Wie die Republikaner gegen Wahlverlierer Donald Trump schießen

Washington. "Wir werden so viel gewinnen, dass euch das Gewinnen aus dem Hals heraushängen wird." Dieser Satz, gesprochen bei Amtsantritt 2017 im Weißen Haus, fällt Donald Trump brutal vor die Füße. Denn direkt danach gingen die "midterms" 2018 für die Republikaner den Bach runter - minus 40 Sitze. 2020 verlor Trump gegen Joe Biden die Präsidentschaft. 2021 torpedierte er durch Ich-bezogene Dauerintervention eine Nachwahl im Bundesstaat Georgia, die den Demokraten letztlich die Mehrheit im Senat in Washington bescherte. Und jetzt wieder: Die Zwischenwahlen am Dienstag, da sind sich viele Republikaner und selbst Trump lange nahestehende Medien wie das "Wall Street Journal" und der Sender "Fox News" einig, hat vor allem der ehemalige Präsident vermurkst - durch eine Personalpolitik, die auf "Showeffekte setzt und nicht auf Substanz". Konkret laut der Vorwurf, der im republikanischen Lager lauffeuerartig Unterzeichner findet: Weil Donald Trump in Schlüssel-Bundesstaaten wie Pennsylvania, New Hampshire und Michigan Dutzende extreme oder mediokre Kandidaten und Kandidatinnen sowie "Wahl-Leugner" protegierte, die bei der Gesamt-Wählerschaft Geht-gar-nicht-Kopfschütteln auslösten, hat er einen republikanischen Kantersieg verhindert. "Trump ist der größte Verlierer" Sarah Matthews, eine ehemalige Pressesprecherin Trumps, lässt sich damit sogar zitieren: Dass die Republikaner "gewinnbare Parlamentssitze" nicht errungen haben, sagt sie, lag daran, dass Trump "qualitativ schlechte Kandidaten gefördert hat". Das hätte unter der Berücksichtigung der für die Republikaner günstigen politischen Rahmendaten - hohe Inflation, große Unbeliebtheit Joe Bidens, ungeklärte Einwanderungsmisere, enorm gestiegene Kriminalität und allgemeine Zukunftsangst - nach Überzeugung von Leuten wie Chris Christie nie passieren dürfen. Christie ist nicht irgendwer in der Partei. Der Ex-Gouverneur von New Jersey war einst Vertrauter Trumps und ebenfalls Präsidentschaftskandidat. Heute lässt der beleibte Konservative keine Gelegenheit aus, Trump einen mitzugeben. Dessen Bonmot von der Siegesmüdigkeit hat er umformuliert. "Es scheint mir, uns sollte das Verlieren aus dem Hals hängen." Dann folgte noch diese Breitseite: "Trumps politische Instinkte drehen sich nicht um die Partei und nicht ums Land. Sondern nur um ihn selbst." Christies Schlussfolgerung: Der 76-Jährige ist für 2024 denkbar ungeeignet, um die "Grand Old Party" im Rennen um das Weiße Haus zu vertreten. Christie ist kein einsamer Rufer am Rand. Bei den Republikanern und ihren publizistischen Vorfeld-Organisationen ist seit Dienstag ein Damm gebrochen. "Trump ist der größte Verlierer", titelte das zum Medien-Imperium von Rupert Murdoch gehörende "Wall Street Journal" und verordnete in mehreren Kommentaren der Partei so etwas wie einen Emanzipations-Prozess. Weg von Trump. Republikaner wollen anderen Präsidentschaftskandidaten Im Gegenschnitt wurden konservative Gouverneure wie Brian Kemp (Georgia), Greg Abbott (Texas) oder Mike DeWine (Ohio) gelobt, die mit ihren Siegen unter Beweis gestellt hätten, dass die "Grand Old Party" sehr wohl Erfolg haben kann, wenn sie nicht auf Schaumschläger setzt. Das zum gleichen Konzern gehörende Boulevard-Blatt "New York Post", einst Trumps Lieblings-Postille, machte sich auf dem Titelblatt in sarkastischer Weise über den Ex-Präsidenten lustig: "Trumpty Dumpty" - das ist die Verballhornung von "Humpty Dumpty" aus dem Buch "Alice hinter den Spiegeln" von Lewis Carroll. Darin geht es um ein dickes Männchen, das nach einem Sturz von der Mauer zerbricht. Die Verächtlichmachung dient einem Ziel: Bis zur Präsidentschaftswahl 2024 bei den Republikanern einen anderen Kandidaten aufzubauen. Motto: Jeder - nur nicht Trump. 