Interview CDU-Vize Linnemann: Bevölkerung wird Verständnis für Steuererhöhungen haben

Herr Linnemann, der Vorstoß aus der CDU für Steuererhöhungen ist überraschend, immerhin hat sich die Partei in den vergangenen Jahren strikt dagegengestemmt. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich die CDU grundlegend verändern wird? Carsten Linnemann: Die Welt hat sich verändert und darauf müssen wir auch in der Politik reagieren, denn die Herausforderungen für Deutschland sind gewaltig. Unser Ziel ist ein Grundsatzprogramm der CDU mit neuen Ideen und ohne Denkverbote. Dazu gehört auch eine grundsätzliche Steuerreform, die die breite Mittelschicht entlastet und einige wenige zusätzlich belasten wird. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch eine Erhöhung des Spitzensteuertarifs für sehr hohe Einkommen. Ich bin davon überzeugt, dass es dafür Verständnis in der Bevölkerung gibt, denn wir dürfen die Mitte unserer Gesellschaft nicht weiterhin so überproportional belasten. Rechnen Sie auch bei einer Erhöhung des Renteneintrittsalters mit Verständnis? Die unbequeme Wahrheit ist, dass wir uns nicht auf dem Erbe und dem Fleiß unserer Elterngeneration ausruhen können, wenn wir als Gesellschaft weiterhin erfolgreich sein möchten. Deshalb verfolge ich beispielsweise die Debatte über eine Vier-Tage-Woche mit großer Sorge. Denn sie suggeriert, dass Arbeit schlecht ist und möglichst reduziert werden muss. Wir brauchen aber weiterhin Menschen, die anpacken und unser Land nach vorne bringen. Bessere und flexiblere Arbeitsbedingungen sind wichtig, aber wir können es uns nicht leisten, immer weniger zu arbeiten. So ehrlich muss auch die Politik mit der Bevölkerung sein und nicht ständig nur Versprechen machen, die sich das Land nicht leisten kann. Deshalb werden wir auch an einer Rentenreform nicht vorbeikommen. Zum einen mit steuerfreien Hinzuverdienstmöglichkeiten als Arbeitsanreiz für alle Menschen, die die Altersgrenze für die Regelaltersrente erreichen. Zum anderen perspektivisch mit einer Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, wenn sie wie prognostiziert weiter steigt. Das gilt aber nur für die Menschen, die auch noch arbeiten können. Wie blicken Sie auf den Bundestagswahlkampf 2025? Ende des Jahres wird das neue Grundsatzprogramm der CDU stehen, damit es bis auf die Ebene der Ortsunionen diskutiert und beim Bundesparteitag im Mai 2024 verabschiedet werden kann. Das ist wichtig für einen ehrlichen Wahlkampf, den wir 2025 dringend benötigen. Ich bin mir sicher, dass die Wähler diese Ehrlichkeit schätzen werden, denn sie sind doch heute viel besser informiert und verlangen zu Recht, dass wir auch die unbequemen Wahrheiten aussprechen. In Deutschland gibt es keine Politikverdrossenheit, sondern eine Politikerverdrossenheit. Deshalb müssen wir auch die verkrusteten Strukturen in der Politik aufbrechen. Mit immer weiter wachsenden Ministerien und Ministerialbürokratie werden wir immer schwerfälliger.

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