
Für einen kurzen Moment lächelt Olaf Scholz so, als würde er gleich wieder spöttisch von "Jungs und Mädels" sprechen, die ihm mit ihrer Pauschalkritik an seinem Kurs auf den Geist gehen. Aber der Bundeskanzler hat sich im Griff. Es ist kein Rundfunk-Interview wie neulich, es ist die TV-Sendung "RTL Direkt". Es geht um die Frage: "Kann der Kanzler Krise?"
Die Kamera behält Scholz fest im Blick, als der Finanzdienstleister Philipp Meyer ihm "die gleiche Flickschusterei wie schon als Finanzminister" vorwirft, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Er müsse "mal langsam über den großen Wurf sprechen", sagt Meyer. Nirgendwo würden die Leistungsträger so gemolken wie in Deutschland. Der Kanzler antwortet höflich: "Das akzeptiere ich nicht."
Die SPD hat bei der Landtagswahl in NRW gerade ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Für Scholz kein Grund, in Sack und Asche zu gehen. Im Gegenteil sagt er selbstbewusst, was andere Sozialdemokraten im Laufe des Tages nicht mehr so richtig laut erklärten: Die Ampel-Parteien hätten im Landtag von Nordrhein-Westfalen eine Mehrheit.
Diskussion mit vier Bürgerinnen und Bürgern
"Vielleicht ergibt sich daraus ja auch was." Es werde nun "natürlich noch einmal geguckt". Natürlich? Es sei in der Geschichte Deutschlands jedenfalls "schon ziemlich oft vorgekommen", dass der Zweitplatzierte die Regierung anführe. "Insofern wäre es verwunderlich, wenn man sagen würde: Das kann gar nicht der Fall sein." Offensichtlich wird in den Bundes-Ampel-Parteien heftig diskutiert.
Es ist ein ungewöhnliches Format. Scholz sitzt mit der Moderatorin Pinar Atalay und zwei Frauen und zwei Männern an einem großen Tisch. Außer Meyer (51) diskutieren der Stahlarbeiter Chris Rücker (57), die arbeitslose Mutter von vier Kindern, Romy Puhlmann (42), und die Ukrainerin Viktoria Prytuliak (32). Scholz muss sich zu allen Seiten verteidigen.
Puhlmann sagt, sie werde den Betrag aus dem Entlastungspaket auf ein Sparkonto legen, weil es am Ende des Jahres eine dicke Nachzahlung bei den Stromkosten geben werde. Wie sie es ausgleichen werde, dass es in den Schulferien kein Schulessen gebe, wisse sie noch nicht. Sie trifft noch einen wunden Punkt bei Scholz: "Viele Sachen verstehe ich nicht richtig. So geht es auch anderen." Atalay hält Scholz eine Umfrage vor, wonach ihn 68 Prozent der Befragten nicht richtig verstünden.
Kanzler lässt Kiew-Reise offen
Prytuliak kommt aus der beschossenen Hafenstadt Odessa und bittet mit Tränen in den Augen um weitere Waffenlieferungen. Scholz versichert, dass Deutschland weiter helfen werde. Wann er nach Kiew reisen werde, lässt er aber offen und stichelt gegen andere Reisende: "Ich werde mich nicht einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes rein und raus mit einem Fototermin was machen."
Rücker wirft ein: "Wat is, wenn Putin mal ausflippt?" Scholz räumt ein: "Wir müssen uns Sorgen machen, dass es eine Eskalation gibt." Rücker entgegnet: "Das bringt doch nüscht." Außerdem hat er Angst, "dass uns die anderen Länder die Arbeit wegnehmen."
Alle sind sich einig, es dauere zu lange, bis Hilfen der Bundesregierung bei den Menschen ankämen. Der Bundeskanzler betont für seine Verhältnisse beinahe heftig, er könne nicht alles außer Kraft setzen, der Staat könne erst Geld auszahlen, wenn es ein Gesetz dafür gebe. Am Ende fragt Atalay ihre Gäste, ob sie Scholz in der Sendung besser verstanden hätten. Puhlmann sagt: "Durchschnittlich." Scholz erklärt: "Ich akzeptiere das."