45 von 50 konservativen Senatoren, meldet das Portal "Politico", seien insgeheim auch dieser Meinung. Begründet wird das in sozialen Medien in ungewohnter Auf-ihn-mit-Gebrüll-Manier: "Trump muss weg. Trump reißt die Republikaner in den Abgrund." Trump weist Kritik von sich Fast staatsmännisch klingt dagegen Winsome Sears. Die Vize-Gouverneurin des Bundesstaates Virginia war 2020 Vorsitzende einer Lobby-Gruppe von Afroamerikanern, die Trumps Wiederwahl unterstützte. Nicht mehr: "Ein echter Führer versteht, wenn er zur Belastung geworden ist", sagt die schwarze Politikerin heute, "ein echter Führer versteht, wann es Zeit ist, von der Bühne zu gehen." Trump hat die Signale zur Hatz vernommen - und schießt zurück. Seine ureigene Erfolgsbilanz sieht so aus: Über 200 der von ihm zur Wahl empfohlenen Männer und Frauen hätten sicher ins Ziel gefunden, behauptet er, weniger als 20 nicht. Darunter etwa der Fernseh-Doktor Mehmet Oz, der im für die Mehrheit im Senat zentral wichtigen Bundesstaat Pennsylvania gegen John Fetterman verlor. Obwohl der Demokrat noch mit den Folgen eines Schlaganfalls kämpft. Trump, so wird kolportiert, soll für die Pleite seine Gattin Melania mitverantwortlich gemacht haben. Denn sie habe Oz ausgeguckt. Der frühere Pro-Trump-Stratege Caleb Hull geht einen Schritt weiter: "Wir brauchen eine Generalüberholung der Partei." Ron DeSantis sei nach seinem Sieg bei der Wahl in Florida der neue "führende Kopf" und Anwärter auf die Präsidentschaft-Kandidatur. Kandidatur-Proklamation erst nach Stichwahl Aber Trump denkt nicht daran, sich vom Hof jagen zu lassen. Dem schwindenden Rückhalt der Partei-Funktionäre hält der Rechtspopulist die immer noch große Unterstützung an der Basis entgegen. Dort wünscht man sich - Stand vor den "midterms" - mehrheitlich eine dritte Kandidatur Trumps. Ron DeSantis sei "wirklich gut", sagte ein Republikaner aus Maryland gestern dieser Redaktion, "aber er ist noch jung. Er kann warten". Genau das will Trump schon wegen der vielen strafrechtlichen Ermittlungen nicht, die gegen ihn laufen. Am nächsten Dienstag (16. November, 3 Uhr MEZ) soll in Mar-a-Lago der große Tag der Verkündung sein. Enge Berater wie Jason Miller wollen das in letzter Minute verhindern. Trump soll seine Kandidatur-Proklamation für 2024 bis nach der Stichwahl in Georgia am 6. Dezember verschieben. Andernfalls könne Herschel Walker, ein für den Senat von Trump ausgesuchter Ex-Football-Star, die Quittung dafür bekommen. Und wieder wäre, wie 2021, die Mehrheit im Oberhaus des Kongresses futsch. Trump hat andere Sorgen. Er will Ron DeSantis fällen, bevor der zu stark wird. Auf seinem Kurzmitteilungsdienst "Truth Social" wirft Trump dem 44-Jährigen mangelnde "Loyalität und Klasse" vor. DeSantis sei nur ein "durchschnittlicher" Gouverneur, der ohne seine Hilfe gar nicht ins Amt gekommen wäre. Bei der Rekapitulation der Ereignisse lieferte sich Trump möglicherweise ans Messer. Er behauptet, als Präsident das FBI und die Staatsanwaltschaft 2017 nach Florida geschickt zu haben, um "Stimmzettel-Klau" zu unterbinden und so den ersten Sieg von DeSantis gegen dessen damaligen Kontrahenten Andrew Gillum abzusichern. "Ein klarer Fall für Justizminister Merrick Garland", urteilen Rechts-Experten in sozialen Medien, "das muss sofort untersucht werden."

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