Mehr Sicherheit nach tödlichen Unfällen

Französischer Senat will unter anderem Alkohol bei der Jagd verbieten

Tödliche Unfälle haben die Diskussion um mehr Sicherheit bei der Jagd verschärft. Opfervereinigungen, Tierschützer und Jäger sind mit den Vorschlägen des Senats unzufrieden.

Tödliche Unfälle haben dazu geführt, dass sich der Senat mit Vorschlägen für schärfere Regeln bei der Jagd befassen musste. | © picture alliance / PHOTOPQR/VOIX DU NORD/MAXPPP (Symbolbild)

Talin Dilsizyan
16.09.2022 | 16.09.2022, 18:09

Paris. Tödliche Jagdunfälle haben zu einer intensiven Diskussion in Frankreich geführt, wie das Jagen sicherer werden könnte. Der Senat hat am Donnerstag eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, zu denen auch ein striktes Alkoholverbot gehört. Weder Jäger noch Tierschützer sind zufrieden.

Im Dezember 2020 hackte der 25-jährige Morgan Keane zusammen mit seinem Bruder Holz, als er von einer Kugel aus einem Jagdgewehr getroffen wurde. Er starb. Der Jäger sagte aus, dass er den jungen Mann "für ein Wildschwein gehalten" habe. Der tödliche Jagdunfall in Calvignac, über den unter anderem "Midi Libre" berichtet, führte zu einer Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnern. Sie setzte sich für schärfere gesetzliche Regeln bei der Jagd ein. Sonntags und mittwochs sollte die Jagd in ganz Frankreich verboten werden. Die Ausbildung bis zum Erlangen des Jagdscheins sollte verbessert werden - hierzu gehören schwerere Prüfungsaufgaben.

Für mehr Sicherheit sollten Schutzzonen rund um Wohnungen gelten, die die maximalen Reichweiten der genutzten Waffen berücksichtigen. Alkohol müsse während der Jagd gesetzlich verboten sein. Das Alter, um die Jagderlaubnis zu erlangen, sollte von aktuell 16 Jahren heraufgesetzt werden. Auch sei es laut der Petition von "Un jour, un chasseur" (übersetzt: "ein Tag, ein Jäger") wichtig, dass die Daten über Personen, die keinesfalls im Besitz von Waffen sein dürfen, regelmäßig aktualisiert werden.

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Senat reagiert auf Petition

Der französische Senat hat am Mittwoch einen Bericht zur Petition veröffentlicht. Die Abgeordneten unterstützen ein gesetzliches Verbot von Alkohol- und Drogenkonsum während der Jagd. Die Regeln hierzu sollen sich an der Straßenverkehrsordnung orientieren. Somit geht es um eine Grenze von 0,5 Gramm pro Liter im Blut. Es dürfen keine Drogen eingenommen worden sein. Bestimmte jagdfreie Tage in ganz Frankreich soll es nicht geben, allerdings die Möglichkeit, diese lokal einzuschränken. So große Schutzzonen wie gefordert seien nicht möglich, da dies faktisch "das Verbot der Jagd in einem großen Gebiet Frankreichs" bedeute. Abgelehnt wurde unter anderem auch ein höheres Mindestalter für den Erwerb des Jagdscheins. Stattdessen solle die Ausbildung "intensiviert" werden. Falls jemand durch den Schuss eines Jägers stirbt, solle der Jagdschein entzogen und erst nach zehn Jahren ein Wiedererlangen möglich sein.

Auch eine Forderung der Jäger wird umgesetzt, die sich von dieser Maßnahme Schutz vor Aktivisten erhoffen, die sie an der Ausübung der Jagd behindern: Der Senat schlägt vor, dass künftig ein "Behinderungsdelikt" strafrechtlich verfolgt werden könnte. Aus Sicht des Präsidenten des französischen Jägerverbands sind die Ausführungen des Senats "völlig übertrieben". Willy Schraen legt gegenüber der Agentur "AFP" dar, dass die Verantwortung einfach hinsichtlich eines Jagdverbots an bestimmten Tagen auf einen Präfekten abgewälzt werde, der sich dann "mit 20.000 wütenden Mails befassen" müsse.

Jägerverband und Jagdgegner unzufrieden

Da Alkohol nur bei sieben Prozent der Jagdunfälle (Anmerkung der Redaktion: der Senat spricht von 9 Prozent) eine Rolle spiele, "viel weniger als bei Verkehrsunfällen" weist Schraen darauf hin, dass Einschränkungen nur für Jäger ungerecht seien. "Ein Besoffener auf dem Fahrrad, der ist doch auch gefährlich. "Tatsächlich ist es in Frankreich aber für Radfahrer verboten, unter Alkoholeinfluss zu fahren. Es droht eine Geldstrafe. Wenn andere gefährdet worden sind, so kann es auch zum Entzug des Pkw-Führerscheins kommen. Schraen kritisiert vielmehr eine Stigmatisierung: "Wir werden als Mörder behandelt, das hat etwas von Satire", merkt er an. "Heute ist der Jäger kein Alkoholiker, das ist nicht wahr!"

Tierschützer wie die "FondationDroit Animal" beklagen "wenig interessante bis hin zu skandalösen Maßnahmen wie dem Behinderungsdelikt", die der Senat vorsehe. Die Organisatoren der Petition sprechen auf Twitter im Namen von Jagdopfer-Vereinigungen von einem "unanständigen Bericht" und fordern eine schnelle Reaktion der Regierung.

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Entsprechend der Informationen des französischen Amts für Biodiversität (OFB) bewegt sich die Zahl der Jagdunfälle seit 20 Jahren tendenziell auf einem niedrigen Niveau (weniger als 100). In der Saison 2021/2022 hat das OFB insgesamt 90 Jagdunfälle verzeichnet - acht waren tödlich. Zu den Opfern gehörten zwei Menschen, die nichts mit der Jagd zu tun hatten.

Alkohol bei der Jagd?

In Frankreich ist es tatsächlich keine spezielle Straftat, wenn unter Alkoholeinfluss gejagt wird. Wenn es allerdings zu einem Jagdunfall kommt und sich herausstellt, dass der Jäger oder die Jägerin alkoholisiert ist, so wird dies als erschwerender Umstand bewertet. Beispielsweise verbietet auch explizit bereits der Verband in der Region Gard seinen Mitgliedern, betrunken oder unter Drogeneinfluss zu jagen und weist auf die Promillegrenze von 0,25 mg/l in der Atemluft entsprechend der Verkehrsordnung hin.

Rechtsanwalt Clemens Hons legt gegenüber dem Deutschen Jagdverband angesichts eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts 2014 dar, dass "niemand im alkoholisierten Zustand mit der Waffe schießen" dürfe. "Ein Vollrausch, der zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille führt oder ein Fehlverhalten im alkoholisierten Zustand, führen zum Verlust des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarte." Es gebe aber keine genaue Promillegrenze. Der Jagdverband "empfiehlt aber dringend, vor und bei der Jagd mit Schusswaffen auf jeglichen Alkoholgenuss zu verzichten".