Das Wichtigste in Kürze:
- Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute die Vertrauensfrage gestellt. Wie erwartet, verlor er die Abstimmung. Damit sind Neuwahlen nun möglich.
- Scholz bezog im Vorfeld Stellung und erklärte seine Entscheidung. Dabei übte er scharfe Kritik.
- Vor der namentlichen Abstimmung fand noch eine Aussprache aller Parteien statt.
Berlin (AFP/dpa). Der Bundestag hat am Montag über die Vertrauensfrage abgestimmt, mit der Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Weg für Neuwahlen frei machen wollte. Wie erwartet, verlor Scholz die Abstimmung; Neuwahlen sind nun möglich.
Als Termin für die vorgezogenen Bundestagswahlen ist mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits der 23. Februar vereinbart. Er hat nach dem Bundestagsbeschluss bis zu 21 Tage Zeit, die Auflösung des Parlaments zu prüfen. Entscheidet er sich für Neuwahlen, müssen diese danach spätestens binnen 60 Tagen stattfinden.
Ursprüngliches Ziel der Vertrauensfrage nach Artikel 68 Grundgesetz war es, dem Kanzler ein Instrument in die Hand zu geben, sich seiner Mehrheit im Bundestag zu versichern. Sie kann gerade in schwierigen Situationen disziplinierend auf die Regierungsparteien wirken. Dreimal hatten Vertrauensabstimmungen bisher Neuwahlen zur Folge.
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So äußerte sich Scholz vor der Abstimmung
Vor der namentlichen Abstimmung gab Scholz eine Erklärung ab, zu der sich die Parteien im Bundestag positionierten. Die Redezeit nutzte Scholz für heftige Kritik am früheren Koalitionspartner FDP. Ihre „wochenlange Sabotage“ habe nicht nur der Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. Und an die Adresse von FDP-Chef Christian Lindner: „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.“
Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz, um darzulegen, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen will. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer, Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte. Die Wählerinnen und Wähler bat er „um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung“.

Merz kritisiert Scholz – Habeck positioniert sich
Im Rahmen der zweistündigen Aussprache nannte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz Scholz Attacke gegen die FDP in seiner Erwiderung „nicht nur respektlos“, sondern sie sei auch eine „blanke Unverschämheit“. Zudem warf er Scholz Versagen in seiner Amtszeit vor. „Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Chance gehabt. Sie haben diese Chance nicht genutzt“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion. „Sie, Herr Scholz, haben Vertrauen nicht verdient.“ Gleichzeitig erteilte er einer möglichen Koalition mit den Grünen von Kanzlerkandidat Robert Habeck eine Absage.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte in seinem Redebeitrag davor, mit Naivität auf die geplante Neuwahl und die Zeit danach zu blicken. „Alle tun so, als wäre danach alles besser“, sagte er. Der Kanzlerkandidat der Grünen sagte rückblickend, die Ampel-Koalition sei ein Dreierbündnis von ideologisch sehr verschiedener Parteien gewesen. Eine Lehre aus dieser Zeit sei, „dass in einer so schwierigen Konstellation alle Akteure über den eigenen Schatten springen müssen“.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner konterte die Attacke des Kanzlers mit einem Gegenangriff auf dessen Wirtschaftspolitik. Scholz’ Antworten gingen am tiefgreifenden Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit vorbei. Als Beispiel nannte Lindner die gerade erst von Scholz vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. „Der Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen, um populär zu werden. Aber die Bundesrepublik Deutschland darf so nicht regiert werden.“
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