt und der Wohnungsbau angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Daneben spielten auch die Migration und die Ankurbelung der durch den Hafen geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle.
Wahrscheinlich wird rot-grüne Koalition fortgesetzt
Bürgermeister Tschentscher sagte im ZDF, eine Neuauflage der rot-grünen Koalition bleibe erste Priorität und er sei diesbezüglich zuversichtlich. Es habe eine große Zustimmung zur Regierungsarbeit gegeben, inhaltlich wie imStil. Die Regierungsmehrheit von Rot-Grün wäre weniger komfortabel als bisher. Seit 2020 verfügten beide Fraktionen im Rathaus sogar über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das ist nun nicht mehr so.
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Tschentscher steht seit 2018 an der Spitze der Hamburger Politik. Damals war der heute 59-Jährige noch relativ unbekannt in der Hansestadt und stand im Schatten seines Vorgängers, dem heutigen Bundeskanzler OlafScholz, der damals ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Die Scholz-Jahre in Hamburg waren noch goldene Jahre für die Sozialdemokraten. Von 2011 bis 2015 reichte es sogar für eine Alleinregierung.

Der bisherige Juniorpartner büßt zwar Stimmen nach dem Rekord von 2020 ein, ist aber stärker als bei der Bundestagswahl. Die Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner sagte im ZDF, sie sehe in Hamburg einen „klaren Regierungsauftrag für Rot-Grün“. Fegebank zeigte sich erleichtert. Ihr sei nach der Prognose eine Last von der Schulter gefallen.
CDU-Spitzenkandidat Thering (40) hat die Chance auf eine Koalition mit der SPD nicht aufgegeben. „Wir stehen für eine stabile Regierung mit positiven Veränderungen vor allem in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Verkehr zur Verfügung“, erklärte er. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte im ZDF, es wäre Zeit für ein neues Aufbruchsignal in Richtung Rot-Schwarz.
Was bedeutet die Hamburg-Wahl für die Bundespolitik?
Eine Woche nach der Bundestagswahl ist die Aussagekraft über Hamburg hinaus begrenzt. Im Bundesrat – Hamburg hat hier 3 der 69 Stimmen – ändert sich nichts, sollte es bei Rot-Grün bleiben. SPD und Grüne dürften trotz Stimmenverluste darauf verweisen, dass Rot-Grün kein Auslaufmodell ist. Die Hamburger SPD konnte sich vom Bundestrend ein Stück weit abkoppeln und ist im Stadtstaat doppelt so stark wie im neuen Bundestag. CDU und AfD freuen sich über Stimmenzuwachs auch auf Landesebene.
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Sollten Union und SPD im Bund zu einer Koalition zusammenkommen, müssen sie bis weit ins kommende Jahr keine Rücksicht mehr auf Landtagswahlen nehmen. Hamburg war die einzige Wahl auf Landesebene in diesem Jahr.
Wann ist die nächste Landtagswahl?
Erst 2026 folgen die nächsten, dann aber in fünf Bundesländern mit zusammen rund 23 Millionen Einwohnern. Im Frühjahr werden die Landtage in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, im Sommer in Sachsen-Anhalt gewählt. Im Herbst bestimmen die Berlinerinnen und Berliner neu über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses. Schließlich wird auch der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern neu gewählt.