Streikrecht

Gerichtshof für Menschenrechte: Verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken

Vier Pädagogen aus Deutschland sind bis vor die Richter nach Straßburg gezogen, weil das Verbot in ihren Augen gegen ein Menschenrecht verstößt. In den Augen von Experten wird die Entscheidung weitreichende Folgen haben.  

Die klagenden Lehrerinnen und Lehrer meinen, dass das Streikverbot unverhältnismäßig und im Vergleich zu den Lehrern ohne Beamtenstatus diskriminierend ist. | © picture alliance / ZB

Anneke Quasdorf
14.12.2023 | 14.12.2023, 18:37

Angestellte dürfen streiken, Beamte nicht - das haben deutsche Gerichte immer wieder festgestellt. Vier Lehrerinnen und Lehrer aus Deutschland wollten das nicht auf sich sitzen lassen. Sie sind bis vor den Europäischen Gerichtshof in Straßburg gezogen. Der entschied jedoch klar: Das Streikverbot bleibt bestehen.

Lesen Sie auch unseren Kommentar: Beamtenrecht verpflichtet

„Enttäuschend“ sei das Urteil, kommentierte anschließend die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft für Bildung und Wissenschaft, Maike Finnern aus Bielefeld. Gerade vor dem Hintergrund der Bildungskrise in Deutschland sei auch eine Modernisierung des Beamtenrechts dringend nötig. Die GEW hatte die vier Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund bei ihrer Klage unterstützt.

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

Auch in den GEW-Kreisverbänden in OWL ist die Enttäuschung groß. „Uns wird ein Menschenrecht genommen“, sagt Kirsten Tietze, Mitglied im Kreisvorstand der GEW Paderborn. „Ich finde es gerade angesichts der Bildungskrise unbeschreiblich wichtig, dass wir für unsere Rechte auf die Straße gehen dürfen. Wir tun das ja auch für die Schülerinnen und Schüler. Und Streik ist das einzige Druckmittel mit spürbaren Konsequenzen.“

Schulforscherin aus Bielefeld sieht schwarz für deutsche Schüler

Gänzlich anders sieht das Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender des Verbands für Bildung und Erziehung. Er begrüßte das Urteil ausdrücklich. „Um die Standards der schulischen Versorgung der Kinder und Jugendlichen zu garantieren, steht der VBE hinter dem Berufsbeamtentum und dies sieht eine besondere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, in diesem Fall dem Staat und damit der ganzen Gesellschaft, vor“, sagte er der Redaktion.

Zudem seien Lehrkräfte Bürger, die sich in Verbänden und Gewerkschaften aktiv an der demokratischen Willensbildung beteiligten. „Nicht zu vergessen ist, dass in Deutschland das Arbeitskampfmittel des Streiks für Tarifauseinandersetzungen vorgesehen ist und die derzeitige Rechtsprechung politische Streiks nicht vorsieht.“

Vor dem Hintergrund der Bildungskrise in Deutschland verfolgte auch die Schulforscherin Michaela Vogt von der Uni Bielefeld die Klage der Pädagogen. „Dieses Urteil hätte bedeutet, das Beamtentum zu modernisieren. Und das ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die längst überfällige Schulreform, die wir in Deutschland brauchen.“ So wie jetzt kann es in Vogts Augen nicht weitergehen. „Wir produzieren in Schule gerade Generationen, die international nicht im geringsten wettbewerbsfähig sind. Wir werden abgehängt.“