CDU-Vize Linnemann fordert: "Politiker-Pensionen streichen"

Herr Linnemann, Ihr neues Buch trägt den Titel &bdquo;Die ticken doch nicht richtig!“, weil sie diesen Satz immer wieder in Gesprächen mit Bürgern hören. Was führt denn zu diesem harten Vorwurf? Carsten Linnemann: Meine These ist, dass Bürger so reagieren, weil die Politik Probleme nicht anpackt, weil sie im Dauer-Krisenmodus verharrt. Bretter werden nicht gebohrt, sondern nur bemalt. Und das gilt übrigens nicht nur für Themen wie Energiesicherheit, sondern für alle. Am Beispiel der Grundsteuererklärung wird das aktuell noch mal sehr deutlich. Bei mir melden sich unzählige überforderte und verzweifelte Menschen, die sich fragen, ob die Verantwortlichen für diese Erklärung noch richtig ticken. Zudem löst der Krisenmodus als Dauermodus unglaubliche Enttäuschungen bei Bürgern und auch bei Politikern aus, denn ich werde so meinem eigenen Anspruch nicht gerecht. Wir müssen verstehen, dass die Krise der Normalmodus ist. Deshalb darf die Krise nicht mehr als Ausrede dafür herhalten, dass etwas nicht geht. Sie sehen große Staatsreformen, die vor nichts Halt machen, als letzte Chance für Deutschland. In ihrem Buch stellen Sie 15 Ideen vor, viele pragmatische. Doch einfach mal machen, wie Sie fordern, ist ja meistens nicht möglich. Woran liegt das? Linnemann: Weil wir immer versuchen, alle Ideen zentral in Berlin umzusetzen. Dort werden aber viele Ideen noch in der ersten Anhörung zerstört. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir allen 300 Landkreisen in Deutschland die Möglichkeit geben, als Pilotregionen Ideen ohne langwierige Genehmigungsverfahren auszuprobieren. Klappt es, kann die Idee bundesweit umgesetzt werden. Klappt es nicht, wird die Idee eingestampft. Der ehemalige Oberbürgermeister von Rostock, Claus Ruhe Madsen, hat während der Corona-Pandemie gezeigt, wie das geht, indem er Einzelhändlern den Weg dafür geebnet hat, ihre Geschäfte kurzzeitig zu öffnen, wenn sich Kunden digital anmelden. Unter dem Namen &bdquo;Click & Meet“ hat die Idee dann bundesweit Schule gemacht. Er hat einfach mal gemacht, doch wäre die Idee zuvor in Berlin diskutiert worden, wäre sie nie umgesetzt worden. Für meine Heimat Paderborn werde ich vorschlagen, dass das die erste Stadt in Deutschland sein wird, in der autonomes Fahren im regulären Straßenverkehr ausprobiert wird. Die Ampel steht massiv in der Kritik, doch die CDU kann daraus kein Kapital schlagen. Das zeigen Umfragen und das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen. Was macht die CDU aktuell falsch? Linnemann: Menschen haben aktuell Existenzängste. In solchen Zeiten möchten Bürger kein parteipolitisches Gezänk, sondern konstruktive Zusammenarbeit. Deshalb ist es schwierig, in Krisenzeiten als Opposition durchzustarten. Das Wahlergebnis in Niedersachsen zeigt aber auch, dass die CDU mit der inhaltlichen Erneuerung noch nicht am Ziel ist und wir uns damit beeilen müssen. Auch das ist ein Grund für mein Buch, denn die Bürger müssen endlich wieder wissen, wofür die CDU steht. Es darf nie wieder passieren, dass die CDU inhaltlich blank ist. Sie gehen in ihrem Buch auch mit ihrer eigenen Partei hart ins Gericht, die in den vergangenen Jahren viele Fehler gemacht hat. Nun sitzen Sie an entscheidender Stelle in der Union und sind für die Programmatik zuständig. Was haben Sie vor? Linnemann: Die aktuelle Krise sorgt dafür, dass es in Deutschland zu Wohlstandseinbußen kommen wird. Anders als während der Corona-Krise, die durch die Entwicklung des Impfstoffs eingegrenzt werden konnte, steht nun erstmals Deutschlands Geschäftsmodell in Frage. Bislang haben wir günstige Energieimporte und Vorprodukte aus dem Ausland mit der Leistung unserer Ingenieure gepaart. Das führte zu hochwertigen Produkten, die wir weltweit erfolgreich exportieren konnten. 23 Prozent der Bruttowertschöpfung kamen in Deutschland bislang aus der Industrie mit acht Millionen Arbeitsplätzen. Doch das könnte sich bald ändern und unserem Land massiv schaden. Das müssen wir verhindern und den Gürtel enger schnallen. Voran gehen muss hier die Politik. Aktuell sieht es nicht danach aus. In der Ampelkoalition haben von 416 Abgeordneten 49 ein Regierungsamt, so viele wie nie. Und auch der Bundestag ist mit 736 Abgeordneten der größte aller Zeiten. CDU und SPD haben eine Verkleinerung in der Vergangenheit jedoch erfolgreich verhindert. Wieso sollte sich das jetzt ändern? Linnemann: Ich erwarte auch von meiner Partei, dass sie das Problem angeht und fordere deshalb eine Verkleinerung des Bundestages und der Ministerien, die Streichung von Politikerpensionen und die künftige Beschränkung des Beamtenstatus auf hoheitliche Aufgaben. Das sind wichtige Signale an die Bevölkerung. Ich gehe davon aus, dass der Krieg noch länger dauern wird. Aktuell nimmt die Bundesregierung zur Entlastung der Bevölkerung viel Geld in die Hand, doch das ist auf Dauer nicht finanzierbar. Wir müssen stattdessen das Energieangebot erweitern. Wir brauchen Kohlekraft, Flüssigerdgas, Kernkraft und Gas über die neue Pipeline aus Spanien. Das alles können wir kurzfristig angehen, doch wir müssen auch langfristig denken. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. In Deutschland hat sich seit der Corona-Krise eine Staatsgläubigkeit festgesetzt, ja eine Vollkasko-Mentalität mit der Erwartungshaltung, dass der Staat alles ausgleicht. Zudem haben Bedenkenträger das Sagen. Wir brauchen aber Eigenverantwortung und eine Mentalität des Machens. Sie wollten mit ihrem Weg in die Politik die Welt verändern, doch in ihrem Buch ziehen Sie die nüchterne Bilanz, das nicht geschafft zu haben. In vielen Zeilen klingt Enttäuschung durch. Verfolgen Sie das Ziel trotzdem weiter oder kommen eher Gedanken ans Aufhören? Linnemann: Nein, die Gedanken kommen nicht. Im Gegenteil: Ich habe jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit, das Programm meiner Partei mitschreiben zu dürfen. Das ist eine echte Chance, weil wir als Opposition keine Rücksicht auf Zeitgeist und Kanzleramt nehmen müssen, sondern nur auf unsere Werte. Große Teile des Grundsatzprogramms werden dann auch Wahlprogramm.

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