Ende der Ampel

Scholz will Vertrauensfrage stellen: Wie sieht der Weg zu Neuwahlen aus?

Dass eine Regierungskoalition vorzeitig endet, passiert in Deutschland selten. Dennoch gibt es historische Beispiele – und klare gesetzliche Vorgaben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) plant im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Neuwahlen würden dann spätestens Anfang April stattfinden. | © Michael Kappeler/dpa

Jan Husmann
07.11.2024 | 07.11.2024, 11:08

Berlin. Rund ein Jahr vor der nächsten geplanten Bundestagswahl hat Kanzler Olaf Scholz angekündigt, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Dies ist der erste Schritt eines Verfahrens, das zu vorgezogenen Neuwahlen führen könnte. Da dieses Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik selten Anwendung findet, lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Auf welcher gesetzlichen Grundlage können Neuwahlen stattfinden?

Nach Artikel 68 kann der Bundeskanzler im Bundestag beantragen, ihm das Vertrauen auszusprechen. Er kann dies – muss es aber nicht – mit einem konkreten Gesetzgebungsvorhaben verknüpfen. Erhält der Kanzler keine Mehrheit, kann er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Zuletzt verfuhr Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2005 so.

Statt eines Vertrauensausspruchs – wie im Grundgesetz vorgesehen – bewirkt die Vertrauensfrage jedoch oft das Gegenteil. Auch Scholz deutete in seinem Statement bereits an, worauf die Abstimmung abzielt. „Es gibt keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit“, sagt er.

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

Lesen Sie auch: Der Liveticker zum Ampel-Aus

Wann würden Neuwahlen stattfinden?

Sollte der Kanzler nicht das Vertrauen des Bundestags erhalten, hat er maximal 21 Tage Zeit, den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestags zu bitten. Dazu verpflichtet ihn das Grundgesetz. Gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes muss spätestens 60 Tage danach ein neuer Bundestag gewählt werden.

Scholz hatte am Mittwochabend angekündigt, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Neuwahlen könnten dann spätestens am 6. April 2025 stattfinden. Oppositionsführer Friedrich Merz fordert, dass Scholz die Vertrauensfrage so bald wie möglich stellt. Dann wären Neuwahlen bereits im Januar möglich.

Lesen Sie auch: Merz für Neuwahl in zweiter Januar-Hälfte

Das Recht auf die Auflösung des Bundestags würde erlöschen, wenn das Parlament selbstständig mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Bundeskanzler wählt.

Wer regiert Deutschland bis zu den Neuwahlen?

Auch nach Auflösung des Bundestags ist Deutschland nicht führungslos. Die aktuelle Regierung – ohne FDP-Minister – wird die Geschäfte bis zur Ernennung eines neuen Kanzlers weiterführen. So sieht es Artikel 69 des Grundgesetzes vor. Die Aufgaben der ausgeschiedenen FDP-Minister können durch andere Minister übernommen werden.

Der Kanzler kann aber auch Nachfolger vorschlagen und vom Bundespräsidenten ernennen lassen. Das Amt des Finanzministers soll von Scholz-Berater Jörg Kukies übernommen werden. Verkehrsminister Volker Wissing bleibt jedoch im Amt.

Kommentar: Das Berliner Gewürge hat ein Ende – gut so

Wie handlungsfähig die Regierung bis zu den Neuwahlen ist, ist fraglich. Scholz führt nun eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen an. Für die Verabschiedung neuer Gesetze oder des Haushalts benötigt er Stimmen der Opposition. Er hat am Mittwochabend angekündigt, das Gespräch mit Friedrich Merz (CDU) zu suchen.

Gibt es historische Beispiele für Neuwahlen?

Vorgezogene Neuwahlen sind in der Geschichte der Bundesrepublik selten. Der letzte Bundeskanzler, der die Vertrauensfrage im Bundestag stellte, war Gerhard Schröder. Am 1. Juli verlor er dieses Votum. Am 13. Juli schlug er Bundespräsident Horst Köhler vor, den Bundestag aufzulösen, was dieser am 21. Juli tat. Neuwahlen gab es am 18. September 2005. Daraus resultierte ein Regierungswechsel. Angela Merkel führte eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD.

Auch 1982 endete eine SPD-geführte Koalition mit der FDP früher als geplant. Die damalige Situation hat große Ähnlichkeit zum Ende der Ampel. FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff legte Kanzler Helmut Schmidt Forderungen vor, die mit den SPD-Positionen unvereinbar waren. Schmidt forderte daraufhin die Opposition zu einem konstruktiven Misstrauensvotum auf, was am 1. Oktober gelang. Mit Stimmen aus CDU/CSU sowie der FDP wurde Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler gewählt, der daraufhin den Bundestag auflösen ließ und Neuwahlen veranlasste.

Mit Material des RND und der dpa.