Parlamentswahl in Frankreich

Jean-Luc Mélenchon: Polternder Populist mit linksradikalen Ansichten

Der 70-Jährige will unter Macron Premierminister werden. Er gilt als EU- und NATO-skeptisch und teilt gerne gegen Deutschland aus. Warum er eine Gefahr nicht nur für die EU bedeutet.

Jean-Luc Mélenchon in Marseille. | © NICOLAS TUCAT/AFP

12.06.2022 | 12.06.2022, 20:18

Paris. Dreimal war er Präsidentschaftskandidat, jetzt nennt er sich selbst Premierministerkandidat - eine Position, die es im politischen System Frankreichs gar nicht gibt. Das stört den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon jedoch nicht weiter. Er wiederholt seinen Karrierewunsch so oft, dass sich bei vielen Franzosen der Eindruck gefestigt hat, Präsident Emmanuel Macron müsse Mélenchon nach der Parlamentswahl zum Regierungschef ernennen, sollte das links-grüne Wahlbündnis die Mehrheit im Parlament erlangen.

Der polternde Populist gehört in Frankreich seit Jahren zum politischen Personal. Mit 70 Jahren ist er nun vermutlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Vierzehn Jahre nachdem er aus der sozialistischen Partei PS ausgetreten war, weil die ihm "zu rechts" war, steht er nun an der Spitze eines breiten Wahlbündnisses, das neben seiner eigenen Partei auch die kläglichen Reste der Sozialisten, die Grünen und die Kommunisten umfasst. Das Bündnis namens Nupes liegt in den jüngsten Umfragen zur Parlamentswahl nahezu gleichauf mit Macrons Partei und deren Verbündeten. Doch selbst wenn das Regierungsbündnis seine Mehrheit verlieren sollte, gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass Macron ausgerechnet den angriffslustigen Mélenchon zum Premierminister macht.

Der in Marokko geborene Mélenchon war im Alter von elf Jahren nach Frankreich gekommen. Schon als Gymnasiast war er politisch aktiv, als Literatur- und Philosophiestudent engagierte er sich in einer trotzkistischen Organisation. Später trat er in die PS ein, deren Gründer François Mitterrand er bis heute verehrt, wurde Senator und zwei Jahre lang Minister für Berufsausbildung. Bei den vergangenen drei Präsidentschaftswahlen schnitt Mélenchon jedes Mal besser ab: 2012 kam er auf elf Prozent und den vierten Platz. 2017 lag er bei knapp 20 Prozent, 2022 bei 22 Prozent. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als könne er gegen Macron in die Stichwahl einziehen.

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"Der Bismarckhering - das deutsche Gift"

"V" wie "Victoire". Hier spricht er in Paris vor der "Nouvelle Union Populaire Ecologique et Sociale". - © STEPHANE DE SAKUTIN / AFP
"V" wie "Victoire". Hier spricht er in Paris vor der "Nouvelle Union Populaire Ecologique et Sociale". | © STEPHANE DE SAKUTIN / AFP

Mit der Gründung seiner eigenen Partei "La France Insoumise" ("Das unbeugsame Frankreich") 2017 schuf Mélenchon sich eine Bühne, von der aus er in den vergangenen Jahren immer wieder soziale Missstände anprangerte. Besonders gerne teilte er Seitenhiebe in Richtung Deutschland aus, um etwa die marktwirtschaftlich orientierte Spar- und Reformpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu kritisieren.

2014 veröffentlichte er eine Streitschrift mit dem Titel "Der Bismarckhering - das deutsche Gift", wobei sich im Französischen die Wörter Fisch (poisson) und Gift (poison) nur durch einen Buchstaben unterscheiden. Lob dafür gab es von Oskar Lafontaine, damals noch bei der Linkspartei.

Unkritische Haltung zu Wladimir Putin

Populär: Mélenchon-Wahlkampfmobil in Cannes. - © SAMEER AL-DOUMY / AFP
Populär: Mélenchon-Wahlkampfmobil in Cannes. | © SAMEER AL-DOUMY / AFP

Während Mélenchon mit Blick auf Frankreich eine ausgabenfreudige Sozialpolitik vertritt, zeigt er sich außenpolitisch vor allem EU- und Nato-skeptisch. Er geriet zudem immer wieder in die Kritik durch seine unkritische Haltung zu südamerikanischen Machthabern wie dem früheren venezolanischen Staatschef Hugo Chavez und zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Große Töne spuckt Mélenchon nicht nur auf der Bühne, sondern auch im direkten Kontakt mit Journalisten oder Sicherheitskräften. 2018 schnauzte er Beamte an, die seine Parteizentrale wegen Verdachts auf Mauscheleien durchsuchten: "Ich bin die Republik".

Im jüngsten Wahlkampf für die Parlamentswahl warb er vor allem für die Rente mit 60 und die Erhöhung des Mindestlohns auf 1.500 Euro monatlich sowie eine Preisblockade - alles in allem etwa 250 Milliarden zusätzliche öffentliche Ausgaben, finanziert unter anderem durch die Wiedereinführung einer saftigen Reichensteuer.

Mit Blick auf die in Deutschland geplante Anhebung des Mindestlohns fand Mélenchon sogar nette Worte für das Nachbarland. Eigentlich halte er ja nichts vom deutschen Modell, sagte er, "aber in dem Fall werden wir sie nachahmen" - sollte sein Wahlbündnis die Mehrheit bekommen. (AFP)