Energie-Knappheit

Bund prüft Atomkraft als Stromreserve für den Winter

Mit einem Testergebnis wird in den nächsten Wochen gerechnet. Die Parteien reagieren unterschiedlich. Bielefelderin Haßelmann spricht von „Scheindebatte“.

Die verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sollen möglicherweise noch nicht vom Netz gehen. | © Armin Weigel (Symbolfoto)

26.07.2022 | 26.07.2022, 09:04

Berlin (AFP/dpa/IK). In der Debatte um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke will die Bundesregierung sich nicht zu einer Entscheidung drängen lassen. Nachdem eine erste Prüfung im März ergeben habe, dass der Weiterbetrieb der drei letzten deutschen Atomkraftwerke nicht nötig sei, laufe nun die zweite Untersuchung zur Sicherheit der Stromversorgung, so eine Regierungssprecherin. „Und jetzt warten wir das Ergebnis dieses sogenannten Stresstests ab.“ Aus der Politik kommen unterschiedliche Reaktionen.

Mit einem Prüfergebnis sei in den nächsten Wochen zu rechnen, so das Bundeswirtschaftsministerium. Alle seien sich im Klaren, dass es Zeitdruck gebe „und dass mit Hochdruck gerechnet werden muss“. Vor allem die Union drängt weiter auf eine schnelle Entscheidung, die deutschen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus am Netz zu behalten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck müsse alles tun, um die Energielücke im Winter zu schließen, forderte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei. Dazu gehörten neben Energiesparen das Anheben der Deckelung bei der Energieerzeugung aus Biogas und längere Laufzeiten der Atomkraftwerke (Akw).

Die Grünen sind gegen längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte aber, in einer Notsituation könne darüber gesprochen werden, ob die Brennstäbe der laufenden Akw ausbrennen sollten, womit die Kraftwerke dann länger am Netz bleiben würden. Als eine solche Notsituation bezeichnete Göring-Eckardt, wenn etwa Krankenhäuser nicht mehr arbeiten könnten. Vor einem solchen sogenannten Streckbetrieb sollten aber weitere Maßnahmen geprüft werden.

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Gesellschaftlicher Konsens auf dem Spiel

Deutlich positioniert sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann aus Bielefeld. Es gäbe einen gesellschaftlichen Konsens zum Ausstieg aus der Atomkraft – „den setzen wir nicht aufs Spiel“, so Haßelmann gegenüber nw.de. Es brauche beim Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie beim Energiesparen eine Kraftanstrengung von allen, „statt Scheindebatten über nicht sinnvolle und unrealistische Laufzeitverlängerungen“ zu führen.

Die NRW-Grünen betonen auf Anfrage von nw.de, dass die Option, Atomkraftwerke mit einer begrenzten längeren Laufzeit am Netz zu halten, um so einen Teil des Gases aus der Verstromung zu entnehmen und einzusparen, "noch nicht vom Tisch" sei. Diese Option beantworte man aber "entlang sicherheitsrelevanter Faktoren und nicht von Sympathie", so die zwei Landesvorsitzenden Tim Achtermeyer und Yazgülü Zeybek. "Wir Grüne halten Atomkraft für eine sehr gefährliche Form der Energiegewinnung - sowohl in der Nutzung als auch in der Endlagerfrage." Diese Position habe sich seit der Parteigründung nicht geändert. Auch in Fragen der Waffenlieferungen sehen die zwei NRW-Landeschefs zwischen "unserem Regierungshandeln und den parteipolitischen Werten unserer Mitglieder keinen Widerspruch".

SPD-Chefin Saskia Esken hatte in der Debatte über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Akw eine sachliche Herangehensweise betont. „Wir sind an der Stelle nicht ideologisch unterwegs“, sagte sie. Union und FDP werben dafür, den Ausstiegsplan für die Meiler auszusetzen und einen begrenzten Weiterbetrieb über den Jahreswechsel hinaus zu ermöglichen.