Tempolimit-Debatte: Umwelthilfe wirft Minister Wissing Falschaussage vor
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) spricht sich gegen ein Tempolimit auf Autobahnen aus. Das ist nicht überraschend. Neu ist aber seine Begründung.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat mit seiner wiederholten Absage an ein generelles Tempolimit eine neue Debatte ausgelöst. „Die Mehrheit der Deutschen ist für ein Tempolimit auf Autobahnen – selbst die Mehrheit der ADAC-Mitglieder“, sagte etwa Dorothee Saar, Bereichsleiterin Verkehr bei der Deutschen Umwelthilfe, dieser Redaktion Dabei beruft sie sich auf eine Umfrage des Automobilclubs aus dem vergangenen Jahr, bei dem 54 Prozent für ein Tempolimit auf Autobahnen gestimmt hatten.
Wissing hatte zuvor sein Nein zu allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten bekräftigt. „Wenn flächendeckend auf Autobahnen ein Tempolimit 120, auf Landstraßen von 80 und innerorts von 30 gilt, hat das in Deutschland keine Akzeptanz. Das wollen die Leute nicht“, sagte er den Funke-Zeitungen.
Die Umwelthilfe betonte dagegen, dass inzwischen nicht nur die Zustimmung zum Tempolimit auf Autobahnen, sondern auch zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 innerhalb von Ortschaften hoch sei. Sie verweist zudem auf die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“, der 1.068 Städte und Gemeinden angehören: „Sie alle wollen mehr Tempo 30 umsetzen, können das aber nur teilweise aufgrund der restriktiven Straßenverkehrsordnung“, so Saar. „Das große Problem ist, dass Herr Wissing Tempo 30 für diese Kommunen blockiert und sich nicht für eine wirkliche Reform des Straßenverkehrsrechts einsetzt.“
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Eine Umfrage des Umweltbundesamtes von 2021 hatte ergeben, dass 42 Prozent der Deutschen ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen stark befürworten und weitere 22 Prozent „eher dafür“ sind. Etwa 36 Prozent der Befragten lehnten die Begrenzung ab.
Im vorigen August hatte der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung erneut bescheinigt, dass sie nicht auf Kurs ist, um das Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen. Bis dahin müsste Deutschland 65 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990. Probleme bereiten insbesondere der Verkehr und Gebäudesektor.
Die Deutsche Umwelthilfe sprach sich deshalb auf Anfrage für Geschwindigkeitsbegrenzungen von 30 km/h innerorts, 80 km/h außerorts und 100 km/h auf Autobahnen aus. Damit ließen sich „mindestens 11,1 Millionen Tonnen CO2 jährlich“ einsparen. Außerdem sorge das Tempolimit für weniger Verkehrstote und Verletzte. Das aktuellste Beispiel ist eine Statistik aus Lyon. Die französische Stadt hatte vor zwei Jahren fast flächendeckend Tempo 30 auf ihren Straßen eingeführt. Laut Bürgermeister Grégory Doucet habe es seither 35 Prozent weniger Unfälle gegeben.
Besonders stark sind die Auswirkungen von Tempolimits zudem auf die Lärmemission, wie Statistiken des Umweltbundesamts zeigen. Die Bundesbehörde hatte im vorigen Jahr berechnet, dass eine Begrenzung auf 120 Kilometer pro Stunde die Treibhausgasemissionen um rund 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente senken könnte.
Darauf angesprochen, sagte Wissing: „Da geistern so viele Zahlen rum. Wichtig ist doch, dass nur Maßnahmen, die akzeptiert werden, auch Erfolg haben können.“ Denkbar sei, dass Autofahrer wegen der Begrenzung auf Autobahnen auf Straßen durch Ortschaften ausweichen und dort Lärm und Abgase erhöhten, so der Liberale. Die FDP hatte bereits in den Koalitionsverhandlungen gegen SPD und Grüne durchgesetzt, dass es mit der Ampel kein allgemeines Tempolimit geben soll.
Unter den Industrieländern ist Deutschland ohne generelles Tempolimit allein, in allen anderen europäischen Staaten ist die erlaubte Höchstgeschwindigkeit gedeckelt. Am schnellsten darf dabei in Polen mit bis zu 140 km/h gefahren werden, in den weiteren Staaten 120 km/h oder 130 km/h. Freie Fahrt gibt es auch weltweit nur selten, darunter in Teilen Indiens sowie in Nepal, Myanmar und Afghanistan.