AfD-Unterstützung für Windkraftpläne: Was Thüringen von NRW lernen kann

Düsseldorf/Erfurt. Das Land NRW schreibt seit knapp einem Jahr einen 1.000-Meter-Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung vor. Kaum eine Regel ist so sehr umstritten. Sie dürfte schon bald der Vergangenheit angehören, da die NRW-Grünen sie abschaffen wollen – und derzeit mit der CDU verhandeln. Die signalisiert Entgegenkommen. Im thüringischen Landtag ist die Lage eine andere. Die dortige CDU fordert die Einführung der Abstandsregel – und erhält Zustimmung von der AfD. Gemeinsam mit der FDP könnte die CDU so die rot-rot-grüne Landesregierung überstimmen. Ein Pakt mit der AfD? Das Thema schlägt bundesweit hohe Wellen. Eine Lösung könnte ein Blick nach NRW bieten. Die CDU in Thüringen steckt in einer Zwickmühle. Sie bringt einen in ihren Augen &bdquo;in der Sache richtigen“ Antrag ein – und soll sich davon distanzieren, sobald die AfD diesen Antrag ebenfalls begrüßt. Das mindert ihren politischen Spielraum enorm. Auf der anderen Seite handelt es sich bei der AfD eben nicht um eine Partei wie jede andere, sondern um eine, die vom Verfassungsschutz wegen rechtsextremistischer Tendenzen beobachtet wird und deren Fraktionschef der rechtsextreme Björn Höcke ist. Den Umgang mit der AfD hatte CDU-Chef Friedrich Merz Ende des Jahres eigentlich klar umschrieben: Wer in seiner Partei mit der AfD kooperiere, fliege aus der CDU. Die Rede war von einer &bdquo;Brandmauer zur AfD“. Haßelmann spricht von "Tabubruch" Ein halbes Jahr später steht die CDU in Thüringen nun genau an dieser Wegmarke. Sie könnte die rot-rot-grüne Minderheitsregierung mit Stimmen der FDP und AfD überstimmen. Für die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Britta Haßelmann aus Bielefeld, wäre das ein Unding. Mit der AfD zu stimmen, &bdquo;ist und bleibt ein Tabubruch“. Keine Partei dürfe sich von den Stimmen dieser &bdquo;rechtsextremen Partei“ abhängig machen, so Haßelmann gegenüber dieser Zeitung. Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Uni Düsseldorf erinnert daran, dass die &bdquo;Kurzzeitwahl“ des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mithilfe der AfD im Thüringer Landtag bereits als Tabubruch gewertet wurde. Wenn bei einem wichtigen Gesetzgebungsthema eine parlamentarische Unterstützung seitens der AfD nicht nur in Kauf genommen, sondern eingeplant werde, um eine Mehrheit zu erreichen, dann gehe das &bdquo;in die gleiche Richtung“, so Marschall. Die CDU würde damit gegen ihren Parteitagsbeschluss verstoßen, der eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner von Mentefactum ist der Meinung, dass die inzwischen starke Emotionalisierung die politischen Entscheidungen verhindere. &bdquo;Faktisch gesehen will und muss jede Partei, also auch die CDU, ihre Entscheidungen unabhängig treffen können“, so Schöppner. Doch da jede Meinungsharmonie mit der AfD sofort als politischer Tabubruch ausgelegt werde, sei diese CDU-Entscheidung nicht nur eine sachliche, sondern sofort auch eine mit Skandalisierungspotenzial. Sowohl die Grünen als auch die CDU in NRW wollen die Situation in Thüringen auf Anfrage dieser Zeitung nicht kommentieren. Beide Parteien handeln aktuell den Koalitionsvertrag für die neue NRW-Landesregierung aus – und führen dabei unter anderem Gespräche über die Art und Weise des Windkraftausbaus im Land. Ein CDU-Antrag mit Stimmen der AfD in Thüringen wäre für die Verhandlungen zwischen CDU und Grünen in NRW &bdquo;tendenziell belastend“, glaubt Politikwissenschaftler Marschall, der zugleich darauf verweist, dass die CDU-Landesverbände &bdquo;grundsätzlich unabhängig voneinander“ sind. Dennoch sei eine deutliche Distanzierung der NRW-CDU von diesem Vorgehen notwendig, so Marschall. Auch Schöppner glaubt, dass ein derartiger Vorgang die Koalitionsverhandlungen in NRW &bdquo;erschweren“ würde, wenngleich das Verhalten einiger Ost-Bundesländer nur wenig an der grundlegenden Koalitionsentscheidung ändern würde, so der Bielefelder Meinungsforscher. Künftige NRW-Koalition könnte als Blaupause dienen Um einen Ausweg aus der Situation zu finden, hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Mittwoch den CDU-Fraktionschef Mario Voigt getroffen und Kompromisslinien aufgezeigt. Beide zeigten sich anschließend zuversichtlich. Voigt sprach von einem &bdquo;Durchbruch“ in diesem Konflikt. Als Basis nannte Ramelow auch den entstehenden Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in NRW. Ramelow spricht mit Blick auf NRW von einer &bdquo;Blaupause“. Ähnliche Gespräche bot auch Thüringens Grünen-Umweltministerin der CDU an. In NRW zeichnet sich ab, dass die 1.000-Meter-Abstandsregel fallen wird. Zugleich betonen CDU und Grüne in ihrem Sondierungspapier die &bdquo;schutzwürdigen Interessen der Bevölkerung und der Umwelt“ sowie &bdquo;akzeptanzsteigernde“ und &bdquo;konfliktreduzierende“ Maßnahmen. Sprich: Ganz ohne Regeln wird es nicht gehen. Auch Haßelmann betont, dass es für den Windkraft-Ausbau eine Verständigung brauche, die den gesellschaftlichen Frieden nicht gefährde. Dafür müssten die demokratischen Kräfte um gemeinsame Wege ringen. &bdquo;Nur so kann es funktionieren“. CDU-Chef Merz hofft, dass es in Thüringen auf eine &bdquo;vernünftige Lösung“ hinauslaufen wird, &bdquo;ohne dass die AfD dazu benötigt wird“.

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